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Legenda Major - Generatio Proxima

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„Greift euch das Mädchen und dann nichts wie weg von hier!", ruft der Anführer der Räuber.

Mir ist zwar nicht klar, wer mit dem Mädchen gemeint ist, ducke mich aber noch etwas tiefer und versuche, zu vermeiden, dass ich hinter dem Podest zu sehen bin. Trotzdem versuche ich den Überblick zu behalten. Da es sich um einen Dreiseitenhof handelt, ist eine Front hinaus zu den Feldern hin offen. Ein Teil der Kämpfe zwischen Räubern und Rittern spielt sich draußen ab, einige aber auch im Hof.

„Wo ist die Kleine?", ruft einer der Räuber. Da ducke ich mich erneut, ganz tief in die Lücke zwischen Hauswand und Podest. „Sie war doch eben noch da."

Er muss ganz dicht vor dem Podest stehen. Wenn ich unter der Holzkonstriktion durchschaue, kann ich die Fesseln seines Pferdes nur wenige Meter von mir entfernt sehen. Zu meinem Glück sieht er mich offenbar nicht. Mir ist aber klar, dass er nur mich meinen kann, wenn er hier beim Podest nach dem Mädchen sucht. Doch warum soll ich für die Räuber so wichtig sein?

Mit Erleichterung vernehme ich, wie ein zweites Pferd herangaloppiert kommt, ich höre Metall auf Metall schlagen und dann einen dumpfen Aufprall. Ich muss mir die Hand fest auf den Mund halten, um nicht laut zu schreien. Einer der Ritter muss den Räuber getötet haben, der nach mir gesucht hat. Dieser ist leblos vom Pferd gefallen und direkt vor das Podest. Zu allem Überfluss hat er den Kopf zu mir gewandt und blickt mich aus seinen leblosen und weit aufgerissenen Augen an. Der Anblick ist gruselig.

Ich schließe die Augen und hoffe, dass alles schnell vorüber ist. Ich bete zu den Göttern und verhalte mich ganz, ganz still. Ich will nicht sterben, nicht hier und nicht unter so fürchterlichen Umständen.

Kapitel 3

Nach etwa 10 Minuten ist alles vorbei. Ich höre nur noch einige wenige Pferde, die aber auf der Stelle tänzeln und nicht herumgaloppieren.

„Absitzen!", höre ich schließlich.

Daraufhin folgt das typische Scheppern von Metall, wenn Reiter vom Pferd steigen und einige Schritte gehen. Ich frage mich, warum ich dieses Geräusch kenne. Ich wüsste nicht, dass ich jemals in meinem Leben Ritter gesehen hätte. So weit von der Hauptstadt entfernt lassen sie sich normalerweise nicht blicken. Aber etwas anderes zieht meine Aufmerksamkeit auf sich. Allem Anschein nach haben die Ritter die Situation unter Kontrolle. Das beruhigt mich.

„Ihr könnt herauskommen, die Gefahr ist vorbei!", ruft ein Mann. Ich gehe stark davon aus, dass es sich um den Anführer der Ritter handelt.

Ich überlege kurz, was ich machen soll. Sehr schnell komme ich zum Schluss, dass ich nicht ewig unter dem Podest hocken bleiben kann. Deshalb krabble ich hervor und blicke mich vorsichtig um. Etwa ein Dutzend Ritter stehen im Hof. Vor ihnen der Mann mit dem roten Schopf auf dem Helm.

Ich habe schon mal etwas von ihm gehört. Mir fallen die Erzählungen wieder ein, die ich ab und zu im Dorf aufgeschnappt habe. Seine Truppe soll besonders mutig und entschlossen sein. Er selbst soll ein Mann sein, dem der König am meisten vertraut.

Als er mich erblickt, mustert er mich eingehend und kommt auf mich zu. Das kommt mir etwas sonderbar vor, da doch auch andere Bedienstete aus den verschiedenen Ecken des Landsitzes hervorkommen. Er hat aber nur Augen für mich.

„Wie heißt du?", will er wissen.

„Wer will das wissen?", halte ich dagegen.

„Oh, verzeiht, ich bin Lord Rasmus. Darf ich nun Euren Namen erfahren?"

„Ich bin Serena, eine Magd hier auf dem Anwesen."

„Ihr steht unter meinem besonderen Schutz. Ich wünsche, dass Ihr Euch immer in meiner Nähe aufhaltet."

„Soll das ein Befehl sein?"

Ich bin überrascht. Wie kommt er dazu, mir eine Anweisung zu geben. Sonderbar ist auch, dass ich unter seinem persönlichen Schutz stehen soll. Das ist normalerweise nur hochgestellten Persönlichkeiten vorbehalten. Ich aber bin ja nur eine einfache Magd.

„Es ist eine Bitte und ich werde Euch nachher auch erklären, was es damit auf sich hat."

„Das ist gut. Ich würde niemals von einem Fremden Befehle entgegennehmen."

Er schmunzelt ein wenig, das kann ich an seinen Augen sehen. Mehr gibt der Helm von seinem Gesicht nicht preis. Lange kann ich seine stahlblauen Augen aber nicht bewundern, denn er dreht sich abrupt um und ruft seinen Männern zu.

„Sammelt die Leichen ein und überprüft die Überlebenden, kümmert euch um die Verletzten. Jemand soll die Pferde versorgen."

Bei seinen Befehlen wird mir bewusst, dass wir angegriffen wurden und will schauen, wer getötet und wer verwundet wurde. Ich will helfen, wenn ich kann.

Sir Baltasar liegt mitten im Hof. In seinem Bauch klafft eine riesige Wunde, aus der seine Gedärme quillen. Es ist ein grauenvoller Anblick. Ich hoffe, dass sie seine Überreste zudecken oder wegschaffen. Lukas liegt immer noch tot auf dem Podest und auch der Stallbursche, der Liebhaber von Lady Rosa, hat nicht überlebt.

Da fällt mir ein, dass ich noch gesehen habe, wie Lady Rosa von einem der Räuber verfolgt wurde. Ich suche die Gegend ab, in welche die beiden gelaufen sind und tatsächlich erblicke ich in der Nähe des Schweinestalls einen der Räuber, der mit heruntergelassener Hose daliegt. Das Hemd an seinem Rücken ist blutgetränkt. Er muss mit einem Schwerthieb getötet worden sein.

Unter ihm liegt eine weitere Person. Erst bei genauerem Hinschauen wird mir klar, dass es sich um Lady Rosa handelt. Ihre Augen sind vor Schreck weit aufgerissen. Auch sie ist tot. Ob sie noch vor ihrem Ableben geschändet wurde, kann ich nicht beurteilen. Dazu liegen die beiden Körper zu weit von mir entfernt. Ihr Blick lässt jedoch vermuten, dass sie einen grauenvollen Tod hatte.

Als einer der Ritter mit einem Mädchen auf dem Arm auf das Podest zukommt, werde ich aus meinen Überlegungen gerissen und laufe los. Sie hat eine blutende Wunde am Arm, muss aber auch eine Verletzung am Kopf haben. Ich kenne sie, sie arbeitet in der Küche.

„Legt sie hierher, ich bin Heilerin", rufe ich dem Ritter zu.

Er kommt meiner Aufforderung nach und ich untersuche kurz die Wunden. Als Anna, meine Freundin, zum Glück wohlbehalten, aus der Tür des Herrenhauses kommt, atme ich erleichtert auf. Ich winke sie zu mir her.

„Hol mir saubere Tücher und heißes Wasser. Wenn du findest, bring auch eine Flasche Schnaps mit", weise ich sie an.

„Ja, Schnaps ist gut", meint der Ritter, der die Verletzte abgelegt hat.

„Klappe, den brauche ich zum Desinfizieren der Wunden", knurre ich ihn an. Dann rufe ich laut über den Hof, damit es ja alle verstehen. „Bringt alle Verletzten zu mir. Ich kümmere mich um sie."

Da ich annehme, dass keiner der Ritter sich mit Heilkunst auskennt, die Räuber entweder tot oder geflohen sind, bleibt die Versorgung der Verwundeten notgedrungen an mir hängen.

Ich will zu meiner Unterkunft. Dort habe ich alle Kräuter und Salben, die ich benötige. Dem Ritter, der den Schnaps haben wollte, weise ich an, dafür zu sorgen, dass alle Verwundeten hergebracht werden.

„Ich bin gleich wieder da. Ich hole nur ein paar Dinge", rufe ich ihm noch zu. „Und wehe, du rührst den Schnaps an!"

Als ich mit dem Nötigsten zurück bin, liegen drei Männer und zwei Frauen auf dem Podest. Anna ist bereits mit heißem Wasser, sauberen Tüchern und einer Flasche mit einem klaren Inhalt zurück.

Ich weise Anna an, die Wunden, vorsichtig zu säubern und zu desinfizieren. Ich hingegen nähe Schnitte, trage Salben auf und lege Verbände an. Alle fünf Verletzten werden es überleben und kaum bleibende Schäden davontragen. Das erste Mädchen, das aus der Küche, hat zwar eine Gehirnerschütterung und ich will noch abwarten, wie heftig es sie erwischt hat, aber auch bei ihr bin ich zuversichtlich. Die anderen haben meist Schnittwunden davongetragen, einer hat sich ein Bein gebrochen. Ihm lege ich eine Schiene an und kann nur hoffen, dass der Knochen wieder gerade zusammenwächst.

Die schwerste Verletzung hat ein Ritter davongetragen. Er hat einen Pfeil abbekommen, der ihn trotz der Rüstung erwischt hat. Aber auch das ist offenbar nur eine Fleischwunde und ich hoffe, dass nichts verletzt wurde, das die Funktion der Schulter beeinträchtigen könnte. Ich ziehe den Pfeil vorsichtig heraus. Dabei gebe ich dem Mann ein Stück Holz, damit er draufbeißen und den Schmerz leichter ertragen kann.

„Das sieht aus, als würdest du das öfters machen", höre ich eine dunkle Stimme hinter mir.

Leicht erschrocken drehe ich mich um und sehe Lord Rasmus, der hinter mir steht. Zum ersten Mal kann ich ihm ins Gesicht blicken, er hat den Helm abgenommen und trägt ihn unterm Arm.

Ich würde ihn auf Mitte bis Ende 20 schätzen. Er hat blonde, leicht wellige und schulterlange Haare. Sein Gesicht ist hübsch, auch wenn er einen besorgten Gesichtsausdruck hat.

„Ich heile seit Jahren die Kranken und Verwundeten hier auf dem Landsitz. Auch aus den umliegenden Orten kommen einige zu mir."

„Wenn du fertig bist, kann ich dich dann bitte sprechen?"

Ich bin etwas irritiert, weil er von der höflichen Form zu einem zwanglosen Du übergegangen ist. Sein Mangel an Respekt ärgert mich. Er behandelt mich wieder wie eine herkömmliche Magd. Trotzdem weise ich ihn nicht zurecht, vorerst zumindest.

„Worum geht es?"

Auch ich lasse ganz bewusst die formelle Anrede am Ende meiner Frage weg. Ich hätte noch ein „Lord Rasmus" anhängen müssen oder so etwas ähnliches. Aber das verwehrt mir schon mein Stolz. Wenn er mich respektlos behandelt, dann muss ich mich auch nicht mehr bemühen. Natürlich steht er weit über mir. Er ist ein Ritter, ein Lord und ich nur eine einfache Magd. Trotzdem hasse ich es, wenn jemand den nötigen Respekt vermissen lässt.

„Ich würde gerne mit dir reden, wie es weitergeht."

„Und wenn ich keine Lust dazu habe?"

Er schaut mich überrascht mit hochgezogener Augenbraue an. Ich gehe stark davon aus, dass er es nicht gewohnt ist, dass jemand so mit ihm spricht. Unter normalen Umständen hätte er mich auch öffentlich züchtigen lassen können. Da er mich aber zur Versorgung der Verletzten braucht, unter denen sich auch einer seiner Männer befindet, gehe ich stark davon aus, dass er davon Abstand nimmt.

„Wenn ich dich bitte, Mädchen?"

„Ich heiße Serena!"

„Warum so abweisend, Serena?"

„Ihr lasst es mir gegenüber an Respekt mangeln", sage ich offen und ehrlich.

„Ach das", lacht er auf. Ich funkle ihn böse an. Lacht der mich etwa auch noch aus? „Ich lege nicht sonderlich Wert auf Höflichkeiten. Wenn du willst, darfst du mich auch mit meinem Vornamen ansprechen, zumindest, wenn wir unter uns sind."

„Und der wäre?"

„Peter."

„Ok, Peter, dann reden wir."

„Nicht hier. Gibt es eine Stube?"

„Ja, im Herrenhaus. Aber dürfen wir da hinein?"

„Die Herrschaften sind nicht mehr am Leben. Jemand von euch muss die Führung am Hof übernehmen. Ich würde vorschlagen, jemand kümmert sich ums Essen und wir setzen uns dann alle zusammen und beraten, was zu tun ist und wer welche Stellung einnimmt. Aber vorher möchte ich mit dir allein reden."

„Mit mir allein? Warum?"

„Ich habe meine Gründe."

„Dann lass mich das Mittagessen organisieren."

Ohne auf eine Antwort zu warten, führe ich ihn in die Stube, weise ihn an, hier auf mich zu warten und eile dann in die Küche. Dort spreche ich mit der Köchin, die zwar jammert, weil sie plötzlich für so viele Menschen kochen soll, trotzdem macht sie sich gleich ans Werk.

Ich kehre zurück in die Stube, wo sich Peter bereits hingesetzt hat und offenbar nur auf mich wartet. Als ich zur Tür hereinkomme, fällt mir auf, wie eingehend er mich mustert. Ich versuche dies zu ignorieren. Allerdings gelingt mir das nicht so recht. Dass ausgerechnet er sich so auffällig für mich interessiert, gefällt mir und beunruhigt mich gleichermaßen.

„Was wolltest du mit mir besprechen?"

„Komm setz dich!"

Um seiner Aufforderung Nachdruck zu verleihen, deutet er auf den Stuhl in seiner Nähe. Ich frage mich, ob das, was er mir zu sagen hat, so schlimm ist, oder ob er nur höflich sein will. Da ich diese Frage eh nicht beantworten kann, setze ich mich einfach und blicke ihn erwartungsvoll an.

„Diese Räuber haben dich gesucht."

Mehr sagt er nicht. Sein Schweigen irritiert mich. Ich versuche zwar ihn auffordernd anzuschauen, damit er weiterspricht, aber er tut es nicht. Warum sollten sie ausgerechnet mich gesucht haben?

„Mich, eine Magd?"

„Keine Ahnung, was der Grund ist. Aber alles deutet darauf hin."

„Und zwar?"

„Zwei Männer wurden in deiner unmittelbaren Nähe mit präzis abgefeuerten Pfeilen getötet. Dich hat man verschont."

„Vermutlich, weil man in mir keine Gefahr gesehen hat."

„Das könnte zwar sein, aber vor ihrem Rückzug wollten sie dich mitnehmen und haben verzweifelt nach dir gesucht. Ihr Anführer hat das Podest eingehend abgesucht. Er kann nur dich gemeint haben."

Scheiße, das stimmt. Daran habe ich nicht gedacht. Doch warum sollten diese Räuber es ausgerechnet auf mich abgesehen haben?

„Aus deinem Schweigen schließe ich, dass meine Vermutung nicht abwegig ist."

„Sie haben sicher mich gemeint und kein anderes Mädchen?"

„Es war ja sonst niemand in der Nähe des Podestes."

„Hast du den Kerl erledigt?", wechsle ich das Thema.

„Äh ja, warum?"

„Damit hast du mir einen ganz schönen Schreck eingejagt. Er fiel mir praktisch vors Gesicht und hat mich leblos angestarrt."

Er lacht laut auf. Na super. Ist ja gut, wenn sich zumindest einer von uns beiden amüsiert.

„Du bist es nicht gewohnt, zu kämpfen", stellt er trocken fest.

„Gut, sie haben mich gesucht. Was nun?", wechsle ich erneut das Thema.

„Du kommst mit uns."

„Nie im Leben!"

„Serena, hier bist du nicht sicher. Wenn sie wissen, dass du hier bist, kommen sie wieder und dann bin ich vermutlich nicht in der Nähe und kann dich nicht mehr retten."

„Du meinst sie kommen zurück?"

„Garantiert. Sie haben nach dir gesucht und dich nicht bekommen. Ich an ihrer Stelle würde es sofort wieder versuchen, sobald die lästigen Ritter weg sind."

„Damit würde ich die anderen hier in Gefahr bringen."

„Du sagst es."

„Aber als junge Frau allein unter einer Horde Ritter, da bin ich doch auch nicht sicher."

„Ich garantiere dafür, dass dir kein Haar gekrümmt wird. Du stehst unter meinem persönlichen Schutz."

„Wie willst du überhaupt rechtfertigen, dass eine junge Frau mit euch Rittern durch die Lande zieht?"

„Du bist Heilerin. Als Ritter ist man ständig der Gefahr ausgesetzt."

Seine Antwort fällt recht knapp aus, aber die Erklärung ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Allerdings ist das wohl die erste und vorerst einzige Gruppe, welche ihre eigene Heilerin mit dabeihat.

Kapitel 4

Ich drücke Anna eng an mich. Mein altes Leben hinter mir zu lassen, macht mir wenig aus. Meine Freundin zu verlassen ist hingegen schwer für mich. Wir leben und arbeiten seit mehreren Jahren zusammen und haben uns immer gut verstanden. Lord Rasmus zu fragen, ob sie uns begleiten darf, ist vermutlich keine gute Idee. Ich möchte sie auch nicht den Gefahren einer langen Reise aussetzen. Trotzdem versetzt es mir einen heftigen Stich ins Herz, als ich ihr Lebewohl sagen muss.

Zum Glück habe ich in jungen Jahren das Reiten gelernt. Lukas war damals noch umgänglicher und wir haben öfters etwas zusammen unternommen. Da er der Sohn der Herrschaften war, musste meist ich das tun, wozu er gerne Lust hatte. Deshalb habe ich das Reiten und das Kämpfen gelernt. Beim Schießen mit Pfeil und Bogen war ich ihm immer haushoch überlegen. Beim Schwertkampf war es wohl eher seine Kraft, die ihm einen Vorteil gebracht hat. Ich war hingegen wendiger und einfallsreicher im Angriff.

Da ich mit Lukas manchmal auch längere Ausritte unternommen habe und dabei nie wirklich Probleme hatte, habe ich zugestimmt, als Lord Rasmus mich gefragt hat, ob ich ein eigenes Pferd haben möchte. Ich habe nicht gefragt, was die Alternative gewesen wäre. Vermutlich hätte ich mit einem seiner Leute mitreiten müssen oder gar bei ihm auf dem Pferd Platz nehmen.

Als es schließlich soweit ist und ich mit den Rittern von Landsitz reite, spüre ich ein leicht beklemmendes Gefühl. Ich bin mit meiner Mutter hierhergekommen, da war ich drei Jahre, so hat sie mir erzählt. Damit habe ich fast mein ganzes Leben hier verbracht. Meine Mutter war nicht direkt eine Bedienstete der Herrschaften, wir wohnten in einem eignen Haus. Gelebt haben wir von den Einnahmen meiner Mutter als Heilerin. Es war eine schöne Zeit.

Mein gesamtes Wissen über die Heilkunst habe ich von meiner Mutter und werde dieses auf ewig bewahren, denn es ist das Einzige, das mir von ihr geblieben ist.

Jetzt, da ich das, was mir trotz aller Widrigkeiten zu einer Art Heimat geworden ist, verlasse, stelle ich mir natürlich die Frage, was die Zukunft bringen wird und was aus mir werden soll. Deshalb reite ich auch still und nachdenklich neben den Rittern her. Auch sie sprechen nicht viel. Das wird schon ihre Art sein. Ich habe lediglich mitbekommen, wir sind auf dem Weg in eine andere Ortschaft.

Nach einem halben Tag im Sattel halte ich das Schweigen nicht mehr aus. Ich lenke mein Pferd neben das von Lord Rasmus.

„Was machen wir in Aareberg?"

„Dort erwartet uns Lady Samantha, die wir zum König begleiten sollen."

„Was macht sie beim König?"

„Sie soll ihn ehelichen."

„Der König ist, soweit ich weiß, schon über 60."

„Er hat noch keine Kinder."

„Wie alt ist Lady Samantha?", frage ich lauernd. Ich bin mir sicher, die Antwort wird mir nicht gefallen.

„Etwa in deinem Alter."

„Sie liebt den König? Ein Mädchen in meinem Alter liebt einen Mann, der schon 60 Jahre alt ist?"

„Sie soll ihm einen Erben schenken."

„Sie ist also nur eine Zuchtstute?"

„So würde ich das nicht ausdrücken?"

„Wie denn dann?"

„Sie dient der Krone?"

„Im Bett?"

„Mein Gott, man muss dort seinen Beitrag leisten, wo es gerade notwendig ist."

„Ihr Männer habt sie ja nicht mehr alle!", fauche ich.

Ohne auf eine Antwort zu warten, lasse ich mein Pferd wieder zurückfallen. Ich bin verärgert. Ich finde es eine Zumutung, dass ein junges Mädchen einen alten Sack heiraten soll, den sie sich gar nicht selbst ausgesucht hat. Da kann mich auch das dumme Gerede, von wegen der Krone dienen, nicht besänftigen. Es geht um das Leben einer jungen Frau!

Lord Rasmus sagt nichts zu meinem Ausbruch. Ich bekomme nur mit, wie sein Kopf sich langsam immer weiter zu mir umdreht, je größer der Abstand wird. So bekomme ich seinen überraschten Blick mit. Was ihn so verwundert, kann ich allerdings nicht sagen.

Am Abend sucht Lord Rasmus einen geeigneten Lagerplatz und lässt die Gruppe absitzen. Die Männer sind ein eingespieltes Team. In Windeseile haben sie ein notdürftiges Lager aufgebaut und eine kleine Gruppe ist zum Jagen aufgebrochen. Bereits etwa eine Stunde später brutzeln ein Reh und mehrere Hasen über einem großen Lagerfeuer.

Das Lager an sich ist eher spartanisch. Die Pferde haben ihren eigenen Bereich. Sie werden nicht einfach an Bäume festgebunden. Sie bekommen vielmehr längere Seile, mit denen sie an Pflöcken angebunden werden, die man in den Boden geschlagen hatte. Die Tiere haben damit genügend Bewegungsfreiheit, um in Ruhe grasen zu können. Ein Mann hält ständig Wache bei den Pferden.

Das Lagerfeuer ist mit größeren Steinen ausgekleidet, damit es nicht entkommen und auf den Wald übergreifen kann. Doch sonst gibt es nicht viel, das ein Lager ausmachen könnte. Es wurden keine Zelte oder sonstige Unterstände aufgebaut. Die Ritter breiten ihre Decken an einer trockenen Stelle aus und legen sich darauf. Das zumindest erklärt mir einer von ihnen, als ich frage, wie das mit dem Schlafen funktioniert.

Da noch etwas Zeit ist, bis das Fleisch durchgebraten ist, mache ich mich auf den Weg zum nahegelegenen See. Den habe ich entdeckt als wir kurz zuvor daran vorbeigeritten sind. Wir lagern zwar nicht direkt am Ufer, aber bis zum Wasser sind es weniger als fünf Minuten zu Fuß.

Schon als ich den See gesehen habe, kam in mir der Wunsch auf, endlich wieder einmal ein ausgiebiges Bad zu nehmen. Doch als ich aus dem Lager gehen will, werde ich ausgebremst.