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Institut für Tiefenerziehung 02

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»Kommst du gar nicht mit in die Schule?« fragte Mia verwundert.

»Nee«, gab diese mit einem amüsierten Lächeln zurück, »mit der Schule bin ich durch. Erklär' ich dir später!«

Mia sah ihr verwundert nach, wie sie zur Tür ging, die von Denise bereits aufgeschlossen worden war. Dort verabschiedete sie sich mit einer kurzen Umarmung von ihrer Erzieherin und eilte dann aus dem Zimmer.

Mia dagegen wandte sich wieder der Kleiderstange zu. Irgendwann, während sie die restlichen Kleidungsstücke durchsah, wurden Inis und Anastasia von ihren Erzieherinnen zurückgebracht und sofort in das Badezimmer geleitet. Jana und Angela begannen dann ein Gespräch mit Denise, sodass Mia weiterhin in Ruhe aussuchen konnte. Hinter den bunt bedruckten Lätzchen kamen andere, die nicht so wirkten, als seien sie für Kinder gemacht. Ein Exemplar aus weißem, festem Baumwollstoff erinnerte sie an eine Kochjacke. Sogar die typischen, runden Knöpfe in Doppelreihe waren durch Stickereien angedeutet. Mia drehte sich mit zweifelndem Blick zu Mariah um.

Die schüttelte nach kurzer Musterung leicht den Kopf. »Es sei denn, natürlich, du möchtest gerne Günther beeindrucken«, fügte sie grinsend hinzu.

»Nee!« Mia musste lachen. Günther war einer der Letzten, dem sie hier gefallen wollte.

Das nächste Stück war auch nicht viel besser. Es bestand aus kräftigem Segeltuch und konnte mit zahlreichen Schnallen gerafft und geschlossen werden. Es erinnerte Mia aber unangenehm an die Fesseln, in denen sie am Vortag hergebracht worden war, und so hängte sie es schnell wieder zurück. Den Abschluss bildeten mehrere Varianten aus dicker Latexfolie, bei denen Mia den leisen Verdacht hegte, dass sie aufreizend wirken sollten. Es waren verschiedene Farben verfügbar, von Weiß über Schwarz bis hin zu durchsichtig Rosa und Klar. Mia konnte sich keines davon an sich selbst vorstellen, aber das Weiße ließ sie irgendwie an Inis denken. So sauber, wie es war, strahlte es etwas von der Selbstbeherrschung und Präzision aus, mit der sie sich von Jana hatte füttern lassen.

Als Mia am Ende des Wäscheständers angekommen war, sah sie sich zu Mariah um.

»Und, hast du dich für eins entschieden?« wollte diese mit sanfter Stimme wissen.

Mia nickte stumm. Sie hatte tatsächlich eine Entscheidung getroffen, auch wenn sie den Gedanken dahinter noch nicht ganz erfasst hatte. Sie ging zurück zur Mitte der Stange und suchte kurz bei den dünnen Frotteeteilen, bis sie eines mit leuchtend purpurfarbenen Ärmeln wiedergefunden hatte. Sie zog es hervor, das Lätzchen selbst war weiß, aber mit abstrakt stilisierten Schmetterlingen in Farbtönen bedruckt, die alle zwischen Rot und Blau lagen. Sie hielt es vorsichtig vor ihre Brust und sah ihre Erzieherin erwartungsvoll an.

Deren Augen hatten sich vor Überraschung geweitet, und ihr entfuhr ein kurzer, verzückter Laut, als sie von der Matratze sprang. Dann jedoch sah sie Mia freundlich, aber ernst an und begann ihr im ruhigen Ton zu erklären: »Kleines, das ist unglaublich hübsch, und ich mag es total gern. Aber ich glaube, du hast das falsch verstanden. Du sollst nichts aussuchen, was ich süß finde, sondern etwas, das dir gefällt.«

»Das weiß ich ja«, begann Mia zögerlich. Sie versuchte, ihren Gedanken in Worte zu fassen. »Aber du musst auch verstehen, dass es mir nicht egal ist, wie du es findest. Ich selbst möchte am liebsten gar kein Lätzchen tragen; ich brauche keins und ich schäme mich damit. Aber das war mit den anderen Kindersachen auch so, die du mir bisher angezogen hast. Nur habe ich da irgendwie gespürt, dass du sie schön findest und dich freust, wenn ich sie trage, und dann konnte ich das ertragen. Aber bei dem Teil vorhin war das anders, und genau das war doof daran. Es hat sich dann albern und peinlich angefühlt.« Mia hatte die Hand mit dem Lätzchen bei ihren Worten gesenkt, sodass es nun auf den Boden hing, und sah Mariah fragend an.

Die war unterdessen zu ihr gekommen und hatte ihr aufmerksam zugehört. Nun schien sie kurz zu überlegen, bevor sie antwortete: »Weißt du, natürlich wäre ich am glücklichsten damit, wenn du dich über die Sachen freuen könntest, die ich dir anziehen muss. Ich möchte gerne glauben, dass du dich darin klein und geborgen und beschützt fühlst. Ich weiß zwar, dass du nicht wirklich so empfindest, zumindest jetzt noch nicht, und das akzeptiere ich ja auch. Aber auf mich hat es eben genau diese Wirkung, wenn du Kinderkleidung trägst. Jedenfalls darfst du mir glauben, dass ich dich damit nicht demütigen will.«

Sie zeigte auf das Lätzchen. »Fällt es dir wirklich leichter, sowas zu tragen, wenn du weißt, dass ich das toll finde?«

Mia nickte wortlos.

»Ich mag es nämlich wirklich richtig gern«, gestand sie, während sie Mia den Bügel aus der Hand nahm. Sie hob ihn vor Mias Oberkörper und besah das Kleidungsstück darauf gründlich, offenbar stellte sie es sich an Mia vor. Sie lächelte nur ganz leicht, aber Mia konnte ihr die Begeisterung trotzdem deutlich ansehen.

»Dann behalten wir's?« fragte sie ihre Erzieherin.

»Gern«, gab diese zurück und nahm das Lätzchen vom Bügel. Sie klang sehr glücklich dabei. »Ich trage es schnell ins Haussystem ein, dann wird es mit der Biene und deinem Namen bestickt, und dann kannst du es heute Mittag schon tragen.« Sie ging zu Mias Wickeltisch, legte es darauf ab und gab einige kurze Befehle über ein Terminal ein, das zur Kommode gehörte.

Mia sah ihr dabei zu und wunderte sich ein wenig darüber, dass sie selbst mit dem erreichten Kompromiss recht zufrieden war. Wenigstens fand sie dieses Lätzchen erheblich hübscher als die anderen. Das Muster wirkte spielerisch und auch mädchenhaft, aber es sah nicht so aus, als sei es für Babys gemacht; da war das grüne, das Claudia gefallen hatte, schon wesentlich schlimmer, und auch das mit den Schäfchen... Plötzlich hatte Mia einen Einfall.

»Mariah?« wandte sie sich an ihre Erzieherin, »bekommen die anderen in der Gruppe eigentlich auch neue... du weißt schon?« Sie hatte das Wort nicht aussprechen wollen, aber sie zeigte auf die Kleiderstange. »Die mussten ja auch die hässlichen Dinger tragen.«

Mariah sah sie überrascht an. »Eigentlich nicht«, gab sie amüsiert zurück, »aber wenn du magst, darfst du ihnen welche aussuchen.«

»Geht das denn?« wollte Mia wissen. »Ich meine, darf ich hier überhaupt auf mein Geld zugreifen oder so?«

»Nein, das darfst du nicht.« Ihre Aufpasserin war unterdessen wieder zu ihr an die Kleiderstange zurückgekehrt. »Dein Bürgergeld wird mit dem Aufenthalt hier verrechnet, bis auf einen kleinen Sparbetrag, aber an dein Erspartes darfst du hier natürlich auch nicht rangehen. Technisch gesehen würden die anderen die Lätzchen also vom Institut bekommen, aber wir würden trotzdem sagen, dass sie von dir sind. So«, fügte sie noch hinzu, »funktioniert das hier.«

»Okay...«, machte Mia nachdenklich. Diese Lösung gefiel ihr nicht sonderlich, aber sie wusste auch nicht, wie es sonst funktionieren sollte. Jetzt kamen ihr doch leichte Zweifel, ob ihre Idee so gut war.

»Hast du denn welche ausgesucht, die du ihnen schenken möchtest?« wollte Mariah wissen.

»Vielleicht«, meinte Mia etwas unsicher, »aber ich weiß ja gar nicht, ob sie ihnen gefallen.«

Mariah grinste sie an. »Dann such sie schnell heraus! Ich lege sie beiseite, und dann frage ich nachher heimlich die anderen Erzieherinnen, was die davon halten. Wenn die sie gut finden, verschenken wir sie, ansonsten halt nicht. Dann musst du keine Angst haben, dass du dich vor den anderen Mädchen blamierst.«

Sie hatte recht schnell gesprochen und sich dabei zur Badezimmertür umgesehen. Mia begriff und suchte rasch die drei Teile heraus, die ihr aufgefallen waren. Sie gab sie Mariah, die sie in einer Klappe der Wickelkommode gerade noch rechtzeitig versteckte, bevor Inis und Anastasia aus dem Badezimmer zurückkehrten.

Auch sie wurden nun aus ihren Lätzchen befreit und Inis bekam von Jana wieder die Jacke ihrer Schuluniform angelegt. Anschließend mussten die Mädchen sich hintereinander aufstellen und wurden von ihren drei Erzieherinnen für den Weg zur ›Schule‹ an die Hand genommen. Jana ging mit Inis voran und schloss die Tür des Gruppenzimmers auf.

* * *

Denise verabschiedete sich auf dem Flur von ihnen und bog nach rechts ab, während die anderen links herum und dann ein Stück weit geradeaus gingen, bis sie vor einer ziemlich massiv wirkenden Tür mit einem kleinen Fenster in der Höhe des Gesichts hielten. Jana öffnete sie und führte die kleine Gruppe in eine Schleuse hinein bis vor eine zweite, identische Tür. Hier wartete sie kurz, bis Angela, die mit Anastasia das Schlusslicht bildete, den Eingang hinter sich zugezogen hatte. Erst dann schloss sie auf und trat ins Freie. Mia blinzelte in der Morgensonne, die zwischen den Wipfeln der Bäume stand, welche hier im Park einzeln und in kleinen Gruppen wuchsen. Ein Kiesweg schlängelte sich zwischen sanft ansteigenden Hügeln hindurch, dem die Mädchen und ihre Erzieherinnen nun folgten.

Jana war bisher vorangegangen und hatte Inis an der Hand geführt, aber nun gab sie diese frei und drehte sich zu Mia und Mariah um. »Du nimmst jetzt deine Zimmergefährtin bei der Hand«, wies sie Inis an, »und gehst mit ihr nach vorne, du kennst den Weg ja.«

Inis kam zu Mia und hielt ihr die Hand hin, wobei sie sie gutgelaunt und auffordernd ansah. Mia ergriff die Hand zwar, wagte aber nicht, auf der anderen Seite Mariah loszulassen. Stattdessen schaute sie sich nach ihrer Erzieherin um.

»Schon gut, Kleines«, meinte diese und schickte sie mit einem leichten Klaps los. »Ihr beiden bleibt aber schön in Sichtweite«, ermahnte sie noch ohne Schärfe in der Stimme.

Ob das wirklich ihr oder eher Inis gegolten hatte, wusste Mia nicht. Sie wäre jedenfalls auch so nicht auf die Idee gekommen, wegzulaufen. Stattdessen konzentrierte sie sich auf ihren gleichmäßigen Schritt und den sanften Händedruck ihrer neuen Weggefährtin. Sie hatte seit dem vergangenen Abend mehr Körperkontakt gehabt, als in den gesamten letzten Monaten seit ihrer Verhaftung zusammen. Eigentlich war ihr Leben schon lange recht arm daran gewesen, wenn man von zwei flüchtigen, rein sexuellen Beziehungen absah. An Mariahs Berührungen hatte sie sich immerhin schon soweit gewöhnt, dass sie diese als beruhigend empfand. Bei Inis war das anders, von ihr angefasst zu werden, machte Mia fast schon nervös, wenn auch nicht auf eine unangenehme Weise. Irgendetwas Geheimnisvolles lag über diesem Mädchen, in ihrer ruhigen und beherrschten Art, sich zu bewegen, und in ihrem Lächeln.

»... das ist gar nicht schlimm, wir haben die Zeit einfach genutzt, um Mia ein neues Lätzchen auszusuchen«, hörte Mia gerade Mariah hinter sich erzählen.

Sie hatte die Frage dazu gar nicht mitbekommen, aber offenbar unterhielt sich ihre Erzieherin mit Jana. Sie lief rot an und wollte sich gerade zu Mariah umdrehen, um zu protestieren. Was diese erzählt hatte, stimmte zwar, aber deswegen musste man es ja noch lange nicht laut aussprechen! Aber bevor Mia etwas sagen konnte, spürte sie, wie Inis ihre Hand kurz drückte, und schaute zu ihr.

»Keine Sorge, das geht uns allen so.« Inis zwinkerte Mia amüsiert zu und sprach mit halblauter Stimme: »Aus irgendeinem Grund müssen Erzieherinnen immer genau das verraten, was einem gerade peinlich ist. Da gewöhnst du dich noch dran«, fügte sie nach kurzer Pause hinzu.

Wie um ihr Recht zu geben, hatte unterdessen Jana zu berichten begonnen. »Das ist auch gut, wir wollen euch ja nicht warten lassen. Bei Claudia ist das ja kein Problem, die geht halt, wenn sie fertig ist. Aber Mia muss ja mit den anderen zur Schule. Und solange sie nicht auch das Fläschchen bekommt, wird sie vor Anastasia und Inis fertig sein.«

Die Letztgenannte hatte bei diesen Worten Mia angesehen und genervt die Augen verdreht.

»Und seitdem ich Inis zum Trinken ins Stillzimmer bringe, brauche ich für sie fast so lange wie Angela für unser Nesthäkchen.«

Als Inis nun in gespielter Verzweiflung das Gesicht verzog, war es an Mia, ihr verständnisvoll zuzulächeln. Immerhin schämte sie sich nun nicht mehr für das, was Mariah erzählt hatte. Daneben war ihr aber noch etwas anderes aufgefallen: Jana hatte die Nuckelfläschchen erwähnt, und Claudia dürfte genau diese vorhin gemeint haben, als sie von ihren beiden Zimmergenossinnen gesagt hatte, diese würden noch gestillt. Mia kam sich jetzt etwas albern dafür vor, dass sie sich Inis an Janas Brust vorgestellt hatte.

Sie traten zwischen zwei Baumgruppen hervor und standen vor einem flachen und strahlend weißen Bungalow, nicht unähnlich dem, aus dem sie gekommen waren. So groß, wie er war, musste auch er einen oder mehrere Innenhöfe umschließen. Der Kiesweg endete genau in der Mitte des Gebäudes vor einem Portal mit vorgeschobenem Giebel und dorischen Marmorsäulen. Die Türen bestanden aus dickem Glas und glitten fast lautlos auf, als Jana vortrat und ihre Schlüsselkarte vor ein Lesegerät hielt. Auch hier führe ihr Weg in eine Schleuse, und erst, als alle im Vorraum standen und der Eingang sich hinter ihnen geschlossen hatten, öffnete sich die Tür vor ihnen.

Sie gab den Weg frei in einen Halle, die sich weit nach links und rechts erstreckte, aber etwa zehn Meter vor ihnen in einen Innenhof überging. Nur eine Säulenreihe trennte die beiden Bereiche und stütze das Dach, unter dem sie standen. Dahinter führten zwei flache Stufen hinab auf die Freifläche, die ein wenig unter dem Niveau des Marmorbodens der Halle lag. Hier waren sie nun nicht mehr allein, im Innen- wie im Außenbereich gingen und standen vereinzelt andere kleine Menschengruppen. Mia wurde sich schlagartig wieder der Tatsache bewusst, dass sie eine Windel trug. Sie hoffte inständig, dass deren Formen unter den weiten Falten ihres Rockes verborgen blieben. Wenigstens wirkte ihre Schuluniform einigermaßen erwachsen, und dafür war sie dankbar.

Inis hatte ihre Hand losgelassen und sah sie mit ganz leichtem Lächeln an. »Hab einen guten Start hier in der Schule!« wünschte sie ihr, »wir sehen uns heute Mittag wieder.«

»Wo willst du denn hin?« wollte Mia wissen.

»Ganz einfach, in meine Klasse«, bekam sie zur Antwort, »und du solltest in deine gehen.«

Noch immer stand Inis vor Mia und wirkte fast, als wartete sie auf etwas. Jana ermahnte ihren Schützling schließlich, sich zu beeilen, und nachdem beide sich rasch von den anderen verabschiedet hatten, verließen sie gemeinsam die Gruppe und folgten dem Verlauf der Halle nach links. Mia schaute ihnen unschlüssig nach. Irgendwie hatte sie das Gefühl, etwas verpasst zu haben.

* * *

Lange darüber nachdenken konnte sie jedoch nicht. Stattdessen wurde sie nun wieder von Mariah an die Hand genommen, und kurz darauf gingen die beiden zusammen mit Anastasia und Angela zwischen den Säulen hindurch auf den Hof, auf dem sauber geharkte Kieswege zwischen Beeten und Rabatten kreuzförmig um einen zentralen Platz mit Springbrunnen herum angeordnet waren. Die Säulenhalle umgab das Areal auf allen Seiten.

Mia stellte dabei erleichtert fest, dass viele der anderen Besucher ähnlich wie sie selbst gekleidet waren. Sie mussten demnach auch Insassen des Instituts sein, allesamt junge Frauen, und die wenigen anderen Personen in ihrer Begleitung waren dann wahrscheinlich Erzieherinnen.

Sie folgten dem Weg in Richtung des Flügels zu ihrer Rechten und traten dort wieder unter das Dach, um schließlich durch eine offenstehende Tür in eine Art Klassenzimmer zu gelangen. Links von ihnen fiel durch große Fenster das Tageslicht herein, während die rechte Wand fast vollständig von deckenhohen Regalen eingenommen wurde, in denen sich altertümliche Bücher aneinandereihten. Ein modernes Smartboard mit Hologrammfunktion dominierte die Stirnseite, vor der mittig ein Lehrerpult aus dunkler Eiche stand. Diesem zugewandt waren drei niedrigere Schülerpulte aus hellerem Holz im Halbrund angeordnet. Etwas deplaziert wirkte ein Möbelstück in der Nähe des Lehrerpults, das einem Springbock ähnelte, wie man ihn aus dem Sportunterricht kannte. Es war allerdings weniger hoch, oben vielleicht etwas flacher und dabei mit einer weißen, kräftigen Folie bespannt.

Die Eingangstür, durch die sie den Raum betreten hatten, lag links, fast direkt an der Fensterfront. Deshalb fiel Mias Blick erst jetzt, als sie sich nach rechts wandte, auf einen durch ein Laufgitter abgegrenzten Bereich in der geschützten, hinteren Ecke des Raumes. An eine der Gitterwände gelehnt saß ein Junge, der den Kopf nach ihnen umgedreht hatte und Mia anlächelte.

»Hi, ich bin Jonas!« rief er ihr zu, während er grüßend die Hand hob. Er klang fröhlich, vielleicht auch etwas aufgeregt.

»Hallo Jonas«, begrüßte ihn als Erste Mariah, »schön, dich wiederzusehen. Wie du siehst, habe ich heute Mia dabei«, sagte sie und ging, ihr Mädchen an der Hand, in Richtung des Laufstalls.

Mia schaffte es, verlegen zurückzuwinken, bekam aber keinen Ton heraus. Wie in Zeitlupe lief sie neben ihrer Erzieherin her und spürte, wie ihr die Schamröte ins Gesicht stieg, während ihre Begleiterinnen Jonas begrüßten. Sie hatte damit gerechnet, nicht allein mit Anastasia in der Klasse zu sein, aber einen Jungen hatte sie nicht erwartet. Seitdem die Menschen dazu übergegangen waren, sich fast ausschließlich durch künstliche Befruchtung zu vermehren, war der Anteil der männlichen Bevölkerung stetig zurückgegangen. Mädchen galten als unkomplizierter und lernfähiger, und viele sprachen ihnen eine größere Befähigung zu, in einer hochzivilisierten Gesellschaft zu funktionieren. Mitte des 22. Jahrhunderts waren Männer in den älteren Generationen noch immer kein ungewöhnlicher Anblick, aber Mia hatte selten einen gleichaltrigen Jungen kennengelernt. Unter anderen Umständen wäre sie furchtbar neugierig auf Jonas gewesen. Aber warum, um alles in der Welt, musste sie ihm ausgerechnet hier begegnen?!

Erst als Mariah mit ihr direkt vor dem eingehegten Bereich stehen blieb und in die Knie ging, um ihr die Sandalen auszuziehen, kehrten ihre Sinne in die Gegenwart zurück. Jonas sah sie dabei gut gelaunt und mit kaum verhohlener Neugierde an. Er schien kaum älter als sie selbst zu sein und hatte ein bartloses und ebenmäßiges Gesicht, das Mia ausgesprochen hübsch fand. Besonders fielen ihr die großen, brauen Augen sowie das dichte, dunkel glänzende Haar auf, das ihm offen bis auf die Schultern herabfiel.

Er nahm seine Augen auch nicht von ihr, als Mariah sich wieder aufrichtete und sie aufforderte, in den Laufstall zu steigen. Während Mia neben Anastasia über die Absperrung kletterte, achtete sie deshalb peinlich genau darauf, Jonas keinen direkten Blick auf ihren Schritt zu ermöglichen. Glücklicherweise war ihr Rock lang genug und das Gitter nicht höher als das im Gruppenraum, sodass es sich problemlos überwinden ließ. Es war allerdings aus Metall statt aus Holz gefertigt und fest im Boden verankert.

Der Bereich im Innern war auch hier mit einer weichen Matte mit griffiger Kunststoffoberfläche ausgelegt, und darauf lagen etwas unordentlich ziemlich viele Bücher, Notizblöcke, Tabletts und Schreibutensilien herum, ebenso wie vier große Sitzkissen, von denen Jonas eines belegte.

Während Mia sich auf eines der anderen setzte, hörte sie hinter sich Mariah, die vor dem Gitter stehen geblieben war: »Soll ich dich losmachen? Wir bleiben ja hier, bis euer Lehrer kommt.«

»Ja, gerne«, antwortete Jonas, der offenbar gemeint gewesen war. Während nun Mariah um das Ställchen herum zu ihm hinging, hatte Mia die Gelegenheit, sich ihn etwas genauer anzusehen.

Er trug einen dunkelblauen Matrosenanzug mit langen Ärmeln, aber kurzen Hosen, die noch über dem Knie endeten. Seine Unterschenkel steckten in hohen, weißen, mit blauen Streifen abgesetzten Strickstrümpfen. Die Brusttaschen seines Anzugs waren weiß hervorgehoben, offenbar, damit der Namenszug lesbar war, der ebenfalls in Marineblau gehalten war. Darunter war eine Giraffe im Comicstil aufgestickt, die den Hals nach oben bis über das »S« in »JONAS« streckte. Weiß waren auch die Streifen, die sein breites Revers entlang bis über die Schultern liefen.