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Ein unerwarteter Segeltörn Teil 01

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„Wer von euch will jetzt mal Ruder gehen? Ich muss an den Kartentisch und den Kurs nach England bestimmen", fragte Helena ihre Mitreisenden.

„Willst du, Thomas?", fragte Melanie.

„Klar gerne."

„Der Kurs ist derzeit 270°", sagte Helena.

Er übernahm das Ruder und sie verschwand unter Deck. Sie setzte sich an den Navigationsplatz und berechnete aus der augenblicklichen Position, die sie vom GPS Gerät ablas, der momentanen Strömung gemäß Gezeitenkalender und dem Ziel an der englischen Küste den Kurs. Nach einer Weile kam sie wieder an Deck und sagte: „Gehe bitte auf 240°."

„Gut, ich luve etwas an. Könnt ihr Groß und Fock dichter holen?"

Sie trimmten die Segel und lehnten sich anschließend zurück. Nach einer Weile bemerkte Thomas: „Wenn der Wind so bleibt, wird das eine ruhige Überfahrt."

„Warte erst einmal ab", gab Helena zu bedenken. „Wir sind gerade erst auf die offene See gekommen. Wir brauchen zwei Tage für die Überfahrt. In der Zeit kann sich das Wetter ändern. -- Gut, der Wetterbericht hat keinen Sturm oder Flaute vorhergesagt, aber wir haben es öfters schon erlebt, dass er ein wenig auffrischt."

„Du sprichst aus Erfahrung?", fragte er.

„Ja, wir haben schon öfters eine Fahrt zu den West- oder Ostfriesischen Inseln unternommen."

„Es ist echt schade, dass Papa zurückmusste", warf Melanie ein. „Zum Ende meines Studiums bin ich nur selten zu Hause gewesen und jetzt im praktischen Jahr habe ich noch weniger Zeit, nach Hause zu kommen."

„Was studierst du denn?", fragte Thomas.

„Medizin und ich mache mein praktisches Jahr jetzt auf der Inneren."

„Und, gefällt es dir?"

„Auf jeden Fall!"

„Und dir hat das ewige Auswendiglernen nichts ausgemacht?"

„Das war kein Problem für mich. Das konnte ich in der Schule schon. Vokabeln merkte ich mir einfach so. Nur Grammatik zum Beispiel, hatte bei mir etwas länger gedauert."

„Das ist bei mir genau umgekehrt", sagte Thomas. „Vokabeln Pauken ist für mich immer ein Kampf gewesen. Strukturelle Dinge wie Grammatik oder Mathematik habe ich beim ersten Mal schon verstanden. Deswegen studiere ich auch Maschinenbau und nicht Medizin oder eine Sprache. -- Und du Helena?"

„Ich studiere derzeit Sport und Mathe auf Lehramt."

„Und wie läuft es?"

„Gut, würde ich sagen."

„Und wie sind die Chancen, eine Stelle zu bekommen?"

„Mit Mathe ist das derzeit überhaupt kein Problem. Die werden händeringend von allen gesucht."

„Das klingt ja gut", bemerkte er.

„Und wie ist das bei dir, Thomas", fragte Helena.

„Ich kann mich auch nicht beklagen. Sorgen um eine Stelle muss ich mir später nicht machen. Ich habe gerade meinen Bachelor abgeschlossen und fange im Herbst mit dem Master an."

„Und in welche Richtung möchtest du später einmal gehen?"

„Weiß ich noch nicht genau. Umwelt- oder Energietechnik sind im Moment meine Favoriten."

„Klingt gut aus meiner Sicht. Sind auf jeden Fall Gebiete, die zukunftsweisend sind", meinte Helena.

„Das ist auch mein Gedanke. -- Jetzt sind wir aber von deinem ursprünglichen Gedanken, Melanie, dass euer Vater nicht mehr dabei ist, abgekommen."

Melanie gefiel an Thomas, dass er den ursprünglichen Faden nicht komplett aus den Augen verloren, sondern ihren Ausgangpunkt der Gedanken wieder aufgegriffen hatte. Wenn er dieses Maß an Reife auch sonst zeigen würde, dachte sie sich, dann würden die kommenden zwei Wochen interessant werden.

Im selben Moment wurde ihr bewusst, wie zweideutig man ihre Gedanken hätte auffassen können und sie war froh, dass sie sie nicht laut ausgesprochen hatte. Trotzdem stieg ihr die Schamröte ins Gesicht und sie hoffte, dass dies keinem auffiel. Sie wunderte sich, woher diese etwas schlüpfrige Sichtweise auf einmal kam. Seit einiger Zeit war sie zwar solo, aber deswegen wollte sie kein schnelles Abenteuer mit einem drei Jahre jüngeren Mann.

Sie konzentrierte ihren Blick auf den Horizont und die Schiffe voraus und versuchte so, von dem für sie im Moment merkwürdigen Gedanken loszukommen. Keiner der beiden anderen hatte Melanies geistige Abwesenheit mitbekommen. Stattdessen hatten sie den ursprünglichen Gedanken wieder aufgegriffen und Helena meinte: „Ja, es ist schade, dass unser Papa nicht mit von der Partie ist. Aber wir können es auch von der positiven Seite sehen. Wir haben jetzt zwei Wochen sturmfreie Bude."

„Stimmt, es gibt keinen Erwachsenen, der uns sagt, was wir zu tun hätten. -- Aber wäre das bei eurem Papa zu einem Problem geworden?"

„Nein!", sagte Helena.

„Natürlich nicht. Er ist schon ziemlich in Ordnung. Ich habe das eher im Scherz gemeint."

Nach einer Weile fragte Helena: „Wie wollen wir das mit der Wache die nächsten Tage machen? Wären wir zu viert, wäre es sehr einfach gewesen, zwei und zwei fahren immer zusammen. Jetzt sind wir aber nur zu dritt. Da du, Melanie, zwar viel Erfahrung im Surfen hast, aber weniger Zeit auf einem Dickschiff und du, Thomas wenigstens etwas Erfahrung auf einem solchen Boot hast, schlage ich vor, dass ich die erste Wache bis Mitternacht fahre. Und ihr mich dann beide ablöst und die nächsten vier Stunden zusammen fahrt. So wärt ihr während der eigentlichen Tiefschlafphase nicht alleine an Deck. Was meint ihr?"

Melanie und Thomas schauten sich an und nickten. „OK", sagte Thomas. „Wir haben auch nicht viele Alternativen."

„Gut", meinte Melanie. „Dann schlage ich vor, ich mache schon einmal etwas zu essen, damit wir uns dann gleich aufs Ohr legen können."

„Gute Idee!", sagte Helena. „Was gibt es denn heute?"

„Ich weiß nicht. Ich muss mir erst einen Überblick verschaffen, was Papa alles an Vorräten eingepackt hat", sagte sie und verschwand unter Deck. Nach einer Weile rief sie nach oben: „Wie wäre es mit Spaghetti und einer Gemüsesauce?"

„Klingt prima! Nicht war, Thomas?", fragte Helena.

„Auf jeden Fall! Für Pasta bin ich immer zu haben!"

„Ich komm runter und helfe dir beim Schnibbeln", sagte Helena. Und zu Thomas gewandt ergänzte sie: „Du kommst klar hier? Immer auf die großen Schiffe achten. Wir kommen jetzt bald in die Nähe des Fahrwassers. So ein Containerriese wird uns nicht ausweichen."

„Ja, schon klar!"

Helena ging zu ihrer Schwester hinunter und sie bereiteten zusammen das Essen vor. Kurze Zeit später strömte der Duft angebratener Zwiebeln den Niedergang hinauf.

„Das riecht schon lecker! Ich hoffe, es dauert nicht mehr so lange. Ich bekomme langsam Hunger."

„Nur da rumstehen, nicht mithelfen und dann noch drängeln", rief Helena ihm hinauf. „Solche Leute haben wir besonders gerne. Nicht wahr, Melanie."

„Ja, das sind uns die Allerliebsten!", antwortete sie lachend. Kurze Zeit später kamen die Geschwister mit drei großen Tellern, gefüllt mit Spaghetti, einer köstlich duftenden Gemüsesauce und geriebenem Parmesan nach oben und alle begannen zu essen.

Thomas hatte einen Fuß unten in das Steuerrad gestellt und versuchte, während des Essens einigermaßen den Kurs zu halten. Nach einer Weile bemerkte er: „Das ist die beste Sauce, die ich seit langem gegessen habe. Was ist da alles drin?"

„Wird nicht verraten. Das ist unsere geheime Familiengewürzmischung", antwortete Melanie. Sie dachte sich erneut, dass ihr seine Einstellung gefiel, wie er sie wegen des Essens gelobt hatte. Er war eindeutig anders als viele, die sie in den letzten Jahren kennengelernt hatte. Bei den allermeisten hatte sie immer nachfragen müssen, ob es ihnen geschmeckt würde.

Helena war als Erste mit dem Essen fertig und meinte zu Thomas: „Komm, ich übernehme das Ruder. Dann kannst du in Ruhe fertig essen."

Er nahm seinen Teller, machte ihr hinter dem Ruder Platz und setzte sich neben Melanie.

„Haben wir auch etwas zu trinken dabei?", fragte Thomas.

„Ja, haben wir", antwortete Helena. „Wir haben einige Flaschen Wein an Bord. Ich fände es aber besser, wenn wir auf Alkohol während der Überfahrt verzichten würden."

„Klar", sagte Thomas, „ich bin mit einem Wasser zufrieden. Wenn ihr mir sagt, wo es ist, hole ich es mir selbst."

„Die Flasche liegt im Spülbecken. Da kann sie nicht herunterrollen", antwortete Melanie. „Komm, ich halte deinen Teller, während du runtergehst."

„Danke!", sagte er, gab ihr seinen Teller und lief die Stufen des Niedergangs hinunter.

Sie folgte ihm mit ihren Blicken und ertappte sich, wie sie seinen knackigen Hintern beäugte, der sich durch seine Hose abzeichnete. Von unten fragte er: „Soll ich noch jemand anderem einen Becher mitbringen?"

„Ja bitte!", kam es von beiden.

Kurz darauf kam er mit drei Bechern und der Wasserflasche an Deck. Er füllte die Becher und gab sie ihnen. Er hob seinen an und sagte: „Auf einen unvergesslichen Törn!"

„Ja genau! Auf einen unvergesslichen Törn!", stimmten sie ihm zu.

Sie stießen mit den Bechern an und prosteten sich zu. Thomas aß seine Portion auf und sammelte die Teller der beiden anderen mit den Worten ein: „Wer gekocht hat, braucht nicht abzuspülen!"

„Oh Danke, Thomas", meinte Melanie und verbuchte innerlich ein weiteres Plus auf seinem Konto.

Er ging mit dem schmutzigen Geschirr unter Deck. Kurze Zeit später fragte er: „Wie bekomme ich den Herd an? Ich will Wasser zum Spülen erhitzen."

„Ich komme!", rief Melanie.

Unten erklärte sie ihm, wie der Spiritusherd funktionierte. Er setzte einen Kessel mit Wasser auf und räumte die restlichen, nicht benötigten Zutaten weg. Melanie war währenddessen ins Vorschiff gegangen und bereitete ihre Koje vor. Nachdem das Wasser gekocht hatte und er einen Teil in die Spüle gegossen hatte, fragte er: „Will einer von euch einen Kaffee oder Tee, ich habe noch heißes Wasser?"

„Für mich nicht!", antwortete Melanie und wunderte sich erneut, wie es einen Mann geben konnte, der so mit- und an andere dachte.

Helena rief vom Steuerstand: „Für mich einen Tee, schwarz bitte!"

Er ging zu ihr hinauf und fragte: „Soll ich den gleichen Becher noch einmal nehmen oder möchtest du einen frischen?"

„Natürlich geht der noch. Geschirr immer mehrfach nutzen, dann müssen wir weniger spülen", sagte sie und gab ihm den Becher.

Er goss den Tee auf und reichte ihn ihr. Bei der Übergabe berührten sich ihre Finger kurz und ihm fiel auf, dass sie trotz ihrer Größe sehr zierliche Finger besaß. Sie bemerkte seinen Blick, konnte ihn jedoch nicht so schnell deuten, da ihre Gedanken von der Hitze des Bechers abgelenkt wurden. Sie stellte ihn schnell in eine sichere Ecke auf dem Holzdeck.

Er ging wieder unter Deck und wusch das Geschirr ab. Melanie kam zu ihm und sagte: „Komm, ich helfe dir beim Abtrocknen."

In kurzer Zeit hatten sie Pantry aufgeklart und machten sich zur Nachtruhe fertig. Melanie schloss hinter sich die Tür und Thomas überlegte, wo er sich umziehen sollte -- in dem kleinen Bad oder in der Mitte des Boots, vor seiner Koje. Er entschied sich für Letzteres mit dem Argument, was denn schon dabei sei, wenn sie ihn in Boxershorts sehen würden.

Er schlüpfte in seinen Schlafsack und schaute an die Decke. Seine Gedanken wanderten hin und her und blieben an dem Umstand hängen, dass er mit zwei sehr hübschen Frauen zwei Wochen alleine auf einem Boot verbringen würde. Melanie gefiel ihm gut. Sie trug meistens ihre langen, kastanienbraunen Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden und wirkte so jünger als siebenundzwanzig. Sie kam mehr nach ihrem Vater, hatte die gleichen Gesichtszüge wie er und kräftige Augenbrauen.

Helena war etwas kleiner als ihre Schwester, ihr Gesicht schmaler und ihre Wangenknochen stärker ausgeprägt. Thomas vermutete, dass sie mehr nach ihrer Mutter kam. An diese konnte er sich nicht mehr erinnern. Vor mehr als zehn Jahren hatte diese sich von Klaus-Peter scheiden lassen. Thomas fand, dass Helena die relativ kurzen blonden Haare, die sie mit einem Scheitel auf der rechten Seite trug, gut standen. Melanies Figur war schlank mit schönen Kurven an den richtigen Stellen. Helena hingegen war etwas schlanker. Dieses Weniger zog ihn jedoch umso mehr an. Er hoffte, dass es in den nächsten Tagen die Möglichkeit ergeben würde, sie beide einmal in einem Badeanzug oder Bikini zu sehen. Hier stoppte er seine Überlegung, da ihm klar wurde, dass diese Reise auf engem Raum sehr unangenehm werden würde, wenn er Helena zeigen würde, dass er sie besser kennenlernen wollte, sie aber kein Interesse an ihm hätte. Er wälzte sich auf die Seite, schloss die Augen, versuchte, den Gedanken abzuschütteln und stattdessen einzuschlafen.

Im Vorschiff lag Melanie ebenfalls in ihrem Schlafsack und verschiedene Gedanken bewegten sie. Da war die Sorge um ihren Opa und der Wunsch, dass es ihm möglichst schnell wieder besser gehen würde. Ein anderer Gedanke kehrte zurück. Ihre Sicht auf Thomas. Sie fragte sich, was sie eigentlich wollte. Wäre da mehr bei ihr, als nur die Erkenntnis, dass er sehr gute Manieren hätte, mitdenken würde und auch sonst eine attraktive Erscheinung wäre? Zu weiteren Gedanken kam sie nicht, da das stetige Schaukeln sie schnell in den Schlaf wiegte.

Kurz vor Mitternacht weckte Helena die beiden und ging zurück ans Steuer. Wenig Zeit später kamen sie angezogen und gähnend an Deck.

„Zieht euch was Warmes über und legt eure Sicherheitswesten an", ermahnte Helena die beiden, „wenn nachts einer über Bord geht, ist er oder sie weg. Wiederfinden ist fast ausgeschlossen!"

Sie folgten ihrer Anweisung und kamen etwas später entsprechend wieder an Deck. Helena machte die Übergabe mit den Worten: „Der Kurs ist immer noch 240°, der Wind ist gleich geblieben und auf See gibt es derzeit nichts Außergewöhnliches."

Melanie übernahm das Ruder und Thomas setzte sich in Luv in die Plicht. Beim Hinuntergehen fragte Helena: „Soll ich euch noch einen heißen Tee machen?"

„Brauchst du nicht.", sagte er. „Das mache ich gleich. Leg dich doch schon hin."

„OK. Danke dir!"

Er ging hinter ihr ins Boot und wünschte ihr: „Schlaf gut, auch wenn es nur kurz ist."

„Danke. Euch eine ruhige Wache!"

Er bereitete den Tee zu. Ein paar Minuten später kam er mit zwei dampfenden Bechern wieder nach draußen und gab Melanie einen. Sie wärmten sich beide schweigend ihre Hände an der Tasse und schlürften den heißen Tee.

Helena schloss die Tür ihrer Kajüte, zog sich schnell ihre Kleidung bis auf ein T-Shirt und Unterwäsche aus und legte sich in ihren Schlafsack. Sie wusste, dass sie nur wenige Stunden schlafen konnte, und konzentrierte sich darauf, schnell zur Ruhe zu kommen.

An Deck brach Thomas nach einer Weile das Schweigen: „Und du surfst mehr, als dass du segelst?"

„Ja, die Begeisterung des Segelns ist von unserem Papa mehr auf Helena übergesprungen als auf mich. Helena ist da ganz in ihrem Element. Wusstest du, dass sie auch Regatten fährt?"

„Mit solchen Yachten hier wohl kaum."

„Nein. In der Regel fährt sie 470er. -- Und du, machst du dir etwas aus Wettfahrten?"

„Eigentlich nicht. Mein Papa und ich sind früher einfach so auf unserem Katamaran gefahren. Wir wollten nur Spaß haben. Der Wettstreit mit anderen hat nie eine Rolle gespielt."

„Das geht mit genauso. Ich liebe es, im Flachwasser mit einem kleinen Board einfach nur so dahin zu fliegen. -- Die letzten zwei, drei Jahre ist das aber weniger geworden."

„Ist ein Freund der Grund?", fragte er.

„Ein Freund? Wie kommst du da drauf?"

„Nun, ich habe einmal gehört, wenn ein Partner andere Interessen hat, dann passen sich öfters die eigenen ihm an."

„Ach, so meinst du das. -- Nein. Ich habe wegen des Studiums weniger Zeit. -- Das ist vermutlich auch der Grund, warum ich derzeit keinen Freund habe."

„Oh, so persönlich wollte ich gar nicht werden. -- Aber mich wundert das schon."

„Was wundert dich?"

„Das ... das", sagte er zögernd und überlegte, wie er antworten konnte, ohne dass es zu offensichtlich wäre, dass er sie sehr hübsch fand.

„... das jemand wie du solo ist."

Sie wandte ihren Blick von einem gedachten Ziel am Horizont, auf das sie zugesteuert hatte, auf ihn und wollte wissen: „Was meinst du mit ‚jemand wie du'?"

„Kannst du dir nicht denken, was ich meine?"

„Nee, weiß ich nicht. -- Komm sag schon. Wir sind hier ganz unter uns."

„Nun ... eine junge, ... gut ... gut aussehende Frau, wie du eine bist, die kann sich doch bestimmt nicht vor Verehrern retten. -- Sagt man das nicht so?"

„Danke für das ‚gut aussehende'! Es versuchen immer wieder welche bei mir. Aber im Moment lass ich sie alle links liegen. Ich will so schnell wie möglich durchs Studium kommen, da ich möglichst bald in die Klinik möchte. Ich habe so viel Lust, mit Menschen zu arbeiten, ihnen zu helfen, dass ich alles andere ignoriere."

„Hmm, verstehe."

Thomas schwieg, da er nicht wusste, wie er das Gespräch fortsetzen sollte. Er ließ seinen Blick über das Meer um sich herum schweifen und entdeckte eine Reihe anderer Schiffe in der Ferne. Er erkannte anhand der Positionslaternen, dass einige in dieselbe Richtung fuhren wie sie, andere kamen ihnen entgegen.

„Und wie ist das bei dir?", unterbrach Melanie nach einer Weile die Stille.

„Was meinst du?"

„Hast du eine Freundin, die zu Hause auf dich wartet? Gibt es ein Mädchen, für das dein Herz schlägt?"

Hätte ich doch meinen Mund gehalten, dachte er sich und sagte: „Nein -- und ..."

„Was meinst du mit ‚nein -- und'?"

„Nein es gibt kein Mädchen."

„Und das ‚und'?"

„Nun, du hast ja zwei Fragen gestellt. Dir ist vielleicht gar nicht aufgefallen, dass sie gegebenenfalls zwei unterschiedliche Antworten bedeuten könnten. -- Du hast außerdem gefragt, ob mein Herz für ein Mädchen schlägt."

„Und? Gibt es eine?"

„Nun ja. Ich würde nicht so weit gehen, dass mein Herz für sie schlägt. -- Aber sie interessiert mich."

„Und wer ist sie? Hast du sie im Studium oder an der Uni kennengelernt?"

„Nein."

„Und ...?"

„Sie stammt aus meiner alten Heimatstadt."

„Kennst du sie von der Schule?"

„Jein."

„Was denn nun? Kenne ich sie?"

„Ja doch, ich gehe davon aus, dass du sie kennst?"

„Willst du es mir verraten?"

„Du musst mir versprechen, dass du ihr nichts sagst."

„Och komm, in zwei Wochen habe ich den Namen bestimmt schon wieder vergessen."

„Das glaube ich nicht. Bitte versprich es mir."

„Gut, ich verspreche es dir. Du machst es aber spannend."

„Du kennst sie ziemlich gut. Schon seit dreiundzwanzig Jahren."

Es war wir ein kleiner Stich, der sie durchfuhr und sie richtete ihren Blick vom Kompass auf ihn und fragte mit leicht erhobener Stimme: „Du sprichst von meiner Schwester?"

„Nun, ... ja!", gab er mir leiser Stimme zu.

„Woher kommt das plötzliche Interesse an ihr? Wir kennen uns alle doch schon seit so vielen Jahren, und ihr beide studiert heute in unterschiedlichen Städten."

„Ich kann es schwer erklären. Ich habe sie, seitdem ich die Schule verlassen hatte, nicht mehr gesehen und heute ist es seitdem das erste Mal wieder gewesen. Als wir heute Mittag so eng nebeneinander auf dem Vordeck gearbeitet hatten, hat es bei mir plötzlich Klick gemacht."

Sie richtete ihren Blick zurück auf den Kompass und die See vor sich. Sie wollte das soeben Gehörte erst einmal verarbeiten. Ihre Anerkennung für ihn hinterließ ein schwer fassbares Gefühl einer leichten Eifersucht. Warum berührte sie sein Geständnis eigentlich so, fragte sie sich. Sie hatte ihn doch mindestens genauso lange nicht gesehen wie er ihre Schwester. Und hatte er ihr irgendwelche konkrete Sympathie gezeigt? Nicht wirklich, musste sie sich eingestehen. Er war bei ihr und ihrer Schwester gleichermaßen freundlich und zuvorkommend gewesen.

„Du sagst ihr aber nichts!", wiederholte er seine Bitte und holte sie ins jetzt zurück.

„Bitte? -- Ja, habe ich dir doch gesagt. -- Und wann möchtest du es ihr sagen?"

Wie? Ihr das sagen, fragte er sich.

Sie sah die Überraschung in seiner Reaktion und fuhr fort: „Klar! Irgendwann musst du es ihr schon sagen, dass du sie näher kennen lernen möchtest."

„Ja. Das hat aber doch Zeit."

„Wie lange willst du denn warten? -- Wenn du sie näher kennen lernen willst, musst du auf sie zugehen und mit ihr sprechen."

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