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Eine Party und ihre Folgen 06

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„Nein", sagte Barbara. Immer wieder: „Nein, nein, nein."

„Es tut mir schrecklich leid, Frau Löwinger", sagte der Arzt voller Mitgefühl. „Wir haben alles versucht, aber Ihr Sohn hat zu schwerwiegende Hirnverletzungen erlitten. Wir konnten nichts mehr für ihn tun."

Er hatte es nicht geschafft. Tom war tot.

Der Mensch, den ich am meisten liebte, mit dem ich endlich wieder so glücklich geworden war, mit dem ich alt werden wollte, war nicht mehr da. Mir schnürte sich die Kehle zu. Bitte nicht, dachte ich, bitte lass alles nur ein böser Albtraum sein. Lass mich aufwachen, daheim in meinem Bettchen, neben Tom, der friedlich neben mir schläft und schnarcht.

Ich blickte Gina an, ihre Augen waren ebenso tränengefüllt wie die meinen. Während Toms Mutter neben mir in lautes Schluchzen verfiel, wanderte mein leerer, gläserner Blick abwechselnd zwischen Gina und dem Arzt hin und her. Stumm formte sie die Worte: „Es tut mir so leid, Julia."

Der Arzt räusperte sich. Irgendetwas war ihm ziemlich unangenehm. Er verlagerte sein Gewicht abwechselnd auf seine Füße, dann sagte er: „Da wäre noch eine Sache, Frau Löwinger. Wir haben bei Ihrem Sohn den Hirntod festgestellt. Ich weiß, dass es pietätslos klingen muss, aber ich muss Sie das fragen. Wissen Sie, ob Ihr Sohn Organspender ist?"

Der Arzt hatte recht. Es war eine pietätlose Frage. Wie konnte man einer Frau, die soeben ihr einziges Kind verloren hatte, nur so eine Frage stellen? Ich kochte innerlich vor Wut. Gleichzeitig wusste ich, dass der Arzt diese Frage stellen musste. Es war sein Beruf.

„Ich ... ich weiß nicht", sagte Barbara achselzuckend. „Ich ... wir ... wir haben nie darüber geredet. Wieso auch? Mein Tom ist doch noch so ... war doch noch so jung, er hatte sein ganzes Leben noch vor sich; da kommt man als Mutter nicht dazu, sein Kind danach zu fragen, was nach dessen Tod mit ... mit seinen Organen passieren soll."

Verständnisvoll nickte der Arzt mit dem Kopf. „Sicher. Frau Löwinger, da Ihr Sohn offenbar nicht mit Ihnen darüber gesprochen hat, muss ich Sie jetzt fragen, ob Sie ... nun ja ... wären Sie damit einverstanden, wenn wir Ihrem Sohn seine Organe entnehmen würden?"

Entsetzt starrte Barbara den Mediziner an: „Sie fragen mich allen Ernstes, ob ich dem zustimmen soll? Wie können Sie es wagen? Wie soll ich bloß entscheiden, was mein Sohn gewollt hat? Was Sie da von mir verlangen, ist zu viel."

„Sicher, aber so ist nun einmal die gesetzliche Lage. Wenn ein Verstorbener nicht schriftlich festgehalten hat, müssen Sie als Angehörige diese Entscheidung treffen."

„Das wird nicht nötig sein", unterbrach ich das Gespräch und ich war überrascht wie fest meine Stimme klang. Ich hatte keine Ahnung, woher ich diese Kraft nahm. „Tom und ich haben am Anfang unseres Studienbeginns beide einen Organspendeausweis ausgefüllt und unterschrieben. Er müsste sich in seinem Portmonee befinden. Darin steht, dass Tom jeglicher Organentnahme zustimmt, so wie auch ich. Wir haben das immer sehr pragmatisch gesehen."

„Danke, Frau ..."

„Adler. Julia Adler. Ich bin ... war ... Toms Freundin."

„In Ordnung. Wir werden eine Krankenschwester beauftragen, Herrn Löwingers private Sachen nach dem Ausweis zu durchsuchen, wenn das für Sie okay ist, Frau Löwinger."

Barbara zuckte mit den Schultern. Sie hatte immer noch nicht ganz begriffen, was soeben passierte. „Nur zu. Wenn das der Wunsch meines Sohnes war, wie könnte ich dann dagegen etwas haben?"

Der Arzt schüttelte jedem von uns noch einmal fest die Hand. „Es tut mir wirklich sehr leid und ich spreche Ihnen mein tiefstes Mitgefühl aus", murmelte er. Dann drehte er sich wieder um und ging. Für ihn war Tom nun nur noch ein organischer Behälter. Die eigentliche Arbeit würde für den Mediziner jetzt erst noch beginnen.

Es war früher Morgen als Gina und ich die Klinik verließen. Barbara hatte jede Menge Papierkram auszufüllen gehabt. Auch die Polizei hatte zwei Streifenbeamte vorbei geschickt, um Toms Mutter nach dem Unfallhergang zu befragen. Es würde natürlich eine Ermittlung geben, in der geklärt werden musste, ob und wenn ja welche Schuld der Straßenbahnfahrer an dem Unglück trug, obwohl allen klar war, dass es einfach ein tragischer Unfall gewesen war, für den niemand etwas konnte und den auch niemand hätte verhindern können. Barbaras Ehemann Tobias hatte eine wichtige Geschäftsreise unterbrochen und war sofort nach Leipzig gereist, um seine Frau zu trösten, obwohl auch er zutiefst geschockt wirkte und mit sich selbst kämpfte. Er und Barbara würden sich um die Beerdigung kümmern. Ich war froh, dass ich diese schwere Aufgabe nicht übernehmen musste.

Gina hatte mir angeboten, dass sie ihren Umzug ein paar Tage verschieben würde. Sie wolle mich in dieser Situation auf keinen Fall allein lassen und ich nahm dankbar ihr Angebot an. Meine Eltern hatten von all dem noch nichts mitbekommen. Ich wusste noch gar nicht, wie ich ihnen diese Mitteilung überkommen lassen sollte.

„Frau Adler?", fragte eine zarte Frauenstimme als Gina und ich gerade das Eingangsfoyer durchquerten und die elektrischen Türflügel bereits aufgeschwungen waren. Abrupt drehten wir uns um.

„Ja?", antwortete ich zögernd.

„Entschuldigung", sagte die Frau, eine Krankenschwester. Sie war klein, untersetzt und hatte rabenschwarzes Haar. „wir haben soeben den Eltern von Herrn Löwinger seine privaten Sachen ausgehändigt. Er hatte etwas bei sich, von dem seine Eltern glaubten, dass Sie es bekommen sollten." Sie holte aus ihrer Kitteltasche ein kleines mit rotem Samt bezogenes Kästchen hervor.

Oh mein Gott, dachte ich. Es war als zöge man mir den Boden unter den Füßen weg. Widerwillig nahm ich das Kästchen entgegen. „Es tut mir leid", sagte die Krankenschwester leise.

Schweigend gingen Gina und ich nebeneinander her. Die Luft an diesem Märzmorgen war mild und das rötliche Morgenlicht versprach, dass heute ein sonniger Tag werden würde.

„Du weißt, was drin ist, oder?", fragte Gina. Es war eine rhetorische Frage. Wir wussten beide, was sich in dem kleinen Kästchen befand.

Ich bleib stehen. Wiegte die Schatulle in meinen Händen hin und her als wäre sie mein kostbarster Besitz. Was sie wahrscheinlich tatsächlich auch war. Ich traute mich nicht. Angst ergriff mich. Ich hatte Angst, wie ich auf den Inhalt des Schmuckdöschens reagieren würde. Und doch war ich neugierig.

Ich setzte mich auf eine niedrige Mauer und Gina nahm neben mir Platz. „Mach schon!", sagte sie aufmunternd.

„Soll ich wirklich?", fragte ich unsicher.

„Tom hätte gewollt, dass du ihn kriegst. Und er hätte sich noch mehr gefreut, wenn du ihn angenommen hättest."

Sie hatte recht. Ginas Logik war bestechlich wie immer.

„Also gut", sagte ich und öffnete die Schatulle. Darin befand sich ein Ring aus glänzendem Weißgold. Er war ziemlich schmal und in der Mitte funkelte ein einzelner Brillant. Der Ring hatte genau meine Größe und in seine Innenseite waren zwei kleine Worte in verschnörkelter Schrift eingraviert, zwei Worte, die eine der bedeutungsvollsten aller Fragen bildeten: Willst du?

Es war ein Verlobungsring.

„Der ist wunderschön", sagte Gina ehrfurchtsvoll und ich musste ihr zustimmen. Ich nahm den Ring aus seiner Schatulle und betrachtete ihn von allen Seiten.

„Er muss ein Vermögen gekostet haben", sagte Gina.

Der Anblick des Rings schmerzte mich. Und doch war es irgendwie tröstlich. Ein letzter Gegenstand, der mich mit Tom verband.

„Wahrscheinlich hatte Tom vor, dir am Abend einen Antrag zu machen."

Stumm nickte ich mit dem Kopf. Ich war überwältigt von meinen Gefühlen. Es stimmte mich traurig, dass Tom nicht mehr die Gelegenheit dazu bekommen hatte, mich zu fragen. Allein der Gedanke, dass ich nicht mehr ja sagen konnte, ließ mich wieder in Tränen ausbrechen. Und doch mischte sich in all die Trauer auch das warme Gefühl innigster Liebe. Allein der Gedanke, dass Tom mich allen Ernstes hatte um meine Hand anhalten wollen, erfüllte mich mit tiefster Zuneigung.

Tom war für immer fort. Ich hatte ihn verloren und vor mir lagen schwierige Zeiten. Es würde hart für mich werden. Ich würde trauern, wütend sein, weinen, mir nahe stehende Menschen unbeabsichtigt von mir stoßen und ungerecht behandeln. Doch der Ring in meiner Hand würde mir dennoch Trost spenden, mir eine Richtung im Leben zeigen und mich jeden Tag daran erinnern, dass ich das große Glück hatte, einen so tollen Menschen gekannt zu haben.

Tom würde für immer ein Teil meines Lebens bleiben. Meine erste große Liebe. Und dank dieses Ringes würde ich immer an unsere wunderbare gemeinsame Zeit erinnert werden.

Ich steckte den Ring an meinen linken Ringfinger. „Ja Tom, ich will", dachte ich leise.

In den Facetten des Diamanten brach sich das Licht des lauen Märzmorgens in alle Richtungen, brachte das Feuer in dem Stein zum Erwachen und brachte in mir die Erkenntnis: Das Leben geht weiter, solange es Menschen gibt, von denen du geliebt wirst.

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Anonymous
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4 Kommentare
doktorwieseldoktorwieselvor 6 Monaten

Die ganze Geschichte ist wirklich sehr schön geschrieben und wunderbar.

Das Ende ist schockierend aber auch in sich besonders.

AnonymousAnonymvor mehr als 2 Jahren

Das erste mal, das ich eine Geschichte mit Tränen in den Augen beendete.

Eine facettenreiche Story, schön erzählt und angenehmer Schreibstil. Auch wenn das Ende etwas schockt. Danke

silverdryversilverdryvervor mehr als 5 Jahren
Wieder eine sehr geil geschriebene Fortsetzung

… super geschrieben

MacWriteMacWritevor mehr als 5 Jahren
Starke Story

schöne Fortsetzung - sehr gut geschrieben - ich hoffe es geht noch weiter

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