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Institut für Tiefenerziehung 01

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Wahrscheinlich würde sie bald schon Gelegenheit haben, all solche Dinge über ihre neuen Mitbewohnerinnen zu erfahren. Mia füllte ihren lavendelfarbenen Zahnputzbecher mit Wasser und musste direkt ein wenig grinsen, als sie sich ausmalte, wie sie die anderen nach deren Zahnpasta fragte. »Hallo, ich bin Mia und putze mir selbst die Zähne, und ihr so...«

Ihr Lächeln gefror aber bei dem Gedanken, sich auch selbst vorzustellen. Was würde sie von sich preisgeben müssen? Vielleicht müsste sie ja gar nicht erzählen, was sie getan hatte! Vielleicht würde keiner danach fragen, wenn sie auch keine dummen Fragen stellte... Aber was, wenn man sie doch fragen würde? Würde sie sich um eine Antwort herumdrücken können, sich vielleicht sogar herausreden können? Wusste Mariah Bescheid? Würde sie sie verraten, falls sie lügen würde? Würden die anderen sie dann erst recht hassen?

Mia hatte innegehalten, als ihre Gedanken begonnen hatten, sich im Kreise zu drehen. Sie kannte dieses grausame Spiel bereits, das ihr Bewusstsein mit ihr spielte, immer wieder gespielt hatte seit dem verhängnisvollen Abend, der sie hierher gebracht hatte. Ein Teil von ihr klammerte sich an jede noch so absurde Hoffnung, wollte nicht wahr haben, was geschehen war und noch kommen würde. Der andere Teil verrannte sich in Horrorszenarien, und so schwankte sie zwischen Hoffen und Bangen hin und her. Oft war sie wie gelähmt gewesen, manchmal waren Stunden vergangen, bevor sie sich aus dem Teufelskreis hatte lösen können.

Jetzt starrte sie kreidebleich mit zahncremeverschmierten Lippen in den Spiegel, den Becher mit Wasser in der Hand. Nein, sie würde nicht versuchen, sich herauszuwinden. Sie würde nicht lügen, nicht ausweichen. Sie würde für das, was sie getan hatte, geradestehen, wie sie es zu guter Letzt auch vor Gericht getan hatte. Und so wie damals beruhigte dieser Gedanke sie in demselben Maße, in dem er sie traurig stimmte. Ihr Herz, das in der Panikattacke zu rasen begonnen hatte, schlug wieder etwas langsamer, während ihr zugleich die Tränen in die Augen stiegen.

»Bist du schon fertig?«

Mia schrak auf, sie hatte Mariah gar nicht hereinkommen hören. Schnell nahm sie einen Schluck aus dem Zahnputzbecher und begann, sich den Mund auszuspülen. Sie hatte gerade das Wasser ausgespuckt und den leeren Becher weggestellt, als Mariah sie sanft zu sich umdrehte und ihr mit einem Taschentuch zuerst die Tränen und dann die Reste der Zahnpasta aus dem Gesicht wischte.

»Muss ich wirklich?« fragte Mia kleinlaut.

»Die anderen Mädchen aus deiner Gruppe kennenlernen?« vergewisserte sich Mariah. »Natürlich musst du das«, sagte sie entschieden, als Mia nickte.

»Warum geht das denn nicht morgen?« Mia schaute sie unglücklich an.

»Guck mal, Kleines«, begann ihre Erzieherin, »die sitzen da schon zusammen und warten neugierig auf dich. Du willst dich doch nicht den ganzen Abend im Badezimmer verkriechen, oder?«

Mia sah betreten zu Boden, denn das war natürlich keine Lösung.

Sanfter fügte Mariah hinzu: »Wenn es gar nicht geht und du heute Abend wirklich keine Kraft mehr hast, dann bringe ich dich direkt ins Bett. Falls die anderen Fragen stellen, erkläre ich ihnen einfach, dass du total fertig warst... stimmt ja auch irgendwie. Soll ich das machen?«

Mia schüttelte stumm den Kopf. So sehr sie sich vor dem Gespräch fürchtete, sie wollte auch nicht vor den Augen der anderen vorzeitig ins Bett gesteckt werden.

»Okay«, meinte Mariah. »Dann vertrau mir einfach, ja? Es wird schon alles werden.«

Mia musste sich zwingen, aber sie schaffte es, zu nicken.

»Tapferes Mädchen«, lobte Mariah. »Nun dreh dich mal um!«

Sie gehorchte und hörte kurz darauf das Ratschen des Klettverschlusses, als ihr das Lätzchen abgenommen wurde.

»Du und die anderen, ihr müsst euch heute noch nicht mit euren echten Namen vorstellen.« Ihre Betreuerin sprach dicht hinter ihr, mit tiefer und ruhiger Stimme. »Wir spielen ein Kennenlernspiel. Ihr sucht euch Fantasienamen aus, aus einem Märchen oder so.« Mariah war noch enger an sie herangetreten und hatte sie in der Hüfte gegriffen. »Hauptsache, man merkt, dass ihr nicht wirklich so heißt. Du darfst also Kleopatra sein oder Schneewittchen, aber nicht Yvonne oder so.«

»Wie sollen wir uns denn dann kennenlernen«, fragte Mia skeptisch.

»Das geht«, meinte Mariah, während sie Mia wieder zu sich umdrehte. »Ihr stellt euch ja irgendwann auch noch richtig vor. Aber erst einmal müsst ihr einander nur ein wenig beschnuppern, und dazu ist das Spiel genau richtig.« Mariah sah ihr nun direkt in die Augen. »Du musst also nichts von dir preisgeben und hast trotzdem etwas zu erzählen. Und wenn du doch ein bisschen was von dir verraten möchtest«, fügte sie noch hinzu, »dann verpackst du es einfach in die Geschichte, die du erzählst.«

Mia sagte erst einmal nichts, aber sie erwiderte den Blick ihrer Erzieherin. Mariahs Augen waren groß und dunkel, und irgendwie lag in ihnen eine Ruhe, von der sich ein winziges bisschen auf Mia übertrug. So schaffte sie es, die Hand zu ergreifen, die ihre Erzieherin ihr nach einer kurzen Zeit entgegenstreckte, und sich zurück in den Hauptraum führen zu lassen.

Hier war das Laufgitter inzwischen offenbar weggeräumt worden. Stattdessen lagen nun dicke, längliche Polster um die Matte in der Mitte des Raumes, auf denen die Mädchen und ihre Betreuerinnen hintereinander rittlings Platz genommen hatten. Links saß Claudia vor Denise, geradeaus Inis vor Jana und rechts vor Angela die kleine und schlanke Frau, die vorhin einen Schnuller im Mund gehabt hatte. Das vierte Polster war noch frei, aber sein lavendelfarbener Bezug ließ erkennen, dass dieser Platz für sie und Mariah bestimmt war. Alle hatten sich ihnen zugewandt und blickten sie erwartungsvoll an. Denise lächelte aufmunternd, Claudia winkte sogar kurz, und auch die anderen wirkten freundlich. Nur die Unbekannte machte einen etwas schüchternen Eindruck.

Auch Mia war nervös, sie war froh, an Mariahs Hand gehen zu können. Sie folgte ihr zur Matte und setzte sich mit einem halblauten »Hallo« vorne auf das dicke Polster.

Es war im Querschnitt rund, etwa anderthalb Meter lang und niedriger als ein normaler Stuhl, sodass man darauf eher hockte als saß. Dennoch war die Position recht bequem. Mariah schwang ein Bein über das Sitzkissen und nahm so dicht hinter ihrem Schützling Platz, dass die Schenkel der beiden Frauen einander berührten. Dann wurde Mia auf der Höhe des oberen Bündchens ihrer Windel von hinten umfasst und sanft zurückgezogen, bis sie sich an den Oberkörper ihrer Erzieherin angelehnt hatte.

»Okay«, begann Mariah nun in die Runde, »ich habe euch heute jemanden Neues mitgebracht und möchte gerne, dass ihr einander kennenlernt. Wir wollen dafür das Lagerfeuerspiel spielen.« Sie erklärte noch einmal kurz die Spielregeln, aber die anderen schienen sie schon zu kennen, denn sie nickten nur.

Am Ende fügte sie noch hinzu: »Ihr habt euch also alle gerade in einem dunklen Wald auf einer Lichtung getroffen und gemeinsam ein Lagerfeuer gebaut. Jetzt sitzt ihr am Feuer und fragt euch, wer die anderen sind und woher sie kommen.« Sie zeigte auf Claudia: »Magst du anfangen?«

Mia spürte, wie sich ihre Erzieherin bei diesen Worten leicht nach links drehte. »Und dann kommen die anderen im Uhrzeigersinn dran«, schloss Mariah ihre Einführung.

Claudia war während der Einweisung schon die ganze Zeit unruhig auf ihrem Polster hin- und hergerutscht. Nun sprudelte sie fröhlich los: »Ich bin Robin Hood, König der Gesetzlosen und Vogelfreien, willkommen in Sherwood Forest! Und das hinter mir ist mein treuer Gefährte Bruder Tuck.«

»Bruder Tuck?!« rief Denise empört aus.

»Na klar«, grinste Claudia frech, »immer wenn ich was ausgefressen hab', gehe ich bei dir beichten!«

Das gab allgemeines Gelächter, in das auch Denise einstimmte, während sie in gespielter Verzweiflung die Hände über den Kopf hob.

Als sich alle wieder beruhigt hatten, richteten sich die Blicke auf Inis. Diese lächelte wissend, fuhr sich mit der vordersten Zungenspitze kurz über die Lippen und begann dann zu erzählen. »Seid mir gegrüßt, ich heiße Loreza. Ich habe mich, als ich noch kaum erwachsen war, einer Crew von Piraten angeschlossen, viele Länder bereist, geplündert, gebrandschatzt und vieles mehr. Wir haben mächtig Beute gemacht und überall Angst und Schrecken verbreitet.« Sie erzählte langsam, fast genüsslich.

»Schließlich aber hat man uns eine Falle gestellt und von allen Seiten das Feuer auf uns eröffnet. Mich hat man lebendig gefangengenommen und auf dem Sklavenmarkt verkauft.« Sie schmiegte sich rückwärts an Jana und sagte: »Diese Kriegerprinzessin hat mich erworben und unterworfen. Ich bin ihre gehorsame Sklavin geworden und folge ihr überallhin, auch in diesen Wald und auf diese Lichtung.«

Janas Augen hatten bei diesen Worten geleuchtet, nun ließ sie sinnlich ihre Hände von Inis' Schultern aus über deren Arme gleiten und umfasste die Handgelenke ihrer ›Sklavin‹. Mias Augenmerk folgte ihr dabei zu den seltsamen weißen Handschuhen, die Inis trug. Ein wenig sahen sie wie Boxhandschuhe aus, doch waren sie nur leicht gekrümmt, nicht zu Fäusten geballt. Es war auch kein Daumen erkennbar, stattdessen schienen die Hände jeweils komplett in einem einzigen Polster zu stecken, das mehrfach abgesteppt und fast so dick wie breit war. Die Stulpen gingen dabei deutlich über die Handgelenke hinaus und überdeckten die Ärmelenden des Strampelanzugs. Sie wurden durch jeweils zwei breite, weiße Riemen aus einem Material gehalten, das wie Leder aussah. Die Handschuhe selbst schienen mit einem dicken Kunststoffbezug bespannt zu sein.

Mias Blick wanderte weiter nach rechts. Zum ersten Mal hatte sie nun die Gelegenheit, das vierte Gruppenmitglied, die Frau vor Angela, genauer zu betrachten. Der Namenszug unter der obligatorischen Biene war bei ihr in Orange gehalten und wies sie als »ANASTASIA« aus. Unter dem weichen Stoff des Stramplers zeichneten sich schöne, runde, wenn auch recht zierliche Brüste ab. Sie wären an einer korpulenteren Frau kaum zur Geltung gekommen, doch war Anastasia geradezu grazil gebaut. Ihre Haltung ließ sie noch zarter erscheinen, sie hatte sich eng an ihre Erzieherin gekuschelt und die Hände über Kreuz auf ihre Oberschenkel gelegt. Der Schnuller befand sich noch immer in ihrer Linken, doch hielt sie ihn so eng umschlungen, dass er kaum zu erkennen war. Anastasia trug die braunen Haare offen, sie fielen ihr in langen Korkenzieherlocken üppig über Brust und Rücken. Das Gesicht, das sie einrahmten, wirkte für eine derart schlanke Frau erstaunlich weich, nur die hohen Wangenknochen stachen etwas hervor. Ihre Augen waren groß und braun, sie wirkten scheu, zugleich aber tiefgründig.

»Magst du dich auch vorstellen?« hörte Mia ihre Erzieherin hinter sich zu Anastasia sagen.

Diese nickte knapp. »Seid mir gegrüßt, fremde Wanderer«, begann sie. »Mein Name ist Hémisphairia, und ich komme aus fernem Lande zu euch. Vor langer Zeit erzürnte mein Volk die Götter und ward dafür furchtbar gestraft. Sie beraubten uns unserer Vollkommenheit und ließen uns als gebrochene, halbe Wesen zurück, dazu verdammt, bis in alle Ewigkeit nach dem zu suchen, was uns fehlt. Dies war auch mein Schicksal, und so bin ich viele Jahre durch die Welt geirrt, bis ich schließlich hier, an der unwahrscheinlichsten Stelle von allen, auf Altera Pars getroffen bin, jene Frau, die mich wieder ganz gemacht hat.« Sie hatte leise gesprochen, doch mit fester Stimme und reicher Betonung.

Beim letzten Satz hatte Angela die Arme um Anastasias schlanke Taille geschlungen und sie im Nacken geküsst. Nun richteten sich alle Augen auf Mia.

»Und wer bist du, edle Fremde?« fragte Claudia.

Mia hatte sehr mit sich kämpfen müssen, um überhaupt an diesem Spiel teilzunehmen. Das hatte sie so viel Überwindung gekostet, dass sie gar nicht daran gedacht hatte, sich eine Geschichte auszudenken.

»Ich... äh... ich weiß nicht«, brachte sie mit heiserer Stimme hervor.

Für einen Moment, der ihr wie eine Ewigkeit vorkam, trat peinliche Stille ein.

Dann platzte es aus Claudia heraus: »Aha, ich verstehe! Du hast in diesem finsteren Wald dein Gedächtnis verloren, und wir müssen dir helfen, es wiederzufinden!«

Die anderen blickten sie erstaunt an, Mia eingeschlossen.

Anastasia war die Erste, die sich von der Überraschung erholte und die neue Idee gekonnt aufgriff: »Wenn du nicht mehr weißt, wer du bist«, begann sie mit geheimnisvoller Stimme, »dann kannst du dich aber vielleicht noch daran erinnern, woher du kommst und was dich zu uns geführt hat.« Sie dachte kurz nach. »Vielleicht weißt du, welche von unseren Geschichten deiner eigenen am ähnlichsten ist?«

Mia nahm die Hilfestellung dankbar an. »Ja, von euren Geschichten«, sie schaute dabei Inis alias ›Loreza‹ an, »bin ich eigentlich deiner am nächsten. Ich meine, ich bin keine Piratin oder so, aber man hat mich auch unter Zwang hierhergebracht.«

Claudia konnte ihre Neugierde kaum zügeln, als sie fragte: »Dann bist du wie Inis... wie Loreza entführt und in die Sklaverei verkauft worden?«

»Naja, nicht wirklich entführt«, meinte Mia. »Ich bin zur Strafe hier.«

Der Satz war ihr erstaunlich leicht von den Lippen gegangen, aber schon im nächsten Augenblick hätte sie sich dafür verwünschen können.

Inis zwinkerte ihr jedoch nur verräterisch zu. »Keine Sorge, das bin ich auch«, erklärte sie, »und wahrscheinlich habe ich es mehr verdient als du.«

»Und wer ist die Frau, die hinter dir sitzt?« wollte Anastasia wissen. »Hält sie dich gefangen, oder ist sie gekommen, um dich zu befreien?«

Mia wollte sich umsehen, aber Mariah streichelte sie sanft und flüsterte ihr »schon gut, Kleines« ins Ohr.

»Ich glaube«, begann sie vorsichtig, »das weiß ich noch nicht. Ist das in Ordnung?«

»Klar ist das in Ordnung«, hauchte Mariah hinter ihr, so dicht, dass Mia ihren Atem im Haar spüren konnte. Auch die anderen nickten verständnisvoll.

»Manchmal ist das sogar ein und dasselbe, strafen und befreien«, mischte sich nun auch Jana mit einem süffisanten Lächeln in das Gespräch ein. »Aber das werdet ihr schon noch herausfinden.«

»Und was ist das für ein Land, in das man dich verschleppt hat?« Angela hatte das Wort ergriffen und bemühte sich, die anderen noch einmal ins Spiel zurückzuholen.

»Ich glaube, ich bin im Wunderland«, antwortete Mia. »Hier ist alles bunt und gleichzeitig erschreckend, und dann wieder schön... und nichts ergibt hier Sinn, aber ich bin die Einzige, die das merkt. Alle anderen hier finden diese Welt anscheinend ganz normal!«

»Dann haben wir's, du bist Alice!« rief Claudia fröhlich.

Mia dachte einen Augenblick lang nach, bevor sie leise, aber bestimmt erwiderte: »Aber ich möchte nicht Alice sein... Alice versteht nie, was um sie herum passiert... sie bleibt immer eine Fremde im Wunderland.«

Sie spürte, wie Mariah sie bei den letzten Worten noch etwas enger an sich zog.

»Du bleibst keine Fremde«, hörte sie ihre Stimme nun ganz dicht an ihrem Ohr, »das bist du jetzt schon nicht mehr.«

Die anderen Mädchen und ihre Aufpasserinnen stimmten zu, und schließlich sagte Anastasia: »Dann sei uns willkommen im Bienchen-Wunderland. Mögest du herausfinden, wer du bist, Nicht-Alice.« Sie schaffte es sogar, dem Klang ihrer Stimme etwas Feierliches zu geben.

Als Letzte ergriff nun Denise das Wort: »Ich bin in diesem Wunderland jedenfalls eindeutig das Karnickel.« Sie sah demonstrativ auf ihre Armbanduhr. »Es ist nämlich schon wieder viel zu spät, und ihr solltet alle längst im Bettchen liegen!«

Lachend erhoben sich alle und räumten gemeinsam die Sitzkissen unter die Betten. Die Matte wurde zweimal gefaltet und im Schrank neben der Eingangstür verstaut. Claudia bemühte sich derweilen, Denise in eine Diskussion darüber zu verwickeln, ob sie nun ein Kaninchen oder ein Mönch sei. Die Betreuerin ging nicht recht darauf ein, schlug aber schließlich vor, den Vergleichstest zu machen. Als Claudia sich damit einverstanden erklärt hatte, ging sie an den Schrank ihres Schützlings und holte einen fast 50cm großen Stoffhasen daraus hervor, mit dem sie sich vor Claudia stellte.

Diese sah prüfend mehrere Male zwischen dem Plüschtier mit den langen Schlappohren und ihrer Erzieherin hin und her und erklärte dann schließlich: »Einverstanden, du siehst wirklich aus wie ein Hase!«

»Und du siehst mir aus wie ein Frechdachs«, erwiderte Denise. Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: »Musst du eigentlich noch einmal gewickelt werden?«

»Nö, alles gut!« antwortete Claudia fröhlich. Es schien ihr überhaupt nicht peinlich zu sein, darüber zu sprechen.

Mia dagegen war kurz zusammengezuckt. Sie hatte ihre Windel natürlich nicht vergessen. Auch war ihr Blick immer wieder auf die Konturen gefallen, die sich zwischen den Beinen der anderen Mädchen deutlich abzeichneten. Besonders von hinten waren die dicken Windelpakete nicht zu übersehen, statt zweier Pobacken war hier jeweils nur ein großes, gleichmäßiges Rund unter dem Stoff des Stramplers zu erkennen, aus dem die Schenkel etwas seitlich hervorzugehen schienen. Aber solange keiner das Thema angesprochen hatte, hatte Mia es ein Stück weit verdrängen können. Jetzt hatte sie sich schreckhaft zu Mariah umgedreht und sah diese ängstlich an.

Doch ihre Erzieherin lächelte nur wissend und sagte etwas leiser als sonst: »Keine Sorge, ich weiß doch, dass du selbst Bescheid sagst.« Dann fügte sie wieder in normaler Lautstärke hinzu: »Und jetzt geht es ab ins Bett!«

Mia nickte und wandte sich zum Bett, um auf die Matratze zu klettern. Dass sie dabei wieder am Hintern abgestützt wurde, bemerkte sie kaum noch.

Mariah gab ihr zu verstehen, dass sie sich auf den Bettrand setzten sollte. Dann begann sie, ihr die Laufsöckchen auszuziehen, und Mia hatte derweilen Zeit, sich umzusehen. Anastasia lag schon im Bett, Angela hatte sich zu ihr gebeugt und schien leise mit ihr zu sprechen. Auf der anderen Seite hatte Inis sich breitbeinig vor das Bett gestellt und ihren Oberkörper auf die Matratze gestützt. Es sah aus wie bei einer Durchsuchung in einem alten Kriminalfilm. Solche Szenen waren Mia noch bekannt, auch wenn die Polizei schon lange kontaktlose Körperscanner verwendete, wie sie von ihrer eigenen Verhaftung wusste. Hatte Jana ihren Schützling gerade abgetastet? Die Neugierde half Mia, die schmerzhafte Erinnerung an ihre Festnahme zu verdrängen, und sie sah dem Duo am Nebenbett kurz bei seinem Gute-Nacht-Ritual zu.

Jana hielt eine Art Riemengeschirr in der Hand und legte dies von hinten um Inis Kopf. Diese richtete sich dabei aus ihrer halb liegenden Position auf, offenbar, um ihrer Aufpasserin die Arbeit zu erleichtern. Sie öffnete sogar bereitwillig den Mund, um das gelbliche Lutschteil eines überdimensionierten Schnullers aufzunehmen, der offenbar in das seltsame Geschirr eingearbeitet war. Jana schloss die Schnallen der Riemen und drückte jede einzelne zusammen, woraufhin sie ein leises Klickgeräusch von sich gab. Man musste Mia nicht erklären, dass die Schnallen so offenbar gegen ein unbefugtes Öffnen gesichert wurden; nur wie man die Verriegelung wieder aufhob, konnte sie nicht erkennen. Am Ende fuhr Jana noch einmal mit den Zeigefingern unter allen Riemen her, um deren Sitz zu prüfen, und auch Inis nickte dabei bestätigend. Dann wurde auch sie mit einem beherzten Griff ans Gesäß aufgefordert, ins Bett zu steigen.

»Hallo, schon eingeschlafen?« Mariah holte Mias Aufmerksamkeit mit diesen Worten wieder zurück. Sie stand direkt vor ihr, die Laufsocken in der rechten Hand. »Ich nehme an, du möchtest aber keinen Schnuller haben, oder?«

»Nee, echt nicht!« Mia schüttelte dabei leicht den Kopf.

»Musst du ja auch nicht! Aber wenn du magst, kannst du Ohrenstöpsel bekommen. Die anderen tragen auch welche. Zu viert ist es sonst vielleicht ein bisschen laut im Zimmer, und es kommt ja auch öfter mal vor, dass eine von euch zwischendurch rausgeholt werden muss.«