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Magische Welten 04

Geschichte Info
Das ist nun der vierte und letzte Teil der Reihe.
67.1k Wörter
4.69
24.4k
12
Geschichte hat keine Tags

Teil 4 der 4 teiligen Serie

Aktualisiert 06/11/2023
Erstellt 05/27/2022
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Magische Welten 4

Die kämpfende Königin

Kapitel 1 -- Der Tresor

„Vera, was ist das für bloß für ein sonderbares Summen?", will Serios wissen.

„Keine Ahnung, ich glaube das kommt von dem komischen Tresor, den bisher keiner in der Lage war zu öffnen", antworte ich.

Jetzt, da Serios mich darauf aufmerksam macht, fällt auch mir auf, dass dieses sonderbare Geräusch in der Luft liegt. Dank meines sensibleren Gehörs kann ich schneller lokalisieren, wo es herkommt. Ich bin überrascht, dass es ausgerechnet von diesem nutzlosen, alten Ding kommt. Bisher war ich immer der Meinung, der Tresor sei so ein vergessenes Ding, das irgendwann jemand mit Magie verschlossen hat, damit keiner ihn öffnen kann. Keine Ahnung warum. Ihn wegzuschmeißen hatte ich dann aber doch nicht den Mut, weil ich nicht weiß, was drinnen ist. Meinen Vorgängerinnen ging es vermutlich ähnlich. Außerdem stört er nicht und ist vermutlich auch deshalb geblieben.

Es rankt sich zwar eine Legende um den Tresor, die von einem verschollenen Portal zu einer uns unbekannten Welt fantasiert. Dabei ist auch die Rede von diesem alten Ding. Aber leider wird dabei nicht erzählt, welchen Sinn das olle Teil haben soll und was sich darin befindet, das so enorm wichtig ist, dass es die Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte überdauern soll.

Wie jedes Kind habe natürlich auch ich diese Legende in der Schule gelernt. Eine Königin des Schattenreiches - ich glaube die hieß Amy oder so ähnlich - soll ein Portal verschlossen haben. Warum weiß keiner und wie man es wieder öffnen könnte, davon ist auch nicht die Rede. Es handelt sich wohl eher um ein erfundenes Heldenepos. Diese Amy soll nämlich ausgesprochen mutig gewesen sein und sehr viel für ihr Volk getan haben. In anderen Legenden ist von zwei weiteren, großen Königinnen die Rede. Aurora hieß eine, das konnte ich mir merken, weil so in einer ganz alten Sprache die Morgenröte heißt. An den Namen der zweiten dieser Königinnen, kann ich mich heute nicht mehr erinnern.

Serios geht auf den Tresor zu und beäugt ihn misstrauisch. Seine ganze Körperhaltung zeigt, dass er Angst hat. Ich frage mich nur, wovor. Er streckt ganz vorsichtig die Hand aus, zögert noch einen Moment und berührt ihn dann ganz ängstlich. Zunächst nur mit der Spitze eines Zeigefingers, dann legt er alle Fingerkuppen drauf und schließlich die ganze Hand.

„Komm, versuchen wir ihn zu öffnen", schlage ich vor und mache einen Schritt drauf zu.

„Sei vorsichtig, wer weiß, was das für ein Ding ist."

„Jetzt mach dir nicht in die Hose. Das ist ein Tresor. Was soll da schon gefährlich daran sein?"

„Er vibriert. Das ist doch komisch. Ein Tresor vibriert doch nicht?", meint er.

Entschlossen trete ich direkt vor den Tresor. Ich will jetzt endlich selbst nachschauen, was es damit auf sich hat. Ich bin neugierig und das zaghafte Vorgehen von Serios nervt mich. Ich bin eine Frau der Tat und nicht so ein Hosenscheißer wie er. Ich greife also direkt auf den Hebel, mit dem man den Tresor öffnen kann.

„Vera, sei vorsichtig!", warnt mich Serios voller Sorge.

„Jetzt hab dich doch nicht so. Du hast ja selbst gesagt, das Ding vibriert nur", beruhige ich ihn.

Zu meiner Überraschung lässt sich der Verschluss drehen und die Tür springt auf. Ich habe das als Kind immer wieder versucht. als kleines Mädchen hat mich dieses alte Ding natürlich fasziniert, das hier einfach herumstand und keiner mir sagen konnte, wozu es überhaupt da war. Doch öffnen ließ sich der Tresor bisher nie. Warum dann heute?

Der Safe ist innen überraschend geräumig. Er geht weit in die Wand hinein. Trotzdem liegen nur drei Bücher und ein Brief drinnen. Ohne Bedenken nehme ich alles heraus und lege es auf meinen Schreibtisch. Den ängstlichen Blick von Serios ignoriere ich.

Ich halte mich oft in meinem Büro auf und Serios, mein Freund, schimpft immer wieder mit mir, weil ich nicht hinaus ins Freie gehe. Doch in diesem Raum fühle ich mich wohl. Meine Vorgängerinnen hatten ihn nicht mehr genutzt und ihn zur Abstellkammer verkommen lassen. Auch meine Mutter hat ihm keine Bedeutung beigemessen. Dabei hat er auf mich immer schon eine ganz eigene Anziehung ausgeübt. Als Kind habe ich mich öfters in unbeobachteten Momenten hierhergeschlichen. Hier soll sich bereits vor hunderten von Jahren das Büro der Königin befunden haben, weil man sich hier ganz nahe am Thronsaal befindet. Dies hat mich neugierig gemacht. Als Kind habe ich hier Königin gespielt. Wenn das meine Mutter wüsste!

„Was hast du denn da?", erkundigt sich Serios.

„Drei Bücher und einen Brief."

„Was für einen Brief?"

„Er ist an die Königin des Schattenreiches gerichtet. Das zumindest steht drauf."

„Woher kommt dieser Brief?"

„Mann, du nervst, woher soll ich das wissen?"

„Hat er einen Absender?"

„Absender hat er keinen, aber er trägt das Siegel der Krone."

„Wie das?"

„Das werde ich wissen, wenn ich ihn gelesen habe", antworte ich genervt. „Mann, du kannst einem aber auch auf den Geist gehen."

„Wenn du das so siehst, dann kann ich ja auch gehen. Ich muss sowieso zum Heer, um dort nach dem Rechten zu schauen."

„Ja, mach das."

Serios verlässt beleidigt den Raum. Ich blicke noch einige Zeit auf die bereits geschlossene Tür, durch die er verschwunden ist. Serios ist ein netter Mensch, aber als Partner fürs Leben taugt er vermutlich nicht, zumindest nicht für mich. Irgendwie fühle ich mich ihm gegenüber schlecht. Ich halte ihn mir zwar als Freund, aber eigentlich nur, um meine Ruhe vor den zahlreichen Verehrern zu haben.

Als Kronprinzessin und seit wenigen Wochen sogar Königin des Schattenreiches bin ich eine von vielen Männern begehrte Frau. Selbst jetzt noch, wo doch bekannt ist, dass ich einen Freund habe, versuchen immer wieder Männer, meine Gunst zu erlangen. Früher, als ich offiziell noch Single war, konnte ich mich vor Verehrern gar nicht mehr retten. Da kam mir irgendwann die Idee, Serios als meinen Freund zu erwählen und so meine Ruhe zu haben.

Er ist in meinen Händen weich wie Butter. Er tut alles, was ich ihm sage und er beklagt sich auch nicht, dass wir nur selten kuscheln. An mehr ist sowieso nicht zu denken. Aber auch das nimmt er hin und gibt sich mit den wenigen Momenten zufrieden, in denen ich eine Schulter zum Anlehnen brauche.

Ich halte ihn hin, ich weiß. Manchmal komme ich mir schäbig vor, weil ich ihm das antue. Aber er war und ist der ideale Kandidat für ein solches Spiel. Er stellt keine Ansprüche und mir zu widersprechen, traut er sich sowieso nicht. Ich weiß nicht, ob auch ihm klar ist, dass aus uns nie etwas Ernstes werden kann, das bei mir irgendwann der Richtige kommt und ich ihn verlassen werde. Dieser Tag wird kommen, da bin ich mir sicher. Aber er kommt mit Sicherheit noch nicht so schnell.

Ich werde aus meinen Gedanken gerissen, weil sich meine Aufmerksamkeit wieder dem Brief zuwendet. Es ist das Wappen der Königinnen, das Wappen des Hauses von Siryn. Ich will das Siegel schon brechen, da entscheide ich mich anders. Ich nehme den Brief in die Hand und lasse die Bücher auf meinem Schreibtisch liegen. Dann gehe ich hinaus in den Garten. Die Sonne scheint so schön und ich schreite langsam und nachdenklich an den Rosenstöcken entlang zu einer kleinen Grünfläche. Das Ziel ist eine Sitzbank, die am Rande dieser Fläche steht und einen herrlichen Überblick über den Garten ermöglicht.

Plötzlich habe ich den Eindruck, als würden sich die Rosen verneigen. Was? Das ist doch nicht möglich. Vermutlich habe ich nur eine Bewegung falsch interpretiert. Sicher war es nur ein Wind, der die Rosen ein wenig gebeugt hat, sodass der Eindruck entstanden ist, als würden sie sich verneigen. So ein Blödsinn! Allein schon, dass ich darüber nachdenke, ist albern. Ich bin schon oft hier entlang geschlendert und noch nie haben sich die Rosen auch nur einen Millimeter bewegt. Warum also sollten sie es jetzt tun? Etwa wegen des Briefes? Absurd!

Ich gehe auf meine Lieblingsbank zu, auf der ich mich manchmal niederlasse, wenn ich nachdenken will. Früher saß ich öfters hier. Aber, seit meine Mutter abgedankt und mir den Thron überlassen hat, habe ich nur noch sehr selten dafür Zeit.

Ich blicke noch einmal hinauf in die Sonne und lasse die Strahlen auf meine Haut scheinen. Ich schließe die Augen und genieße die Wärme und vor allem auch den Moment der Ruhe. Doch heute ist irgend etwas anders. Ich habe den Eindruck, ich würde eine Macht um mich herum fühlen, die ich so noch nie wahrgenommen habe.

Was ist denn heute mit mir los? Ich bin etwas neben der Spur. Zuerst die Rosen, von denen ich den Eindruck habe, sie würden sich verneigen, dann diese Macht, die ich zwar nicht greifen kann, die aber da zu sein scheint. Oder bilde ich mir das alles nur ein?

Ich schüttle diese Gedanken ab und nehme erneut den Brief zur Hand. Alles unwichtig! Ich wollte den Brief lesen. Dazu bin ich hierhergekommen. Diesmal breche ich das Siegel und entfalte das Papier. Es scheint ein sehr altes und sehr vornehmes Pergament zu sein. So etwas findet man seit Jahrzehnten nicht mehr. Voller Spannung beginne ich zu lesen.

Liebe Königin,

ich hoffe, das Schattenreich ist immer noch ein blühendes Land, in dem es den Bewohnern gutgeht und sich alle wohlfühlen. Das war mir immer ein Anliegen und ich hoffe, meine Nachfolgerinnen haben diese Verantwortung auch immer gespürt.

Ich fürchte, du bist jetzt ein wenig verwirrt. Du weißt nicht genau, was du mit diesem Brief anfangen sollst. Du bist die Königin und doch hältst du einen Brief mit dem königlichen Siegel in der Hand. Lass mich erklären!

Da du 500 Jahre nach mir lebst, wirst du wahrscheinlich nicht mehr viel darüber wissen, was zu meiner Zeit passiert ist und was ich gemacht habe. Warum ich weiß, dass seitdem so viele Jahr vergangen sind? Ganz einfach! Ich habe den Tresor mit einem Zauber belegt, damit er erst wieder aufgeht, wenn diese Zeitspanne verstrichen ist. Das ist nun offenbar der Fall.

Ich bin Königin Amy von Siryn. Ich habe diesen Brief und die drei Bücher in den Safe gelegt, ihn verschlossen und mit Magie belegt. Der Grund liegt darin, dass erst nach dieser Zeit diese Informationen die Königin des Schattenreiches erreichen sollen.

Es gibt Portale, die wir im Einvernehmen geschlossen haben. Wir, das sind Luna die Vorsitzende des Rates des Drachenlandes, Vivaren die Vorsitzende des Rates aus dem Land der wilden Drachen und ich als Königin des Schattenreiches. Vermutlich ist inzwischen aus den beiden Reichen von Luna und Vivaren ein einziges geworden. So zumindest sah der Plan der beiden aus, die auch heiraten wollten.

Der Grund, warum wir diese Portale, die zur Welt der Menschen führen, dauerhaft geschlossen haben, ist, dass die Bewohner die Welt hinter den Portalen, ihre eigene Umwelt und damit ihre Lebensgrundlage zunehmend zerstört haben. Luftverschmutzung und negative Auswirkungen sind bereits weit fortgeschritten und es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis es zur Katastrophe kommt. Die Sorge, diese könnte auch Auswirkungen auf die Reiche diesseits der Portale haben, hat uns dazu bewogen, uns abzuschotten und die Welt und die Menschen sich selbst zu überlassen.

Das kann auf den ersten Moment hart und feige klingen. Aber selbst ich habe keinen anderen Ausweg gesehen. Ich stamme nämlich selbst aus dieser Welt auf der anderen Seite des Portals. Ich wurde dort geboren und bin dort aufgewachsen. Aber selbst ich habe inzwischen die Hoffnung aufgegeben, dass der Mensch zu retten ist. Ich sage bewusst der Mensch, da ich davon überzeugt bin, dass die Welt an sich, die bevorstehende Katastrophe überstehen wird. Sie wird sich verändern, das ist mir klar. Sie wird nicht mehr so sein, wie jetzt. Vor allem aber wird es dann keinen Platz mehr für den Menschen geben. Seine Zukunft ist ungewiss. Aber die Natur an sich erholt sich von vielem, auch vom Menschen und seinem Frevel.

Auf dem Blatt, das ich diesem Brief beigelegt habe, findest du eine genau Beschreibung, wo sich die Portale befinden, und ich verrate dir auch, wie du sie wieder öffnen kannst. Ich würde mir wünschen, du stehst noch in Kontakt mit den anderen Reichen und ihr stellt gemeinsam eine Expedition zusammen, um eines dieser Portale zu öffnen und nachzuschauen, wie es auf der anderen Seite aussieht.

Ich habe dir auch drei Bücher in den Safe gelegt. Darin erfährst du die Geschichten von Aurora, von Siena und von mir, wobei in meinem Fall nur die Geschichte erzählt wird, bis ich den Safe geschlossen habe. Was ich danach alles noch erleben werde, kann ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht aufschreiben.

Du wirst dich möglicherweise wundern, wie wir damals gelebt und regiert haben. Ich habe ja keine Ahnung, wie sich die Reiche entwickelt haben. Ich kann dir aber eines versichern, es waren gute Jahre.

Nun wünsche ich dir viel Erfolg und ein langes, erfülltes Leben

Deine Amy von Siryn

Ich starre wie abwesend auf den Brief, einen Brief aus der Vergangenheit. Kann das wirklich wahr sein, dass die Königin, die ich nur für eine Legende gehalten habe, mir einen Brief geschrieben hat? Und das offenbar vor inzwischen 500 Jahren. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll.

Beinahe körperlich fühle ich, wie mich in diesem Moment die Macht verlässt, die ich noch bis eben so intensiv wahrgenommen habe. War etwa diese Amy mir tatsächlich auf eine mir unbekannte Weise nahe?

Erst jetzt überlege ich, was der Inhalt dieses Briefes mir sagen will. Außer dem Land der Drachen, zu dem wir ein ausgezeichnetes Verhältnis pflegen, gibt es noch eine weitere Welt, ein anderes Reich. Warum weiß davon niemand? Andererseits, so überlege ich, wenn die Portale dorthin tatsächlich vor so langer Zeit geschlossen wurden, dann haben die Leute dies wohl genauso vergessen, wie das Andenken an Königin Amy.

Ich sollte mich etwas mehr um die Ahnenforschung kümmern. Vermutlich hängt ein Bild von dieser Amy in der Galerie der Königinnen. Aber, auch wenn mir ihr Gemälde früher einmal aufgefallen wäre, wie hätte ich wissen sollen, dass es sich bei ihr um eine der Königinnen aus der Legende handelt. In der Galerie hängen unzählige Bilder mit sehr vielen Königinnen, welche die unterschiedlichsten Namen tragen. Wer achtet beim Vorbeigehen schon darauf? Schon als Kind bin ich immer nur daran vorbeigelaufen und das ist irgendwie auch so geblieben.

Nach dem, was ich in dem Brief gelesen habe, bin ich natürlich neugierig geworden und überlege, was ich als nächstes machen sollte. Deshalb mache ich mich erst einmal auf den Weg in mein Büro. Ich betrete noch immer in Gedanken versunken den Raum, als mir die drei Bücher ins Auge fallen. Ich nehme eines nach dem anderen zur Hand und betrachte sie. Der Titel ist immer gleich. „Magische Welten", steht in goldenen Lettern auf dem Deckblatt. Darum herum rankt sich ein Drache. Unterschiedlich ist nur die Nummer des jeweiligen Bandes. Sie sind von eins bis drei nummeriert.

Was habe ich mir für heute vorgenommen? Ich wollte die Schneiderei aufsuchen, um neue Kleider in Auftrag zu geben. Das ist nicht wichtig, das kann ich auch verschieben. Ich schicke eine Wache zur Schneiderei, um dort Bescheid zu sagen, dass ich nicht komme.

Als dies erledigt ist, nehme ich voller Erwartung den Band mit der Nummer eins zur Hand, setze mich in den gemütlichen Sessel vor dem Kamin und beginne zu lesen. Schon bald hat mich die Geschichte ganz in ihren Bann gezogen und ich vergesse vollkommen die Zeit. Es ist bereits Abend, als ich die letzte Seite erreiche und das Buch schließe. Es war, wie eine Sucht. Ich konnte nicht absetzen.

Die neuen Erkenntnisse schwirren in meinem Kopf herum. Was ich über das Reich und Königin Aurora erfahren habe, deckt sich teilweise mit den Legenden, einige Teile sind mir aber vollkommen neu. Sie muss eine unglaublich beeindruckende Frau gewesen sein.

Zahlreiche Gedanken schwirren mir im Kopf herum. Aber da sich bei mir auch der Magen meldet, mache ich mich auf den Weg ins Speisezimmer. Noch immer in Gedanken versunken mache ich mich über das Essen her.

„Vera, hast du mir zugehört?", will Anna, die Kanzlerin, wissen.

„Wie? Was? Hast du etwas gesagt?", frage ich überrascht.

„Ich habe gefragt, ob du heute schon etwas geplant hast", lächelt sie unsicher.

„Geplant? Wie geplant?"

„Ob du für den Abend schon etwas vorhast."

„Ich?"

„Natürlich du, wer sonst? Was ist denn heute mit dir los? Du bist völlig abwesend. Das kenne ich nicht von dir."

„Ich bin heute nur etwas müde. Ich glaube, ich werde früh schlafen gehen."

Ich esse schweigsam weiter, während die anderen um mich herum plaudern und scherzen. Geistig bin ich nicht anwesend. Ich hänge noch immer in der Zeit von Aurora fest.

Nach dem Essen mache ich mich auf den Weg. Ich hole schnell in meinem Büro die drei Bücher und begebe mich in mein Zimmer. Dort setze ich mich in meinen Lesesessel und nehme Band zwei zur Hand.

Erneut tauche ich ein in eine wunderbare Welt. In verschiedenen Details finde ich mich wieder, wenn ich an den Zugang zum hinteren Teil des Landes der Drachen denke oder an die Wüste, welche sich zwischen den Gebieten des Schattenreiches und dem Land der Drachen erstreckt.

Auch ich habe die Drachenreiterschule besucht. Nur die Hütte von Gordin ist mir kein Begriff. Dafür kenne ich die magischen Wesen und den Geheimgang. Auch mich hat Mutter mit 16 durch diesen Tunnel in eine für mich völlig unbekannte Welt geführt. Als ich dort ihrem Drachen begegnet bin, habe ich mich ganz schön erschrocken.

Anders als bei Siena hat mich meine Mutter nicht zu diesem Gordin, sondern direkt zur Drachenreiterschule gebracht. Erst dort bin ich meinem Drachen begegnet. Auch er ist ein Schattendrache und heißt Orion.

Ich habe meine drei Jahre an der Schule absolviert. Besondere Ereignisse oder Abenteuer habe ich dort leider nicht erlebt. Da war es zu Zeiten von Aurora und Siena wohl noch ein wenig aufregender.

Klar ist mir auch, dass es auch bei den Aufgaben der Königin einige Änderungen gegeben hat. Die Audienzen gibt es heute noch, aber Gericht halten muss ich nicht mehr. Wir haben einen eigenen Richterstand, der diese Aufgabe übernommen hat. Auch die Gesetze werden nicht mehr von der Königin erlassen, sondern von einem Parlament, das vom Volk gewählt wird. Die Königin kann allerdings Gesetze vorschlagen und ich habe die Möglichkeit, Gesetze auch zu blockieren, obwohl sie vom Parlament genehmigt wurden. Wenn ich nicht damit einverstanden bin, tritt die Bestimmung nicht in Kraft.

Es ist fast Mitternacht als ich den zweiten Band zur Seite lege. Nur kurz überlege ich, ob ich schlafen gehe oder mir gleich den nächsten reinziehe. Lange brauche ich nicht, nachzudenken. Ich bin zu neugierig und greife nach Band drei.

Diesmal geht es um Amy, um die Königin, die mir den Brief geschrieben hat. Kaum, dass mir klar ist, dass es um die Königin geht, welche mit mir direkt in Kontakt getreten ist und mit der ich es nun, wenn auch mit einer großen zeitlichen Distanz, zu tun habe, sauge ich die Informationen noch begieriger in mich hinein. Ich will wissen, mit wem ich es zu tun habe.

Als ich etwa drei Stunden später auch dieses Buch aus der Hand lege, sacken augenblicklich meine Lider zu und ich schlafe im Sessel ein. Ich träume davon, in einer Höhle zu sein, in der in zahlreichen Nischen Sarkophage stehen. Offenbar ist es erneut in Vergessenheit geraten, die Königinnen dort zu beerdigen. Mich würde interessieren, wann dies geschehen ist und warum.

Kapitel 2 -- Auf Spurensuche

Am Morgen erwache ich in meinem Sessel. Vorsichtig recke und strecke ich mich. Obwohl ich erwarte, Schmerzen zu haben, weil ich im Sitzen eingeschlafen bin, fühle ich mich überraschend fit. Nach einem ausgiebigen Besuch im Bad mache ich mich auf den Weg zum Frühstück.

„Hallo Vera, guten Morgen. Bist du heute ausgeschlafen?"

„Ja, warum?"

„Gestern warst du ganz schön neben der Spur", meint Anna.

„Ich weiß. Was steht heute auf dem Programm?"

„Um 10 Uhr die Audienzen und danach wollten wir uns die Projekte für neue Kindergärten anschauen."