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Klicke hierIn den Ort gelangt man über eine alte Römerbrücke, die für den Autoverkehr gesperrt ist. Uns ist das egal, Beauvoisin ist klein, und auch wenn Lisa und die Kinder mit dem Rad zur Schule fahren, könnten man den Weg dorthin ebenso gut zu Fuß zurücklegen. Wenn die vier fort sind, nutze ich die Zeit um im Haus oder Garten Arbeiten zu erledigen. Wäsche waschen, das Bad oder die Fenster putzen, Hemden bügeln, was eben anliegt. Manchmal steige ich aber auch aufs Rad und verschaffe Alice und mir Bewegung. In unserem Alter ist das wichtiger denn je.
Donnerstag ist Einkaufstag. Ich warte dann immer im Café unter den römischen Arkaden auf Lisa und die Kinder, trinke einen oder zwei Kaffee, plaudere ein wenig oder lese die Sportzeitung. Gewöhnlich treffen zunächst die Kinder ein. Ich bestelle ihnen eine Limonade oder einen Kakao. Lisa trinkt dann auch noch einen Kaffee, und dann schlendern wir über den Markt, auf dem es fast alles gibt, was das Herz begehrt: Gemüse und Früchte, Fleisch und Nudeln, Wein und Pastis, Kräutertee, Kleidung und Stoffe. Nach dem Marktbesuch gehen wir dann in den Petit Casino und kaufen, was sonst noch fehlt: Kaffee, Zahnpasta, Toilettenpapier, Papiertaschentücher. Schließen kaufen wir bei Madame Sophie Zigaretten und Zeitschriften und holen die Bücher ab, die wir bei ihr bestellt haben. Dann ziehen wir beladen wie Packesel über "unsere" Brücke nach Hause. Fast alle Einwohner von Beauvoisin grüßen uns, und oft müssen sie unwillkürlich lächeln, wenn sie uns so sehen. Irgendwie haben wir es geschafft, keinen Schaden am Leben zu nehmen.
Immer noch kann ich Lisa endlos lange anschauen. Wenn sie sich über etwas freut, dann ist sie ihren Töchtern verblüffend ähnlich. Lisa kauft auf dem Markt gern Stoffe und schneidert den Mädchen Kleider, obwohl wir das nicht nötig haben. Sie verdient gut, und das Leben ist billig. Im vorigen Jahr haben wir das Haus abbezahlt, und jetzt verfügen wir für unsere Verhältnisse über Geld in Hülle und Fülle. Im Mai haben wir uns die Extravaganz erlaubt, mit den Kindern für ein verlängertes Wochenende von Montpellier aus nach London zu fliegen, nur um mit ihnen den Zoo, das British Museum und Kew Gardens zu besuchen. Für Paul war es der erste Zoobesuch, und er staunte gehörig. Er konnte allerdings nicht verstehen, warum die Raubvögel in einer Voliere eingesperrt waren, wo es bei uns doch derart viele von ihnen gab.
"Stimmt es, daß ihr Euch im Zoo kennenlernt habt?" fragte Natalie irgendwann Lisa und mich. Lisa lachte. "Ja, das stimmt. Bei den Zebras haben wir uns tief in die Augen geschaut, bei den Elefanten haben wir uns an der Hand gehalten, und bei den Seelöwen haben wir uns geküßt." So werden Legenden geboren. Und für unsere Enkelkinder wird dies die einzige Wirklichkeit sein, die sie kennen.
"Und dann waren wir in der Oper, und da hat Mama auf meinem Schoß gesessen" ergänzte ich.
Paul hatte gar nicht mehr hingehört und zerrte an meiner Hand. "Wo sind die Seelöwen? Ich will zu den Seelöwen."
"Es war nicht in diesem Zoo, sondern in einem anderen Zoo in einer anderen Stadt."
"Fahren wir da auch mal hin?" fragte Paul.
Ich lachte. "Nein, das ist zu weit. Aber in Marseille gibt es auch Seelöwen, die können wir uns demnächst ansehen. Aber jetzt gehen wir statt dessen zu den Pinguinen."
Ich denke manchmal darüber nach, was das Geheimnis unserer andauernden Liebe ist, dieser grenzenlosen Freude, die unser Leben durchzieht. Ich komme immer zum gleichen Ergebnis: Wir befinden uns seit zwölf Jahren in den Ferien. Lisa liebt ihre Arbeit, und ich muß nicht arbeiten, keiner von uns verschwendet seine kostbare Lebenszeit damit, in tristen Büros sinnlose und geisttötende Arbeiten zu erledigen. Und auch die Schäbigkeit und Trostlosigkeit der nordwesteuropäischen Städte haben wir hinter uns gelassen. Wir leben im wahrsten Sinne des Wortes dort, wo andere Menschen Urlaub machen. Es gibt immer wieder Dinge zu entdecken, das Leben ist niemals langweilig: Man kann Höhlen erkunden oder nach Fossilien suchen, auf den Spuren der Römer oder der Neandertaler wandeln, Raubvögel und Schmetterlinge beobachten, oder einfach nur den Pflanzen im Garten beim Wachsen zusehen. Und wenn es draußen in Strömen regnet, was selten genug der Fall ist, dann lesen wir uns Bücher über diese Dinge vor, spielen Spiele oder denken uns Abenteuergeschichten aus.
Oder wir suchen nach den Spuren der Elefanten Karls des Großen. Im vorigen Jahr haben wir sie erneut getroffen, dort wo wir sie am wenigsten erwartet hätten. in den Wäldern direkt über unserem Haus. Der alte Raimond hat sich nicht verändert, Pierre-Roger hingegen studiert mittlerweile in Paris, verbringt aber immer noch die Ferien bei seinem Großvater. Unsere Kinder waren überwältigt von dem Erlebnis, sie durften sogar auf einem Jungtier reiten.
Die Liebe zwischen Lisa und mir ist ein wenig wie die Begegnung mit diesen Elefanten. Ein Glücksfall. Und der Wille, dieses Glück zu greifen. Lisa und ich waren sicherlich nicht von der Schicksalsgöttin füreinander bestimmt. Ich hätte potentiell mit jeder anderen ebenso glücklich sein können. Mit Charlotte, mit Emma, mit Steffi... Lisa und ich wurden einfach nur zur gleichen Zeit an die Gestade Ithakas gespült, nach zehn Jahren vor Trojas Mauern und zehn Jahren auf See.
Ob wir schließlich auch sexuell zueinander gefunden haben? Ja, das haben wir. Es war ganz einfach. Aber das ist eine andere Geschichte, die zu erzählen ich keine Zeit mehr habe. Die Sonne senkt sich, und ich muß das Abendessen vorbereiten.
Die Geschichte ist kitschig und holprig und... es gibt bestimmt noch mehr zu kritisieren (oder meckern)
Aber mir gefällt sie und vor allem der letzte Teil ist wunderbar.
Ein schöner Traum
Auch nach dem 3. mal bin ich immernoch gerührt.
Mit die beste Geschichte hier und auf ähnlichen Portalen! Wer solche Wendungen und Unvorhersehbares sich ausdenken(?) kann verdient mehr als 5 Sterne.
Bitte weiterschreiben,nicht unbedingt eine Fortsetzung auch gerne neue Geschichten.
Ich habe selten eine so schöne Geschichte gelesen. Vielen - vielen Dank.