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Livias Lustblättchen

Geschichte Info
Teil 1: Italienisch für Fortgeschrittene.
31.3k Wörter
4.62
9.7k
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Es war schon 8:15 Uhr und ich war extrem spät dran. Ich befand mich in heller Aufregung, denn ich kam nie zu spät, sondern eher immer 10-15 Minuten zu früh. Ich hasse Unpünktlichkeit. Vor allem bei mir selbst. Ich hatte tatsächlich das erste Mal in den letzten zehn Jahren verschlafen, einfach meinen Wecker überhört, bis er es irgendwann scheinbar aufgegeben hatte, weitere Weckversuche zu unternehmen. Scheißteil. Einen neuen Wecker zu kaufen, der nach einer gewissen Zeit nicht einfach seine alarmierenden Geräusche abstellte und stattdessen vielleicht sogar eher die Eindringlichkeit und Lautstärke seines Klingelns steigern würde, sollte definitiv das Erste sein, was ich bei meiner Ankunft im Büro meiner To Do Liste für die Woche hinzufügen würde. Ich sprang in Windeseile unter die Dusche, zog mich an, sprang ins Auto und quälte mich dann durch den morgendlichen Berufsverkehr.

Ich wurde immer nervöser und gereizter (wozu ich beim Autofahren ohnehin neigte und das „Beste" in mir zum Vorschein brachte), da ich schon um 9:00 Uhr ein wichtiges Redaktionsmeeting hatte, bei dem ich unter keinen Umständen fehlen durfte. Denn ich war als Journalistin bei einer großen, bekannten Frauenzeitschrift (Oder auch ‚Klatschblatt' genannt) tätig. Glücklicherweise schaffte ich es noch gerade so und knallte um genau 8:57 Uhr, vollkommen außer Atem, mit noch angefeuchteten Haaren und einem bereits ziemlich hohen Stresslevel, meinen Mantel auf einen kleinen Teewagen, der in der Ecke des großen Konferenzraumes stand, und ließ mich mit sodann in einen der breiten Lederstühle am Konferenztisch plumpsen. Es war Anfang Dezember, es hatte gefroren und sogar ein wenig geschneit, sodass ich in der Fensterscheibe sehen konnte, dass meine langen, dunkelbraunen Haare mit dem leichten Mahagoni-Stich, von vielen kleinen Flocken und Eiskristallen übersät waren.

Ich schüttelte mich, vergrub mein Gesicht in meinen Schal und versuchte, wieder etwas mehr Gefühl in meine kalten Hände zu bekommen, indem ich sie aneinander rieb. Da ich in letzter Zeit (heißt in Wirklichkeit in den letzten 10 Monaten) mal wieder zu beschäftigt gewesen war, um mich um meine defekte Heizung im Auto zu kümmern, (was mit anderen Worten heißt, dass ich abgesehen von meinem Beruf oder wenn irgendwo wirklich Not am Mann ist, eine Meisterin im Aufschieben lästiger Dinge bin) war ich vollkommen durchgefroren, was meine Laune nicht gerade aufhellte und in mir schon eine leichte Vorahnung aufkommen ließ, dass dieser Tag nicht unbedingt meiner werden würde. Während sich alle noch angeregt über das Wochenende und irgendwelche Erlebnisse im Rahmen ihrer Recherchen unterhielten, packte ich, wie bereits nach dem Aufstehen vorgenommen, mein Notizbuch, welches mein ständiger Begleiter ist, aus und schrieb:

„Kalenderwoche 48 - To Do: 1) WECKER, 2) Autoheizung reparieren lassen *DENK NICHT MAL DRAN, ES AUFZUSCHIEBEN!*, 3) Handschuhe kaufen, die nicht nur schön aussehen, sondern auch tatsächlich warm sind". Allmählich bekam ich wieder etwas mehr Gefühl in meinen Körper und vernahm, dass sich inzwischen soweit alle Teammitglieder an dem rechteckigen, großen Tisch versammelt hatten. Jeden Montag um Punkt 9:00 Uhr fand unser Wocheneinklangs-Meeting statt, bei dem wir uns gegenseitig auf den aktuellen Stand der Dinge brachten, darüber sprachen, wie die vergangene Woche gelaufen war und ob jemand auf eine gegebenenfalls brandheiße Story gestoßen war, die er verfolgen wollte und wer sich im Laufe der Woche dann welchen Themen und Artikeln zuwenden würde. Die Branche war ein Haifischbecken und gerne herrschte ein rauerer Ton. Doch ich hatte mich daran gewöhnt und mir relativ schnell ein dickes Fell angelegt.

Das ging nicht anders. Wer das nicht tat, würde das Hauen und Stechen, welches allein bei den Team-Meetings teilweise von statten ging, nicht lange überleben, geschweige denn, sich im Konkurrenzkampf gegen Journalisten von anderen Zeitungen behaupten können. Man musste immer auf der Lauer liegen und durfte sich, selbst wenn jemand nett zu einem war, nicht dem Irrglauben hingeben, man säße im gleichen Boot und würde in seinen Kollegen Freunde finden. Sonst würde man entweder gehörig an der Nase herumgeführt oder einfach brachial niedergewalzt werden. Denn für ein freundschaftliches Betriebsklima mit Kollegen, die für einen auch mal richtig in die Bresche springen würden, war (außer wenn man sich einen absoluten Namen gemacht hatte) die Bezahlung zu schlecht, die Anzahl an schreibwütigen Mitstreitern zu groß und die karrieremäßigen Aufstiegschancen zu begrenzt.

Trotz dieser Widrigkeiten und dem Gefühl, eigentlich nie so richtig Feierabend zu haben, hatte ich mich nach dem Studium gut durchgeschlagen, viele Erfahrungen gesammelt und mir schließlich ein recht gutes Standing erarbeitet. Natürlich war das alles bei Weitem nicht ohne Rückschläge abgelaufen und so manches Mal habe ich darüber gegrübelt, ob ich wirklich den richtigen Beruf erlernt hatte. Doch sobald ich wieder auf den Beinen war und mich mit Menschen umgab, die mir ihre tiefgreifenden Geschichten erzählten, wusste ich wieder, warum ich meinen Job dennoch so liebte. Denn es ging für mich genau um diese Menschen, ihre Schicksale, ihre Fehler, ihre Vorzüge und ihre facettenreichen Persönlichkeitsstrukturen. Die Schattenseite war, dass man sich natürlich auch oftmals auf die Suche nach Schmutz in anderer Leute Leben begeben und regelrechte Detektivarbeit leisten musste. Eine Aufgabe, in der ich zwar ausgesprochen gut war, jedoch keinerlei Freude oder Genugtuung dabei empfand. Ganz im Gegenteil. Es war schon häufig vorgekommen, dass ich, um "gute Arbeit" abzuliefern, meine persönlichen moralischen Grenzen überschreiten musste.

Doch auch das gehörte nunmal dazu. Anders, als einige meiner Kollegen, war ich zufrieden mit dem, was ich war und was ich bislang mit meinen 38 Jahren erreicht hatte. Für mich musste es die Karriereleiter nicht wer weiß wie steil nach oben gehen, zumindest nicht zwanghaft. Ich hatte einen guten Posten, konnte viel in Eigenregie entscheiden, war natürlich keine Berühmtheit, aber in Fachkreisen durchaus bekannt für meine Artikel. Es gab mit Sicherheit Leute, die einen besseren Schreibstil hatten, noch kreativer waren, mehr Auslandserfahrung oder andere Benefits mit sich brachten. Doch ich hatte von Anfang an ein ziemlich gutes Gespür für Menschen im Allgemeinen, deren Körpersprache und wie man an sie herantreten musste, oder wie weit man bei ihnen gehen konnte, damit sie einem die Informationen lieferten, die am Ende zu einer geeigneten Geschichte werden würden.

Mein Näschen täuschte mich selten, wenn ich einmal Witterung aufgenommen hatte, was mir in Kombination mit meiner guten Auffassungsgabe, meinem journalistischen und zwischenmenschlichen Feingefühl, sowie meinem Talent, das Wesentliche aus einer Flutwelle an Informationen herauszufiltern, schon so manches Mal zu einer bahnbrechenden Story verholfen hatte. Genau die eine Person, die sich von Beginn meiner Einstellung an, strikt weigerte, meinen potenziellen Wert für das Magazin anzuerkennen, mich stets argwöhnisch beäugte und der es ganz und gar nicht schmeckte, wenn ich mein Talent unter Beweis gestellt hatte, richtete nun, in seiner gewohnt schroffen Art, das Wort an uns. Es handelte sich dabei um niemand geringeren, als um unseren Chefredakteur, der uns allen vorgesetzt war, in den meisten Belangen die letzte Entscheidungsgewalt hatte, mit Argusaugen über uns wachte/urteilte und dem von der obersten Chefetage leider die Handlungsmacht gegeben wurde, relativ autonom über personelle Veränderungen im Team schalten und walten zu dürfen. Sein Name war Gregor Ritter, er war 45 Jahre alt, verhielt sich manchmal wie 12 und sah, obwohl er an sich recht attraktive Züge hatte, aufgrund seiner permanenten Unzufriedenheit und dem Stress, den der Job mit sich brachte, bereits wie Mitte 50 aus.

Ich habe absolut kein Problem mit älteren Männern, auch jenseits der 50, und kann ihnen durchaus etwas reizvolles abgewinnen. Doch selbst wenn Gregor für irgendjemanden rein äußerlich zum Anbeißen gewesen wäre, so hätte er mit seiner Art zu sprechen und mit seinen Mitmenschen umzugehen, sofort jegliches Aufflammen einer erotischen Stimmung wieder gekippt. Anders, als sein Nachname es vielleicht zunächst vermuten lassen könnte, verhielt er sich definitiv nicht wie ein Ritter, der für andere kämpfte und ein edles Herz in seiner Brust pochen hatte. Die einzigen, Dinge, wofür sein Herz schlug, waren Erfolg, jeden „Untergebenen" seine Machtposition spüren zu lassen und natürlich alles, was mit Gregor Ritter selbst und seinem Vorankommen zutun hatte.

Nachdem das übliche Vorgeplänkel stattgefunden hatte und er alle einmal ein wenig in die Mangel genommen und neue Aufgaben verteilt hatte, wechselte auf einmal seine Gesichtsfarbe von leicht gerötet zu „Alarmstufe Rot", als er unverblümt in meine Richtung starrte und mich mit tobender Wut in den Augen, die mit Sicherheit nicht nur etwas damit zutun hatte, dass ihm irgendetwas an meiner Arbeit nicht gefallen hatte, an und blaffte mir gereizt vor versammelter Mannschaft entgegen: „Nun zu dir, Livia! Ich habe wirklich versucht, mir im Vorhinein zu überlegen, wie ich die Sache noch einigermaßen höflich ansprechen könnte. Aber scheiß drauf, man muss das Kind einfach beim Namen nennen und ich habe meinen Master nun mal nicht im Fach ‚Beschönigungen' gemacht! Was in Dreiteufelsnamen war da letzte Woche los? Wie konnte das passieren? Es ist mir ein Rätsel, auf das ich einfach keine Antwort finden kann. Ich weiß, ich bin für meine hohen Ansprüche, die dieses Magazin maßgeblich vorantreiben bekannt, was aber nicht heißt, dass man nicht mal einen Fehler machen oder daneben liegen kann.

Auch wenn ich es natürlich begrüße, wenn es einfach nicht passiert. Aber DAS, was du dir da geleistet hast, geht weit über das hinaus, was noch im Rahmen meiner Toleranzgrenze liegt! Wie kann es sein, dass wir vor allen anderen absolut geheime Hinweise (die uns weiß Gott genug gekostet haben) darüber erhalten haben, dass ein aufstrebender Bundestagsabgeordneter und stellvertretener Fraktionsvorsitzender einer der größten Volksparteien, seine Frau nach Strich und Faden belügt und betrügt, wir konkrete Informationen über Ort und Uhrzeit seines Treffens mit seiner jungen Affäre haben und du mit leeren Händen zurückkehrst?! Und dann sitzt du hier jetzt auch noch seelenruhig vor mir, ohne auch nur eine einzige Schweißperle auszustoßen oder zumindest nervös zu zucken, als wäre das alles halb so wild. Als hättest du lediglich ein paar Tippfehler in einem Artikel über den Neubau eines Kinderspielplatzes gehabt, was bei dem Durchschnitts IQ unserer Zielgruppe wahrscheinlich noch nicht mal irgendwem aufgefallen wäre!

Liegt es daran, dass du in der Vergangenheit ein paar glückliche Treffer gelandet hast und jetzt meinst, dich auf deinen Lorbeeren ausruhen zu können, weil du deiner Meinung nach solch einen Beitrag geleistet hast, dass du unantastbar wärst? Oder fehlt dir schlichtweg das Denkvermögen dafür, um zu begreifen, was du uns da durch die Lappen hast gehen lassen? Ich erkläre es dir nochmal ganz langsam: Einer der aktuell größten Stars am Polithorizont, der sämtliche Schwiegermütterherzen mit seinem bezaubernden Charme höher schlagen lässt und überall aalglatt mit seiner wunderschönen, liebenden Ehefrau auftaucht, die ihm bedingungslos seinen unbehaarten Rücken freihält, verarscht und demütigt genau diese von vorne bis hinten, indem er, um auch allen Klischees gerecht zu werden, ein wildes Verhältnis mit der Azubine seiner persönlichen Visagistin anfängt, die noch dazu mit ihren 18 Jahren so blutjung ist, dass sie noch nicht einmal ihren gottverdammten Abschluss in der Tasche hat!

Ich darf gar nicht darüber nachdenken, was das Ganze jetzt für Wellen schlagen wird. Und wir sind absolut unbeteiligt daran! Nicht mal eine einzige kleine Zeile oder irgendein Beweisfoto können wir vorlegen. Und wir hätten die ersten sein können, die überhaupt darüber berichten und den Stein somit erst so richtig ins Rollen bringen! Aber nein- nicht nur, dass du dich scheinbar so unvorsichtig verhalten hast, dass du alle anderen Aasgeier auch angelockt hast, du lässt sie auch noch an dir vorbeiziehen, sodass diese gerade noch rechtzeitig kommen, um an ihren benötigten Stoff zu gelangen, bevor der Lustmolch aufgeschreckt die Gefahr gewittert und dann bereits Schadensbegrenzung betrieben hat, sodass, als du dann endlich mit zerfetztem Gefieder angetrudelt kamst, kein brauchbares Material mehr zu holen war!"

Es herrschte eine Totenstille im Raum, sodass man selbst den tropfenden Wasserhahn in der Küche nebenan hatte vernehmen können. Manche schauten betreten zur Seite, andere wirkten fast schon leicht amüsiert oder schadenfroh und die Übrigen hatten weit die Augen aufgerissen und glotzten ungläubig und in aufgeregter Erwartung, was als nächstes geschehen und wie meine Reaktion auf das Gesagte aussehen würde, zwischen Gregor und mir hin und her. Dass seine Reaktion absolut respektlos und überzogen war und er ohnehin ein persönliches Problem mit mir hatte, war so ziemlich jedem im Raum insgeheim klar, sodass mich die Reaktionen meiner Kollegen allesamt kaltließen. Und auch wenn ich nach außen hin versuchte, meine gewohnte Souveränität zu wahren, tobte ich innerlich. Nicht weil er mich vor versammelter Mannschaft bloßgestellt hatte, sondern weil er sich ein derartig Unrechtes Urteil über mich erlaubte und mich in extremer Weise bei meiner Ehre gepackt hatte.

Ich blieb stumm, regungslos und starrte ihm mit ausdrucksloser Miene entgegen, um ihm wenigstens nicht noch die Genugtuung zu geben, mich eingeschüchtert oder eine sonstige Form der Schwäche zu zeigen. Seine Worte hatten bereits alles gesagt und er würde sich noch gewaltig umschauen. Misserfolge hatten mich schon immer nur noch mehr angespornt und zu Höchstleistungen vorangetrieben. Ich nahm mir fest vor, alles daran zu setzten, dass es auch dieses Mal so werden würde. Während Gregor sich wieder ein wenig beruhigt hatte und zur weiteren Tagesordnung überging, hörte ich schon gar nicht mehr richtig zu und ging in meinem Kopf bereits sämtliche wichtige Kontakte durch, die ich aktivieren könnte, die mir in der Vergangenheit so manches Mal wichtige Anhaltspunkte für eine gute Story geliefert hatten. Denn die musste jetzt her, wenn ich mich gezwungenermaßen, wieder reinwaschen wollte.

Natürlich war mir bewusst, dass die ganze Geschichte mit dem Artikel massiv in die Hose gegangen war, aber jeder, der auch nur ansatzweise Ahnung von der Branche hatte, wusste, dass so etwas auch den Besten und Gründlichsten passieren konnte. Ich war einen Moment lang zu vorsichtig gewesen, da ich den richtigen Moment abpassen und den betrügenden Ehemann nicht aufschrecken wollte. Zumal dieser auch ausgesprochen gut bewacht wurde und nur selten ungestört anzutreffen war. Schon mal gar nicht mit seiner Geliebten im Schlepptau. Und dann hatte ich leider Gottes den richtigen Moment verfehlt. Einfach riesengroßes Pech gehabt. So läuft es eben manchmal, auch wenn man es sich noch so anders wünscht. Als die Sitzung beendet war, schickte unser Chefredakteur alle wieder mit ihren fortlaufenden oder neuen Aufträgen an die Arbeit, bat mich allerdings (wie sollte es auch anders sein), noch auf ein Wort zu bleiben.

Letzte mitleidige und neugierige Blicke meiner Arbeitskollegen trafen mein Blickfeld, ehe alle den Raum verlassen hatten und Maria, unsere Teamälteste, die vornehmlich für die Aufbereitung von Unfallmeldungen zuständig ist, streng - mütterlich den Kopf über Gregor schüttelte, ehe sie als Einzige so viel Anstand besaß, die Türe des Konferenzraumes zu schließen, um mir die Situation nicht noch unangenehmer zu machen, als sie es ohnehin schon war. Als wir daraufhin alleine waren, hievte Gregor sich aus seinem Chefsessel am Kopfe des Tisches und setzte sich dann mit überschlagenen Beinen und verschränkten Armen, was schon ganz klar seine Abwehrhaltung mir gegenüber unterstrich, vor mir auf den Tisch und blickte auf mich herab. Ich hasste es, wenn Leute das taten und einem, im wahrsten Sinne des Wortes, nicht respektvoll auf Augenhöhe begegneten, sondern sich in eine erhobene Position brachten, um ihre Erhabenheit noch zu verdeutlichen. Ich versuchte ruhig zu bleiben und mich mit dem Gedanken zu trösten, dass er einfach ein armseliges, einsames, kleines Würstchen war, das nur seinen Job hatte und dort so richtig die Sau rauslassen musste, weil es sonst keinen Bereich in seinem Leben gab, mit dem es zufrieden war und irgendeine Form der Macht verspüren konnte.

Widerwillig sah ich ihm mit einem standhaften, aber gleichzeitig absolut emotionslosen Blick in seine dunkelbraunen, beinahe schwarzen Augen. Ich konnte ihm ansehen, wie er sich noch einmal sammelte und sich seine Worte gedanklich zurechtlegte, ehe er seine kurz unterbrochene Hasstirade fortsetzte: „So, da du dich ja in Stillschweigen gehüllt hast und ich deine wahren Gedankengänge nur mutmaßen kann, wollte ich unser Gespräch nochmal unter vier Augen fortsetzen, um sicherzustellen, dass du den Ernst der Lage, bzw. deiner Lage wirklich begreifst. Wenn es nach mir ginge, wärst du erst gar nicht eingestellt worden. Dein eigenartiger Rausschmiss, trotz deines hervorragenden Uniabschlusses und deiner vielversprechenden ersten Gehversuche bei einem namenhaften Magazin, bei deinem vorherigen Arbeitgeber, hat doch einen eigenartigen Beigeschmack bei mir hinterlassen.

Natürlich, die offizielle Geschichte lautet, dass es Ärger mit deinem Vorgesetzten gegeben hat, weil er dich angeblich sexuell belästigt hat, weshalb man mit diesem Thema natürlich sensibel umgehen und sich vorsehen muss, bei wem man es sich überhaupt wagt, gewisse Zweifel hinsichtlich dieser kleinen Geschichte zu äußern. Die ganze Sache hat schließlich echte Wellen geschlagen und gefühlt jedes weibliche Wesen hat sich natürlich auf deine Seite geschlagen, einschließlich der Frauen in unserer obersten Führungsebene. Mich macht es jedenfalls stutzig, dass es ein ziemlich offenes Geheimnis war, dass du dich mit einem deiner erfahreneren Arbeitskollegen von Zeit zu Zeit durch die Laken gewühlt hast, was als Neuling in dem Business bestimmt auch mit anderen Vorteilen für dich einhergegangen ist und es demnach nicht unbedingt fernliegend ist, dass du vielleicht deinem Chef ebenfalls versucht hast, schöne Augen zu machen, um schneller die Karriereleiter hochzukraxeln, dieser dich dann abgewiesen hat und du dir daraufhin deine eigene Story zurechtgelegt hast. Wer weiß schon, wie es wirklich abgelaufen ist und die Wahrheit darüber wird man niemals erfahren.

Du kannst jedenfalls von Glück reden, dass du zu dem Zeitpunkt einige Volltreffer mit deinen bisherigen Artikeln gelandet hast und hinzukam, dass den betagteren Damen in unserer Führungsriege, die nunmal leider Gottes die Endentscheidungen fällen, die Milch bei deiner emotionalen Geschichte eingeschossen ist und sie sich daraufhin vor dich geschmissen haben, wie eine Löwenmutter vor ihr Junges, sodass meine Bedenken hinsichtlich deines Talents und deiner Einstellung bei uns irrelevant waren. Selbst als du in der Vergangenheit hier und da mal ins Klo gegriffen hast und ich schon dachte, dass das als Indiz dafür ausreichen würde, dass du und deine Fähigkeiten vielleicht maßlos überschätzt wurden, haben sie noch das Händchen über dich gehalten und damit argumentiert, dass jeder mal daneben liegen kann und du überwiegend tolle Ergebnisse lieferst und das Magazin bereits um einige großartige Artikel bereichert hättest, sodass ich wieder keine Handhabe hatte. Aber lass dir eines gesagt sein: Wir sind hier kein Auffangbecken für Problemfälle, die woanders ohnehin keine Schnitte hätten und sich trotzdem aber gerne mal ein wenig kreativ ausleben wollen. Wir sind ein ernstzunehmendes Blatt mit einer großen Leserschaft, somit sind Halbherzigkeiten und irgendwelche Unruhestiftereien hier definitiv fehl am Platz. Vor allem in deiner beinahe unverschämten Gehaltsklasse.