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Eines winzigen Teils ihres mir ansonsten in keiner Weise zugänglichen Lebens. Aber eines so intimen.

„Warte, Sebastian", wies sie mich an.

Sie holte ein Fläschchen mit blauer Flüssigkeit aus ihrer Handtasche, trank vermeintlich. Bis ich sah, dass sie die Flüssigkeit im Mund behielt. Kurz darauf aber durch die geöffnete Tür ausgespuckt wurde. Mundwasser. Klar.

Damit hatte ich ein weiteres Detail, wie sie ihre Stunde verbracht hatte. In diesem schönen Mund war wenigstens einer gekommen. Fasziniert hatte ich ihr bei der ganzen Geschichte zugesehen, einfach den Kopf nicht mehr weggedreht, ohne mir dessen bewusst zu werden.

Erneut traf sich unser Blick. Mir wurde klar, dass ich schmunzelte. Das schien sie nicht zu irritieren, im Gegenteil.

„Noch einen Moment", informierte sie mich und wiederholte ihr Nase pudern, bei dem ich mich wieder nach vorn drehte.

Suchte noch einmal Blickkontakt über den Rückspiegel. Für einen Moment musterten wir uns stumm, dann legte sie den Sicherheitsgurt an.

„Auf demselben Weg zurück?", erkundigte ich mich.

„Nein, du fährst die Bundesstraße weiter, da fahren wir erst durch ein Dorf durch und halten im nächsten an einem italienischen Café. Ich werde einen Cappuccino trinken. Das kannst du selbstverständlich auch."

Ich deutete ein Nicken an.

„Frag", meinte sie plötzlich.

„Was meinen Sie?"

„Die Frage, die dich beschäftigt."

„Keine Fragen, wurde mir bei Auftragserteilung nachdrücklich eingebläut."

Sie lachte kurz auf.

„Das war meine Anweisung und die suspendiere ich für den Moment. Beschränken wir es auf die eine."

Okay.

„Zufrieden?"

„Zufriedener."

„Das freut mich."

„Tut es das?", kam ihre amüsierte Rückfrage.

Ja. Irgendwie tat es das schon. Spielte doch keine Rolle, wie Leute ihr Leben verbrachten. Solange sie Momente erlebten, die sie zufriedener machten, die sich vom Normalempfinden abhoben. Wir hatten keine Beziehung, ich war für sie und ihr Leben in keiner Weise relevant.

Das hielt mich nicht davon ab, ihr allen Spaß der Welt zu gönnen.

„Absolut. Ich hoffe, die Musik ist auch okay oder soll ich sie ausmachen?"

„Das ist der Sänger von Yes, nicht wahr?"

„Jon Anderson, genau. Auch ältere Geschwister, die die Geschmacksbildung gesteuert haben?"

„Ja, eigentlich aber mehr mein Vater. Das war noch eine Frage. Belassen wir es dabei."

Natürlich. Ich weiß um meinen Platz im Leben. Unsere Welten treffen sich höchstens in zufälligen Überschneidungen. Bei der ersten Frage hatten wir einen menschlichen Kontakt. Wollen wir es mal nicht übertreiben.

Wir werden hier keine Freunde werden, weil ich ihre Bedürfnisse verstand. Nicht den ganzen Mechanismus oder die Voraussetzungen der Befriedigung, aber das spielte auch keine Rolle. Das Café war weitestgehend leer. Sie lief voraus und hatte sich einen Tisch ausgesucht.

Automatisch suchte ich mir einen anderen davor und setzte mich mit dem Rücken zu ihr. Ein leises Lachen zwang mich dann zum Umdrehen.

„Du kannst dich auch zu mir an den Tisch setzen, wenn du magst, Sebastian", flötete sie amüsiert.

„Oh? Wenn Sie das wünschen."

Unfair. Sie konnte mich namentlich ansprechen, schaffte sogar hier mühelos ein Missverhältnis. Der Kellner reagierte unverzüglich auf die Erlösung aus seiner sichtlichen Langeweile und wuselte herbei.

„Ein Cappuccino und einen Grand Marnier Rouge für mich, und für den Herrn..."

„Einfach einen Kaffee."

„Americano?"

Weiß der Geier. Früher bekam man einen Kaffee, wenn man einen Kaffee bestellte. Ich nickte vertrauensvoll. Sah mich dann wieder der vollen Aufmerksamkeit meiner Klientin ausgesetzt. Zunächst in stiller Faszination. Bis der Kaffee kam.

„Biscotti", wurde ich von dem Vogel ungefragt in die italienische Sprache eingeführt. Sowas. Kekse erkannte ich notfalls selbst.

„Großartig", musste ich daher einschreiten.

Ja, so kriegte man sie einfach klein. Dafür gab es keine Anschluss-Sequenz. Schon trollte er sich. Und ich hatte wieder ein amüsiertes Frauenzimmer vor der Nase.

„Warum hattest du den Eindruck, dich von mir wegsetzen zu müssen?"

„Es hätte zu einem Gespräch kommen können."

Ihre Mundwinkel zuckten verdächtig.

„Tatsächlich. Das ist, inwiefern problematisch?"

„Ohne Fragen etwas einseitig und flach. Das wäre mehr eine Debatte. Es entstand zuvor der Eindruck, ich hätte das heutige Kontingent davon aufgebraucht."

„Du hast dir gerade ein neues erschlossen."

„Es sind diese kleinen Erfolge im Leben, die ihm die Farbe geben. Worüber möchten Sie sich denn mit mir unterhalten?"

„Du. Du kannst mich Lumen nennen."

„Das ist der Künstlername, unter dem du hier auftrittst?"

Und der Moment, wo sich entscheiden würde, ob sie mit meinem Humor umgehen konnte. Blitzende Augen, zuckende Mundwinkel, ein gutes Zeichen meist.

„Das hätte ich so nicht formuliert, aber im Kern trifft es das."

„Okay, Lumen. Watt immer du willst. Ich meine, du kannst mir jetzt die Fragen stellen, die dich beschäftigen."

„Du machst diesen Job noch nicht lange, oder?"

„Ganz richtig, es ist nicht die Erfüllung eines Lebenstraums. Ich bitte etwaige Unsicherheiten über das genaue Maß und die Ausprägung des respektvollen Umgangs mit Klienten zu entschuldigen. Das schleift sich sicher irgendwann ein."

„Im Moment hast du Pause. Trinkst einfach mit einer Frau Kaffee."

„Americano. Und esse Biscotti. Oder auch nicht. Willst du die?"

„Ich habe auch welche. Sebastian. Du bist verheiratet?"

„Man sieht es uns an, nicht wahr? Es ist der Odem leiser, aber dankbarer Resignation, der uns umweht."

Zum ersten Mal kicherte sie wie ein kleines Mädchen.

„Auch das. Hauptsächlich der Ehering."

„Den brauchte ich bei dir nicht zu sehen. Es wäre für mich auch unvorstellbar, dass eine Frau wie du ohne vertragliche Bindung aufzufinden wäre."

„Ach so? Eine Frau wie ich?"

„Von solch augenfälliger Schönheit. Wobei ich zugeben muss, dass mir die Nicht-Lumen-Variante möglicherweise besser gefallen hat. Allerdings wirkst du so... zugänglicher."

„Jetzt wirst du lachen, das war genau die Intention. Du hast hoffentlich keine Probleme mit meiner Zugänglichkeit?"

„Nicht die mindesten, ich dachte, das hätte ich mit dem Ausdruck meiner Freude bereits hinreichend signalisiert."

„Du hast Schwierigkeiten, es einzuordnen."

„Gar nicht mal. Hauptsächlich, weil ich das nicht mal versuche. Es spielt keine Rolle, oder spielte keine im nun pausierten Kontext."

„Wird sich das im neuen ändern?"

„Warum würdest du dir Verständnis von mir wünschen? Du scheinst doch ziemlich genau das zu tun, was du möchtest. Das setzt ein hohes Maß an Selbstbewusstsein voraus, das du auch offen zur Schau trägst. In der Ausprägung begreife ich das schon als Autarkie. Oder weniger verschwurbelt: Dir kann egal sein, was andere über dich denken, und das ist es auch."

„Das hast du fein erkannt. Aber jetzt hast du mein Interesse geweckt. Wie würdest du darüber denken, wenn ich deine Frau wäre?"

Tja. Gute Frage.

„Vielleicht im ersten Moment ambivalent. Ich würde zunächst überrascht davon sein, dass es Seiten an ihr gibt, die ich nicht kenne. Die auszuleben mit mir offenbar nicht möglich sind. Gewisse defizitäre Verantwortlichkeiten bei mir suchen. Bei nachfolgender Analyse meines eigenen Verhaltens und meiner Möglichkeiten darauf kommen, dass es keine Rolle spielt. Dass ihre grundsätzliche Zufriedenheit mit mir davon unberührt ist. Meinethalben kann sie anderswo auch zufriedener sein. Ich kann nicht alles für meine Frau sein und will das auch nicht. Schon gar nicht ein Fremder. Das scheint ja irgendwie wichtig zu sein?"

„Ihr führt eine offene Ehe?"

„Das wäre mir neu. Da kann ich nur von mir sprechen, aber da war bislang nie ein Bedürfnis, sich darüber auch nur Gedanken zu machen. Da meine Gattin ansonsten mit nichts hinter dem Berg hält, gehe ich mal davon aus, dass das bei ihr ähnlich verlaufen ist. Wir haben eine Tochter großgezogen, einen Sohn dreiviertel so weit. Unsere Bedürfnis- und Erlebnisvielfalt ist sicher auch davon, sagen wir mal, anders fokussiert gewesen. Ihr vermutlich auch nicht? Ich meine, keine offene Ehe?"

„Nein, natürlich nicht. Eher das genaue Gegenteil."

„Das rechtfertigt den betriebenen Aufwand. Aber das ist nicht nur ein Sicherheitsbedürfnis, sondern auch ein wichtiges Element für den Reiz, nicht wahr? Du schlüpfst nicht in eine Rolle, sondern lebst einen Teil deiner Persönlichkeit aus. Du bist auch Lumen. Erlaubst dir zweimal wöchentlich, nur das zu sein."

Sie starrte mich eine Weile nur an. Es war nicht wirklich zu erkennen, was sie dachte. Dann nickte sie langsam.

„Dir entgeht nicht viel. Das könnte die relative Zufriedenheit deiner Frau erklären."

„Ich tippe eher auf eine ausgeprägte Bedürfnislosigkeit."

„Ich hoffe nur, sie weiß deinen Sinn für Humor zu schätzen."

„Darauf basierte meine gesamte Marketingkampagne. Die glücklicherweise erfolgreich verlief."

„Für sie auf jeden Fall. Interessant. Ich fürchte aber, wir müssen langsam zurück. Dein Kollege fällt länger aus?"

„Das steht leider zu befürchten. Momentan ist fraglich, ob er jemals zurückkehrt."

„Das ist schade für ihn. Ich bedauere es nicht. Warte. Wir rauchen erst eine. Sehr aufmerksam, danke."

Automatismus. Ich bin auch immer der, den die ganzen Penner ansprechen, wenn sie eine Kippe schlauchen wollen. Weil sie genau wissen, dass sie bei mir erfolgreich sind.

„Du sagst, du hast noch nicht das Bedürfnis entwickelt. Meinst du, das könnte sich ändern?"

„Alles ändert sich. In meinem Leben gab es immer wieder Punkte, wo ich mit veränderten Situationen umgehen lernen musste. Weniger aus einem inneren Bedürfnis, eine Veränderung der Situation herbeizuführen. Wenn ich meine Persönlichkeit im Ganzen sehe, würde ich vermuten, dass auch da eine Änderung reaktiv wäre. Mit anderen Worten, vielleicht, wenn mich eine Frau in besonderer Weise anzieht. Wobei ich nicht vorhersagen könnte, wie ich damit umgehen würde."

„Es muss sich lohnen."

„Auf den Punkt richtig."

„Interessant. Wir sollten jetzt los. Mein Zeitfenster schließt sich."

„Ein inverses Aschenputtel. Du musst dich rechtzeitig wieder in die Prinzessin verwandeln, damit du zurück ins Schloss kannst."

Sie musste danach doch noch einmal zurück ins Café, weil ihr bei dem anschließenden Lachanfall wohl ihre Blasenfüllung ins Bewusstsein rückte. Eventuell würde die Rückfahrt auch wortreicher verlaufen. Es wäre ja zu begrüßen.

Das tat sie in der Tat. Sie war ausgesprochen kurzweilig. Dann war der Punkt erreicht, wo die Prinzessin ihren Ausgangszustand wiederhergestellt hatte. Auch diesmal schaute ich mir nur das Ergebnis der Verwandlung und nicht den Prozess an. Das wurde bemerkt.

„Respektvoll bis zuletzt. Du bist ein ungewöhnlicher Mann. Freitag wirst du mich ebenfalls fahren?"

„Wenn Sie das so wünschen."

„Das wünsche ich. Und wir können beim du bleiben."

„Das freut mich, Nicht-Lumen."

„Sara."

„Das freut mich sehr, Sara."

Ja. Das war eine interessante Tour.

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Von der ich Jutta nichts erzählte, außer, dass dies jetzt eine regelmäßige werden würde, die unser Budget positiv beeinflussen konnte. Mir fiel auf, dass ich mich den Rest der Woche auf den Freitag freute.

Mal ehrlich, wie viele interessante Menschen trifft man noch in der zweiten Lebenshälfte? Okay, dass sie eine wirklich attraktive Frau war, war sicher ein Pluspunkt. Aber auch menschlich fand ich sie faszinierend, ein wacher Geist, der sich mit mir mit Leichtigkeit austauschte.

Mich kitzelte. Eine Persönlichkeit, die ich außerhalb ihres normalen und zusätzlich in einem ganz besonderen Kontext erlebte. Die in irgendeiner Weise mich erfrischte. Ein Blick in den Rückspiegel reichte, um zu sehen, dass sie ebenfalls froh war, mich zu sehen.

„Hallo, Sebastian."

„Hallo, Sara. Wieder A7, oder tanzt du auf mehreren Hochzeiten?"

„Für dich bin ich wohl ein offenes Buch. Wir fahren nach Osten, A24. Ich hoffe, man hat dir gesagt, dass wir freitags länger unterwegs sind?"

„Dann habe ich mehr Zeit, darin zu lesen."

„Das klingt ja, als ob dir das ein Bedürfnis ist."

„Ich mag spannende Bücher. Es gibt viel zu wenig davon."

„Das täuscht. Sie werden meist nur gleich privaten Sammlungen einverleibt."

„Das ist die Tragik dieser Welt. Besitz regelt so ziemlich alles. Und beinhaltet dabei so wenig. Eine bequeme Freude. Ein Anspruch auf Kontinuität des positiven Erlebens. Verpflichtet dabei nicht mal zum Verständnis der Inhalte. Umso größer ist dann die Freude, per Zufall auf ein echtes Kleinod zu stoßen."

„Die wenigsten verstehen die Handlung. Ganz zu schweigen von der Intention. Hier jetzt einfach geradeaus."

„Manchen reichen halt die Illustrationen. Besonders, wenn sie so schön anzusehen sind."

„Findest du, sie sind schön anzusehen?"

„Ich würde sie ohne Zögern an meine Schlafzimmerwand pinnen. Es kämen allerdings wohl berechtigte Einwände meiner Frau."

„Denkbar. Ich ziehe mich jetzt um."

„Tschüss Sara. Wir sehen uns später."

Wenig später hatte ich mit Lumen das Vergnügen. Nachdem ich mir das heimliche wieder verkniffen hatte. Ganz einfach, weil sie darauf wartete, dass ich das tun würde.

„Fährst du am nächsten Rastplatz ran?"

„Gerne. Bei dir ist Rauchen ein weiteres heimliches Vergnügen?"

„Wie so viele. Du kriegst es noch erlaubt?"

„Mir wurden ausreichend Stress und Sorgen als toleranzbildende Helfer vom Leben an die Seite gestellt."

„Dann kann ich dich nicht mal beneiden."

„Das musst du auch nicht. Ich nehme an, du willst jetzt deine Treffen vorbereiten? Ist es eine App?"

„Ja. Möchtest du sie ausprobieren? Genug Zeit wirst du haben."

„Eher nicht. Immerhin bin ich bei der Arbeit und da soll man keinen Spaß haben."

„Das widerspräche dem Kern der Sache. Verstehe. Aber du freust dich ja, wenn ich welchen habe."

„Unbedingt."

„Du kommst trotzdem zu mir an den Tisch. Ich sehe Fragen am Horizont."

„Hm. Ein paar. Triffst du dich mehrmals mit denselben Leuten, wenn die Erfahrung positiv war?"

„Nein. Das ist meine persönliche Regel. Keine Wiederholungen."

„So weißt du nie, was dich erwartet."

„Genau deshalb, ja."

„Verstehe. An dem anderen Parkplatz schienen einige den Wald genutzt zu haben. Machst du das auch manchmal?"

„Ab und zu, schon, wenn es warm genug ist. Möchtest du zusehen? Das ließe sich arrangieren."

Huch.

„Darauf zielte meine Frage eigentlich nicht ab."

„Meine schon."

Hui. Und die war wirklich komplexer, als es den Anschein hatte. Ein offener Hinterhalt. Dabei war ich schon völlig eingeschlossen.

„Deine Partner würde das nicht stören?"

„Nein. Ich sage, du bist mein Mann. Das ist nicht ungewöhnlich. Macht manche zusätzlich an."

„Aha. Ich bin beeindruckt. Dir reichen drei Worte und ein Fragezeichen, um mich in deine Welt zu ziehen. Warum würdest du das wollen?"

„Ich glaube, du hast dein Kontingent an Fragen bereits erschöpft."

„Bleibt mir nur noch zu antworten."

„So sieht es aus."

Ein Punkt der radikalen Veränderung. Locker aus dem Handgelenk serviert. Dabei alle denkbaren Abwehrmechanismen spielend leicht umgangen. Sagenhaft. Wäre es eine einmalige Sache? Das ist eine Frage. Sogar die hat sie mir genommen.

„Dann tue ich das. Ja."

„Gut. Zwei haben zugestimmt. Dann los. Ist noch ein Stück."

Irgendwie kam ich mir doch vorgeführt vor. In einem satten Gedankenmatsch machte ich meinen Gurt um.

„Du hattest sie also bereits vor meiner Antwort gefragt."

„Natürlich."

„Weil es nur eine Antwort gab."

„Du hast eine Weile gebraucht, um das zu erkennen."

„Mich hat die Tragweite erschüttert."

„Das muss sie nicht. Du lernst einen meiner Handlungsstränge mit Illustrationen kennen. Mehr nicht."

„Das scheint dir ein Bedürfnis zu sein. Dass ich das tue."

„Es ist neu."

„Und für mich erst."

„Es ist spannend."

„Für mich in jedem Wortsinn."

Sie lachte fröhlich auf.

„Nein, nicht ganz. Du bist kein Spanner, tust es nicht heimlich und ohne echte Zustimmung. Hast eine Einladung, alles aus nächster Nähe zu erleben. So nah dran, wie du möchtest und du dir selbst erlaubst."

„Lumen live. In einer doppelten Premiere, vermute ich."

„Wie meinst du das?"

„Zum ersten Mal mit einem dir bekannten Statisten. Und zum ersten Mal mit der Intention, jemandem diesen Teil deiner Persönlichkeit nahezubringen."

„Siehst du, es war ganz unnötig, dass ich deine letzte Frage beantworte. Das ist neu, dass ich nicht nur die Möglichkeit habe, sondern jemanden, der das tatsächlich will. Vor dem ich in doppelter Hinsicht nackt bin."

„Verstehe. Gestattest du mir vielleicht doch noch eine Frage?"

„Eine. Bis auf Weiteres."

„Und was löst das in dir aus?"

„Es macht mich unbeschreiblich geil."

Oh. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich das Ganze bisher als abstraktes Problem betrachtet hatte. Überhaupt nicht wirklich an mich herangelassen, was das letztlich bedeutet, was mir bevorstand. Mein Blick wanderte zum Rückspiegel, suchte und fand ihren.

Ja. Das zeigte sie auch. Zum ersten Mal seit meiner Eheschließung sah ich wissentlich eine andere erregte Frau. Live zumindest. Statische Aufladungen hatte ich im SUV auch noch nicht erlebt. Doch jetzt knisterte die Luft.

Nein. Das war eine andere Situation, als ich sie bislang erlebt hatte, in meinem ganzen Leben. Jutta und meine Freundinnen davor hatte ich erregt erlebt, aber wirklich geil? Jutta manchmal so halb. Lumen war geil. Unbeschreiblich geil sogar.

„Und bei dir?"

„Bei mir dringt erst jetzt wirklich durch, dass ich mich von dir nicht ins Theater verschleppen lasse. Sondern was wirklich ansteht. Das... macht sich langsam bemerkbar."

„Du sprichst mit Lumen. Klare, direkte Antworten, bitte."

„Ich werde langsam ebenfalls geil."

„Das wollte ich hören. Die nächste Ausfahrt, dann wieder Bundesstraße, diesmal ein ganzes Stück, durch zwei Ortschaften durch."

Langsam setzte zudem auch Herzklopfen ein, je näher wir dem Parkplatz kamen. Auch dieser lag an einem kleinen Waldstück, war größer und offenbar sehr gut besucht. Wald und im Auto waren offenbar nicht die einzigen Austragungsorte.

Auf der Motorhaube eines weißen Audis wurde gerade ein pickliges junges Ding richtig heftig von einem Hünen geknallt. Wie ich's mir dachte, um Aussehen ging es vermutlich zweitrangig, denn in Schönheitswettbewerben konnte der gute Mann sicher nicht antreten.

Dafür schienen sie ordentlich Spaß zu haben. Und genau darum ging es.

„Du auch?", wurde ich aus dem Rückraum aus meinen Gedanken gerissen.

Ah, es war Puder-Time. Mein erster Impuls war nein. Ich reagierte manchmal komisch auf Signale. Ihr gelassen-spöttischer Gesichtsausdruck in diesem Moment verwandelte das in ein Ja.

„Dann komm zu mir. Keine Angst, ich beiße nicht. Oder nur auf Wunsch."

So, so. Na, Angst hatte ich keine vor ihr. Nur, dass wir endgültig das Fahrer/Fuhre-Verhältnis hinter uns gelassen hatten, war noch nicht eingesunken. Ah, so saß man hier also. Auch nicht schlecht. Schade, dass keiner vorn war, dem ich Kommandos geben konnte.

Sie hatte vier Lines auf ihrem kleinen Schminkspiegel vorbereitet. Na, in ihren Kreisen war es wohl nicht üblich, Eingeladenen den Vortritt zu lassen. Ich konnte mich kaum an das Gefühl erinnern, nur dass ich mich deutlich souveräner und energiegeladener gefühlt hatte.

Dass sie die beiden mittleren von den weißen Linien vernichtete, kam mir ebenfalls etwas ungewöhnlich vor. Es wurde immer mysteriöser, als sie den auf der Rückseite befindlichen Klammerständer etwas ausklappte. Das schien umso sinnfreier, als er danach vor ihr platziert wurde.

Sie hatte sich auf dem Sitz gedreht, hockte auf ihrem linken Bein, wie sie das auch vor Umzieh-Aktionen tat, das rechte auf dem Boden. Hm, war das irgendein Initiationsritus, die ersten Lines mit Gefälle ziehen zu müssen? Der Sinn der Aktion wurde mir erst klar, als sie mir ihr Glasröhrchen reichte.

Beim Spiegel angekommen, sah ich eine Reflexion in der Mitte, wo sich ihr Naschwerk befunden hatte. Immer noch Naschwerk, nur fleischig und so viel netter anzuschauen. Eingerahmt von meinen beiden weißen Aufgaben gab es sozusagen eine Vorschau auf kommende Attraktionen.