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Gut Jaspis (Teil 02)

Geschichte Info
Ein Ritt in die Vergangenheit.
27.1k Wörter
4.61
6.8k
00

Teil 2 der 2 teiligen Serie

Aktualisiert 06/28/2023
Erstellt 05/11/2021
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Ich machte mich daran, die letzten Regale und Schubladen meines Zimmers auszumisten und noch einige Kartons weiter zu bestücken. Ich hatte mir im Vorhinein vorgenommen, kurzen Prozess mit vielen Dingen zu machen und nur die wichtigsten, mir am Herzen liegenden Gegenstände in die Umzugskartons, die ich mitnehmen würde, einzuräumen. Irgendwann war ich an einem sehr ungeliebten Ort angelangt. In meinem Zimmer gab es in einer hinteren Ecke eine Tür, hinter der sich eine Art kleine Abstellkammer befand.

Dort hatte ich im Laufe der Jahre immer mal wieder Sachen angehäuft, bei denen ich nicht wusste, was ich damit anfangen sollte, oder Gegenstände deponiert, die ich aktuell nicht benutzte, es aber nicht übers Herz gebracht hatte, mich von ihnen zu trennen. Da ich wusste, welches Chaos darin herrschte und wie schwer es mir dennoch fallen würde, mich von gewissen Dingen zu verabschieden, hatte ich das Sichten und Ausmisten dieser Rumpelkammer die ganze Zeit vor mir hergeschoben. Dabei war ich mir insgeheim sicher, dass ich, ohne dass eine nähere Betrachtung notwendig gewesen wäre, alles getrost dem Müll hätte überlassen können. Schließlich konnte ich mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal etwas aus der Abstellkammer wirklich benötigt und aufgrund dessen hervorgeholt hatte. Also entschied ich mich für eine Kompromisslösung.

Die in den Regalen verstauten Gegenstände wollte ich mit meinen Augen kurz überfliegen. Sollte ich dabei nichts Relevantes entdecken, wollte ich alles, ohne zu zögern, im Müll versenken. In der Mitte des Raumes gab es allerdings noch vier große Kisten, in denen ebenfalls unsortiert alle möglichen Dinge gelandet waren. Da der Inhalt der Kisten, anders als der der Regale, nicht offensichtlich zu erkennen war, beschloss ich, diese zumindest etwas genauer zu sichten, um auszuschließen, dass ich dort Sachen gelagert hatte, die ich über die Jahre vergessen hatte, aber vielleicht dennoch behalten wollte. Ich machte mich, wenn auch unmotiviert, ans Werk und meine Vermutung, dass die Sachen in den Regalen allesamt im Müll landen würden, bestätigte sich nach einer kurzen, oberflächlichen Prüfung.

Ich nahm mir daraufhin die ersten Kisten vor und abgesehen von alten Fotoalben, ein bis zwei Kuscheltieren aus Säuglingszeiten und einer filigranen Goldkette mit einem Anhänger in Form eines schönen, rundgeschliffenen, echten Opals, wurde ich auch hier nicht fündig, sodass ich den restlichen Inhalt der Kisten ebenfalls entsorgte. Ich betrachtete erneut den Schmuck, auf den ich gestoßen war. Als meine Oma mir die Kette schenkte, war ich noch recht klein und konnte nicht viel damit anfangen. So wirklich schön fand ich sie damals vermutlich auch nicht, sonst wäre sie vermutlich nicht in den Untiefen der Abstellkammer gelandet. Doch jetzt dachte ich ganz anders darüber.

Ich fand großen Gefallen an dem schönen, bunt funkelnden Edelstein, der je nach Lichteinfall immer wieder sein Äußeres leicht zu verändern schien und neue farbliche Nuancen ans Tageslicht brachte. Es war im Kern stets ein und derselbe Stein und doch schien er sich stetig zu wandeln und unerwartete Facetten von sich preis zu geben. Die Vorstellung gefiel mir, da diese Eigenschaft mich irgendwie an mich selbst erinnerte. Vielleicht hatte meine Großmutter diese Erkenntnis weit vor mir erlangt und mir die Kette genau aus diesem Grund vermacht.

Zumindest fand ich die Vorstellung, dass es so gewesen sein könnte, schön und es rührte mich nun auf eine gewisse Weise, ihre Kette nach all den Jahren, um meinen Hals zu legen. Ich trug sie mit Stolz. Irgendwann war ich endlich bei der letzten Kiste angelangt. Auch hier war nichts weiter Interessantes zu finden, mit Ausnahme eines schwarzen kleinen Beutels, welcher mir in die Hände fiel.

Ich öffnete diesen, woraufhin eine alte Polaroid Kamera zum Vorschein kam. Diese hatte ich einmal von meinen Eltern zum Geburtstag geschenkt bekommen. Ich erinnerte mich noch daran, wie ironisch ich dieses Geschenk fand, da ich aufgrund ihrer Erziehung ja ohnehin so gut wie nichts erlebte und es somit auch wenig ereignisreiches in meinem Leben gegeben hatte, wofür es sich gelohnt hätte, die Kamera zu zücken. Also war das Gerät unbenutzt in der Rumpelkammer meines Zimmers gelandet.

Kurz überlegte ich, ob ich die Polaroidkamera auch genau dort wieder versenken sollte. Doch dann kam mir ein Gedanke, der mich mit Genugtuung erfüllte und ein erneut anregendes Kribbeln zwischen meinen Beinen verursachte. Die Kamera sollte nun definitiv endlich zum Einsatz kommen. Und zwar jedes Mal, wenn ich etwas Aufregendes und Schönes erlebte, von dem ich wusste, dass sich meinen Eltern die Nackenhaare kräuseln würden, wenn sie mich in diesem Augenblick zu sehen bekämen.

Ich wollte eine Art Fotoalbum, oder bessergesagt ein Bilderbuch erstellen, in welchem ich die Sofortbilder einkleben und mit entsprechenden Textzeilen versehen würde. Denn schon bald würde es sehr viele Momente in meinem Leben geben, bei denen es sich lohnen würde, diese fotografisch festzuhalten. Eine weitere Sache stand für mich ebenfalls fest: sollte es tatsächlich zu einem vorerst letzten Wiedersehen mit Phil kommen, so wollte ich, dass die Kamera genau bei diesem Treffen das erste Mal zum Einsatz kommt. So, wie mein nackter Körper das erste Mal bei Phil zum Einsatz gekommen war.

Mit ihm hatte mein Empfinden für Sexualität bewusst angefangen und von da an eine für mich sehr positive Entwicklung genommen. Es war in meinen Augen also nur passend, wenn er die erste Seite meines Albums füllen und somit auch die erste aufregende Erinnerung in meiner neuen Lebensphase darstellen würde. Sozusagen ein Ende und ein Anfang in einem. Ich malte es mir großartig aus und wurde bei dem Gedanken daran noch hibbeliger als ich es ohnehin schon war. Immer wieder spitzte ich die Ohren, um auch ja kein Geräusch meines Handys durch eine eventuell eingehende Nachricht zu verpassen.

Doch plötzlich vernahm ich ein ganz anderes Geräusch. Es war die Stimme meiner Mutter, die mir zurief, dass ich hinunterkommen sollte, da es gleich Essen geben würde. Hunger hatte ich nicht wirklich. Dafür war ich innerlich dann doch viel zu aufgeregt. Doch das Abendessen zu verweigern, hätte nur unangenehme Diskussionen und Fragen nach sich gezogen. Ich legte also die Kamera zu den Tickets auf meinen Schreibtisch, da ich morgen Früh auf keinen Fall versäumen wollte, noch mit dem Gerät erneut den Weg in die Stadt anzutreten, um mir einen Vorrat von dem speziell benötigten Fotopapier zu besorgen und gleichzeitig auch ein leeres Album oder Fotobuch zu erstehen.

Dann schnappte ich mir mein Handy, stellte es noch schnell auf Stumm und machte mich mit einem leicht mulmigen Gefühl auf den Weg nach unten in Richtung Esszimmer auf. Seit dem definitiven Bestehen meiner Abschlussprüfung, war ich neben meiner Freude leider auch dieses beklemmende, leicht bedrohliche ziehen in meiner Bauchgegend nicht mehr losgeworden. Ich vermutete, dass es daran lag, dass meine Eltern sich seitdem sehr still verhielten, ohne mich jedoch direkt anzugreifen oder Versuche zu starten, mir meine Pläne doch noch irgendwie auszureden. Es fühlte sich an wie die allseits bekannte Ruhe vor dem Sturm.

Es war eine Art von Ungewissheit, bei der ich stets die Befürchtung hegte, dass die beiden schlussendlich doch noch ein Ass aus dem Ärmel ziehen würden, um mich daran zu hindern, in mein unbeschwertes, neues Leben zu starten. Vielleicht steigerte ich mich auch zu sehr in diese verschwörerischen Gedankengänge hinein und tat ihnen Unrecht. Irgendwo waren sie schließlich immer noch meine Eltern und keine vollkommenen Monster. Doch es schien alles irgendwie zu schön, um wahr zu sein.

Das, was ich mir all die Jahre so sehnlich herbeigewünscht hatte, war nun praktisch zum Greifen nahe. Und ich kannte es eben nicht, dass die Dinge bei mir einfach mal positiv, ohne weitergehende Hindernisse verliefen. Dementsprechend war ich schlichtweg einfach misstrauisch. Doch ich denke das konnte man mir nicht unbedingt verübeln.

Als ich gerade das untere Ende der Treppe erreicht hatte, nahm ich ein leichtes Vibrieren in meiner rechten Hand wahr. Es war eine neue Nachricht auf meinem Handy eingegangen. Ruckartig blieb ich stehen und öffnete diese hektisch. Gebannt, als hätte ich ein regenbogenfarbenes Einhorn erblickt, starrte ich auf die geschriebenen Zeilen:

„Lilly, ich kann es kaum glauben, von dir zu lesen! Mein Herz hat einen richtigen Satz gemacht. Es ist echt schade, dass wir so lange nichts voneinander gehört haben und du nun wegziehen wirst. Trotzdem bin ich gespannt, wie ein Flitzebogen, mehr darüber zu erfahren und natürlich würde ich lügen, wenn ich behaupten würde, dass ich mich nicht auch aus anderen Gründen auf dich freue. 😉 Morgen Abend habe ich auf jeden Fall Zeit. Und selbst wenn ich etwas vorgehabt hätte- ich hätte alles andere abgesagt! Wann und wo möchtest du dich treffen? Liebe Grüße, dein bereits vorfreudiger Stallbursche!"

Mein eigenes Herz hämmerte wie verrückt als ich das Lesen der Textzeilen beendet hatte. Ich war so erleichtert, dass er geantwortet hatte und sich ebenfalls mit mir treffen wollte. Mehr noch als das. Denn die Worte, die er wählte, klangen ausgesprochen vielversprechend. Meine Antwort ließ nicht lange auf sich warten, da ich mir bereits im Vorhinein, für den Idealfall, welcher nun glücklicherweise eingetreten war, schon den perfekten Ort für unser Wiedersehen überlegt hatte.

Es handelte sich um einen auf einer verlassenen Lichtung befindlichen Jagdhochsitz. Diesen hatte ich einmal bei einem meiner unzähligen Ausritte ausfindig gemacht und festgestellt, dass er scheinbar nicht abgeschlossen und somit frei zugänglich war. Die Lichtung lag inmitten eines wunderschönen Mischwaldes auf einer Anhöhe. Von dort aus hatte man, sofern man sich durch einen weiteren, dicht bewachsenen Pfad kämpfte, welcher an einem nicht allzu steilen Hang endete, ebenso einen atemberaubenden Blick über die Stadt. Das absolute Highlight war jedoch ein Bach mit kristallklarem Wasser, welcher am unteren Ende des Hangs entlanglief.

Doch auch der geschätzt 6 Meter hohe, aus dunklem Holz gefertigte, überdachte Hochsitz machte diesen Ort für mich so besonders. Ich weiß noch, dass ich mir damals ausgemalt hatte, wie romantisch und gleichzeitig aufregend es wohl wäre, dort drinnen Sex zu haben, was ohne Probleme möglich sein musste, da das Gebilde meinem Augenmaß nach, mindestens Platz für 3-4 Personen bot. Ich stellte mir automatisch vor, wie viele Menschen dort wohl schon lustvolle Nächte zu zweit verbracht haben mochten. Von da an hatte ich jedes weitere Mal, wenn ich dort vorbeiritt, ein ausgeprägtes Kopfkino, was dazu führte, dass es unter mir im Sattel bedenklich feucht wurde.

Die Örtlichkeit war zwar einsam und verlassen, jedoch nicht zu weit ab vom Schuss. Man konnte ihn problemlos erreichen, wenn man sein Auto auf einem in der Nähe liegenden Wanderparkplatz abstellte und von dort aus noch ungefähr 10 Minuten einem Trampelpfad quer durch den Wald folgte. Wie ein aufgeregtes Kind, kurz vor Heiligabend, schickte ich ihm folgende Nachricht, wobei ich mich extrem zusammenreißen musste, möglichst locker zu klingen, da ich nicht zu viel von den eigentlich in mir brodelnden Gefühlen preisgeben wollte: „Prima, ich freue mich ebenfalls! Kennst du den alten Wanderparkplatz am Trungenbacher Forst? Dort treffen wir uns um 19:00 Uhr. Vielleicht kannst du ja etwas zum Knabbern mitbringen? Um den Rest kümmere ich mich. Bis morgen Abend, fühl dich gedrückt! -- Lilly"

Vorsichtshalber ließ ich ihm noch die Koordinaten des Parkplatzes zukommen, damit auch nichts mehr schiefgehen konnte. Ich überflog noch einmal schnell meine Nachricht an ihn und musste über mein Schlusswort schmunzeln, da ich mir vorstellte, dass es, wenn es nach meiner Vagina ginge, auch gut und gerne anstatt „fühl dich gedrückt!", „fühl dich gefickt!" hätte heißen können.

Ich stopfte mir mein Handy in das linke Körbchen meines BHs, damit, falls noch eine Antwort von Phil kam, nicht mitten am Essenstisch das Display aufleuchtete und ich Gefahr lief, dass meine Mutter und mein Vater irgendetwas davon mitbekamen. Dann durchquerte ich den Flur und steuerte das Esszimmer an, wo ich noch einmal mein Sommerkleid glattstrich, mein lockiges Haar ordentlich zu einem strammen Pferdeschwanz zusammenband und sodann gegenüber von ihnen gesittet Platz nahm, während sich meine austretenden Lustsäfte bei dem Gedanken an den morgigen Abend den Weg entlang meiner nackten Beine bahnten.

Das Abendessen verlief relativ unspektakulär. Mein schlechtes Bauchgefühl schien sich zu meiner Erleichterung nicht zu bestätigen. Mein Vater war ziemlich still, machte jedoch keine Anstalten, irgendwelche „Nettigkeiten" in meine Richtung von sich zu geben. Meine Mutter wirkte zwar etwas angespannt, war jedoch deutlich kommunikativer. Sie erzählte aufgebracht von einer neuen Arbeitskollegin, die sich aufführte, als sei sie bereits seit 10 Jahren dort.

Normalerweise war sie nicht der Typ dafür, ein schlechtes Wort über andere Menschen zu verlieren. Wenn sie sich ärgerte, egal ob im Kreis der Familie oder im Job, ließ sie es sich meist nicht anmerken und schwieg lieber. Das war einfach ihr Naturell. Unschöne Dinge hatte sie immer eher heruntergeschluckt. Nicht mal, wenn einer ihrer Kollegen offensichtlich unfair mit ihr umsprang, oder sie zu Unrecht von einem Kunden vollkommen überzogen angegangen wurde, versetzte sie das in Rage.

Das sah bei mir schon ganz anders aus. Ich war zwar grundsätzlich ein eher genügsamer, aufgeschlossener und fröhlicher Mensch, doch manchmal ging mein Temperament dennoch mit mir durch. Da reichte es so manches Mal schon, wenn ich mitbekam, dass sich eine versnobte Rentnerin, die meiner Meinung nach genug Zeit hatte, sich einen etwas günstigeren Zeitpunkt zu überlegen, dazu entschloss, punktgenau zur Mittagspausenzeit im städtisch gelegenen Supermarkt in aller Seelenruhe ihren kompletten Wochengroßeinkauf zu tätigen und den armen Berufstätigen, die einfach nur mit ihren zwei Teilen schnell wieder aus dem Laden raus wollten, um sich ihr essen noch schnell vor dem nächsten Termin genehmigen zu können, nicht mal an der Kasse den Vortritt gab.

Wenn ich voller Wut und Unverständnis solch eine Situation zu Hause zum Besten gab und sagte, dass ich mir sogar fast sicher war, dass solche Leute das doch mit Absicht machen mussten, weil sie vielleicht sonst keine Form der Genugtuung mehr erfuhren, tadelte mich meine Mutter sogleich. Sie hatte dann immer gepredigt, dass alle Menschen ihre vorteilhaften, aber auch unangenehmeren Charakterzüge an sich hatten und dass man nie vorschnell urteilen sollte. Um ihre Argumentation noch zu unterfüttern, hatte sie dann gerne dramatische Beispiele gebracht, wie: „Wer weiß, vielleicht konnte die ältere Dame wirklich nur zu dieser Zeit einkaufen gehen und hatte selbst keine zeitlichen Kapazitäten, andere Leute an der Kasse vor zu lassen, weil sie direkt im Anschluss an ihren Einkauf, ihren krebskranken Mann zur Chemotherapie fahren musste. So etwas kannst du nie mit Gewissheit ausschließen, also solltest du nicht zu voreilig über Leute urteilen!"

Ich wusste, dass meine Mutter es nur gut meinte und es einfach ihrer Art entsprach, in allen Menschen erst einmal das Gute zu sehen. Doch so manches Mal machte mich das noch wütender, weil es nur ein weiterer Aspekt war, bei dem ich zurückstecken und mich so verhalten musste, wie andere es von mir erwarteten. Nicht mal meine Meinung konnte ich frei äußern. Alles wurde zensiert und reglementiert.

Umso ironischer und heuchlerischer kam es mir vor, dass sie nun, wie ein Rohrspatz über ihre neue Kollegin schimpfte. Ich konnte mir allerdings gerade noch einen bissigen Kommentar verkneifen, da ich vermutete, dass sie einfach nur zwanghaft versuchte, die Stille im Raum zu füllen, damit erst gar nicht anderweitige unangenehme Gesprächsthemen aufkommen konnten. Außerdem wollte ich die Stimmung nicht verschlechtern, da ich ja schließlich bezüglich des morgigen Abends noch ein Anliegen hatte, was ich anbringen wollte. Natürlich würde ich dabei nicht die Wahrheit sagen und hatte mir bereits eine geeignete Alternativerzählung zurechtgelegt.

Als ich diese gedanklich nochmal durchging und innerlich meine Wortwahl übte, um möglichst unauffällig und beiläufig zu klingen (was mir aufgrund meiner nach wie vor kribbelnden, feuchten Pussy eh schon schwer genug fallen würde), riss mich meine Mutter aus meinen Gedanken, da sie das Wort an mich richtete: „Lilly, wie sehen eigentlich deine Pläne für morgen aus? Ich hatte mir überlegt, dass es ja nett sein könnte, wenn du dir ein Gericht deiner Wahl aussuchen würdest, was ich dann koche. Gerne auch mit einem leckeren Nachtisch, wenn du möchtest! Denn immerhin werden wir ja in Kürze nicht mehr so einfach gemeinsam bei Tisch sitzen können."

Darauf war ich nicht vorbereitet gewesen. Ich zögerte und überlegte schnell, ehe ich antwortete: „Danke, Mama das ist eine echt gute Idee und ich würde sehr gerne mal wieder dein berühmt berüchtigtes Zitronenhähnchen mit Ofengemüse essen. Allerdings wollte ich noch erfragen, ob wir das Essen morgen ausnahmsweise vielleicht auf mittags verschieben können. Ich muss morgens noch ein paar letzte Erledigungen in der Stadt machen und abends wollte ich gerne noch beim Rosenhof vorbeischauen.

Dort bin ich all die Jahre schließlich mit Abstand am häufigsten gewesen und ich fände es wirklich unpassend und undankbar, angesichts der Möglichkeiten, die mir dort immer entgegengebracht wurden, wenn ich einfach verschwinden und mich nicht vernünftig von den Tieren und der Eigentümerin des Hofes verabschieden würde. Eine Frau, deren Pferd ich lange betreut habe, hat mir außerdem im Vertrauen erzählt, dass ein paar weitere Damen aus dem Stall wohl auch eine Art winzige Abschiedsfeier für mich geplant haben, um sich ebenfalls für meine langjährige Unterstützung erkenntlich zu zeigen. Also sollte ich da wohl auch allein aus Anstand auftauchen, damit die Mühe, die sich für mich gemacht wurde, nicht hinterher umsonst gewesen ist."

Ich wusste, dass es gute Gründe gehabt hatte, dass ich meinen Eltern vorsichtshalber nicht erzählt hatte, dass diese kleine Abschiedsparty bereits vor ein paar Tagen spontan an einem Donnerstagnachmittag stattgefunden und ich mich schon zu diesem Zeitpunkt von allen wichtigen Leuten verabschiedet hatte. Auf meine Intuition konnte ich mich in den meisten Fällen einfach verlassen. Ich war ausgesprochen zufrieden mit der Ausführung meiner Pläne und setzte auch jetzt wieder auf das moralische Empfinden meiner Eltern, was den Umgang mit anderen Leuten anging.

Die beiden würden aus lauter Pflichtgefühl heraus sogar mit Fieber und Schüttelfrost einer Einladung nachgehen, nur um niemandem vermeintlich vor den Kopf zu stoßen oder das Risiko einzugehen, dass sich in ihrer Abwesenheit Gerüchte verbreiten könnten, warum sie der Feierlichkeit wohl wirklich fernblieben. Ein Ehestreit? Ein Todesfall in der Familie? Die Tochter ungewollt schwanger? Alles war in ihren Augen denkbar und nicht unwahrscheinlich. Nur nicht die Möglichkeit, dass die Leute vielleicht gar kein Wort über unsere Familie verlieren würden und die Absage aufgrund von Krankheit einfach als genau das, was sie war, akzeptiert werden würde.

Für einen kurzen Moment herrschte Stille. Meine Mutter warf meinem Vater einen unsicheren Blick zu. Dieser zeigte jedoch weiterhin keinerlei Regung und aß weiter sein Essen. Also wandte meine Mutter erneut das Wort an mich: „Ja also klar. Natürlich können wir das so machen, Lilly. Das wäre ja tatsächlich eine Schande für die Leute, wenn sie extra etwas für dich vorbereitet haben und du dann nicht dort erscheinst. Du willst ja schließlich bei den Menschen, die dich so unterstützt und deinen Weg gefördert haben, keinen schlechten Geschmack im Mund hinterlassen, ehe du von dannen ziehst.

Ich koche dann das Essen für 13:00 Uhr, wenn dir das passt. Ich habe auch noch die ein oder andere gute Flasche Wein im Keller, die ich dir mitgeben kann. Dann stehst auch du nicht mit leeren Händen da. Ich denke das wäre angebracht. Ludwig, das ist doch auch für dich sicher in Ordnung, oder?"

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