Swipe, um zu sehen, wer jetzt online ist!

Magische Welten 04

ÖFFENTLICHE BETA

Hinweis: Sie können die Schriftgröße und das Schriftbild ändern und den Dunkelmodus aktivieren, indem Sie im Story-Infofeld auf die Registerkarte "A" klicken.

Sie können während unseres laufenden öffentlichen Betatests vorübergehend zu einem Classic Literotica® Erlebnis zurückkehren. Bitte erwägen Sie, Feedback zu Problemen zu hinterlassen oder Verbesserungsvorschläge zu machen.

Klicke hier

Den Nachmittag verbringe ich damit, dem Mädchen alles zu zeigen. Besonders vom Thronsaal ist sie schwer beeindruckt. Sehr schüchtern erkundigt sie sich bei mir, ob sie sich kurz auf meinen Thron setzen darf, was ich ihr natürlich erlaube und das Mädchen damit zum Strahlen bringe. Als wir auf dem Rückweg sind und durch den Tunnel gehen, bleibt sie plötzlich stehen.

„Tante Vera, warum hast du mich ausgesucht und mir deine Welt gezeigt?"

„Weil ich dich für ein kluges Mädchen halte, das eines Tages ganz, ganz wichtig für sein Volk ist."

„Du traust mir das wirklich zu?"

„Ja, das traue ich dir zu."

„Danke, dass du an mich glaubst. Bisher war ich immer das dumme kleine Mädchen. Bevor du gekommen bist, waren Frauen bei uns nicht besonders gut angesehen. Da mein Vater im Kampf gegen eine andere Gruppe gestorben ist, war meine Mutter allein und hatte zu allem Überfluss auch noch ein Mädchen. Keiner wollte uns haben."

„Deshalb hast du dir so große Sorgen um deine Mutter gemacht", stelle ich fest.

„Ich habe doch nur sie."

„Und jetzt auch noch mich", lächle ich sie an.

Ganz spontan und für mich überraschend, umarmt mich das kleine Mädchen. Sie wirkt auf mich schon unglaublich erwachsen. Vermutlich musste sie auch schneller erwachsen werden, in der Situation, in der sie und ihre Mutter sich befanden. Ich nehme mir vor, mich gut um die Kleine zu kümmern.

„Ich bin für dich da. Ich bin deine Tante", versichere ich.

Ich kann trotz des schwachen Lichts in diesem Tunnel das Glitzern einer Träne in ihren Augen erkennen. Es rührt mich bis tief ins Herz.

„Nicht weinen", sage ich.

„Es sind Tränen der Freude. Ich habe mir immer eine Tante wie dich gewünscht."

„Komm, lass uns zurückfliegen. Morgen müssen wir mit den anderen Kindern ins Schloss und dann beginnt der Ernst des Lebens."

„Werden wir im Schloss wohnen?"

„Ihr werdet an Werktagen im Schloss wohnen und am Wochenende bringe ich euch zurück. Mit der Zeit könnt ihr auch alleine fliegen. Orion wird euch sicher von der einen in die andere Welt bringen."

„Darauf kannst du dich verlassen", meldet sich mein Drache.

„Ich weiß."

Kapitel 22 -- Thomas

„Beeil dich, gleich beginnt der Unterricht", treibe ich Noemi an.

Sie wohnt nun bei mir im Zimmer. Sie hat mich mit ihrem Welpenblick so lange angeschaut und mich gefragt, ob sie nicht doch bei mir schlafen könnte, dass ich es nicht übers Herz gebracht habe, ihr diesen Wunsch abzuschlagen. Ich sei schließlich ihre Tante, hat sie gemeint. Wie soll man da Nein sagen?

Inzwischen liegt die erste Woche Unterricht hinter den Kindern. Ich habe gestern mit den beiden Lehrerinnen gesprochen, die ich für die Ausbildung der Kleinen abgestellt habe. Alle sind fleißige Schüler. Doch Noemi hebt sich durch Intelligenz und Eifer deutlich von den anderen ab.

Die ganze Woche über bin ich mit ihr am Abend in die magische Welt geschlichen und wir haben dort bei Gordins Hütte Kampftraining gemacht. Am letzten Abend kam Horx vorbei und hat sich auf die Bank vor dem Haus gesetzt.

„Es ist, wie in alten Zeiten", meinte er. Mehr sagte er aber nicht.

Noemi ist inzwischen fertig und ich bringe sie schnell zum Klassenzimmer. Anschließend mache ich mich auf den Weg zur Audienz. Diese ist heute besonders langweilig. Deshalb mache ich mich am Nachmittag auch mit Begeisterung über die verschiedenen Projekte her, die Anna vorbereitet hat. Ihr liegt die Entwicklung der entlegeneren Gebiete besonders am Herzen und ich bin von ihrer Arbeit mehr als begeistert.

„Mach weiter. Das ist alles perfekt", lobe ich sie. „Ich mache mich mit den Kindern auf den Weg in die Welt der Menschen."

„Kommst du heute noch zurück?", will sie wissen.

„Ich kann es noch nicht sagen."

Ich weiß es wirklich noch nicht. Eine innere Stimme sagt mir, ich sollte etwas mit Thomas unternehmen. Wir haben uns in den letzten Tagen kaum gesehen, weil er meist unterwegs war, wenn ich in der Welt der Menschen zu Besuch war.

„Nimm dir ruhig etwas Zeit, auch für dich", meint sie.

Anna scheint zu wissen, was mich bewegt. Sie lächelt wissend. Da die Kinder kommen, werden wir jedoch unterbrochen und das Gespräch ist damit zu Ende. Trotzdem haben wir beide uns verstanden.

Gemeinsam mit den Kleinen mache ich mich auf den Weg durch den Geheimgang, wo bereits Orion wartet. Die Kinder und mich kann er locker tragen, vor allem weil die Strecke nicht weit ist.

Es war damals eine echt gute Idee gewesen, Noemi zuerst den Drachen zu zeigen. Sie hat ihre Freunde ermutigt, auf Orion zuzugehen und ist sofort auf seine Vorderpfote gestiegen, als er sie ihr hinhielt. Nach kurzem Zögern folgten die Buben, die sich vermutlich vor einem Mädchen keine Blöße geben wollte und am Ende saßen alle auf dem Drachen. Beim Abflug haben sie sich ein wenig erschrocken, aber als Noemi im Flug vor Freude gejuchzt hat, war auch bei den anderen der Bann gebrochen.

Heute klettern sie ohne Scheu auf den Schattendrachen und schon geht es zurück in ihre Welt. Wir landen bei den Buchen und eilen zum Krankenhaus. Der geschützte Korridor ist noch immer aufrecht und so gelangen wir innerhalb kürzester Zeit zu den Menschen.

„Dürfen wir vorauslaufen?", erkundigt sich Noemi artig.

„Natürlich!", antworte ich. „Lauft zu euren Eltern."

Voller Begeisterung machen sie sich eilig auf den Weg und ich blicke ihnen hinterher. Sie sind alle mit Spaß bei der Sache. Vor allem Noemi ist wissbegierig. Am besten gefällt ihr jedoch das Kampftraining. Sie hat nicht ein einziges Mal gemurrt. Dabei haben wir jeden Abend zwei Stunden lang hart trainiert. Ich wette, sie hatte einen Muskelkater. Aber sie konnte trotz allem nicht genug bekommen.

Nun aber freuen sie sich, wieder ihre Liebsten zu sehen. Ich bin froh über die Entscheidung, sie nicht ins Drachenland zu schicken. Vom Schattenreich aus ist es für sie einfacher, Zeit auch zu Hause zu verbringen. Sie sind immer noch Kinder.

Als ich das Krankenhaus erreiche, liegen sich die Kinder und ihre Eltern bereits in den Armen. Die Kleinen erzählen aufgeregt, was sie alles erlebt und gelernt haben. Ich bleibe im Garten stehen und betrachte die Szene. Es ist ein Neuanfang und diese Kinder spielen dabei eine wichtige Rolle.

„Du hast die Kleinen glücklich gemacht und ihnen eine ganz tolle Möglichkeit geboten, aus ihrem Leben etwas Sinnvolles zu machen und wichtig für die Gemeinschaft zu sein. Sie sind voller Begeisterung für das, was du ihnen ermöglichst. Dabei wissen sie gar nicht, wie dankbar sie dir sein müssten", sagt jemand neben mir.

Ich muss mich gar nicht umschauen, um zu wissen, dass es Thomas ist. Seine Worte regen mich zum Nachdenken an.

„Mir muss niemand dankbar sein. Ich tue das gerne", sage ich.

„Das ändert nichts daran, dass du Großes leistest, für diese Kinder und für die gesamte Welt der Menschen."

„Das würde doch jeder machen, der an meiner Stelle wäre."

„Bist du dir da wirklich sicher?"

„Sicher, wer kann schon sagen, was gewesen wäre, wenn ..."

„Was haben die Königinnen vor dir getan?"

„Da war doch das Portal verschlossen. Die konnten gar nichts unternehmen."

„Was haben sie in eurer Welt geleistet?", legt er nach.

„Nun ja, sie haben verwaltet."

„Hatten sie dabei Visionen, Ideen, haben sie besondere Akzente gesetzt?"

„Nicht, dass ich wüsste."

„Siehst du! Denen wäre die Welt der Menschen am Arsch links vorbei gegangen."

„Ich erlaube mir kein solches Urteil. Meine eigene Leistung zu bewerten, steht mir nicht zu."

„Würdest du mir deine Welt noch einmal zeigen, dieses Mal nur wir zwei ganz allein?"

„Wir könnten das Wochenende nutzen, komm!", sage ich kurzentschlossen.

Ich nehme ihn bei der Hand und mache mich auf den Weg zurück zu Amys Haus. Thomas lässt sich etwas träge ziehen, scheint unentschlossen zu sein.

„Sollten wir nicht etwas mitnehmen? Proviant, Kleidung zum Wechseln oder sonst etwas?"

„Wir haben alles, was wir brauchen", beruhige ich ihn.

„Wenn du meinst", grinst er.

Nun geht er entschlossen neben mir her. Wir sind wenig später beim Haus und dann auch bei den Buchen. Orion wartet bereits auf uns. Thomas beäugt den Drachen zunächst wieder ein wenig misstrauisch, steigt aber auf und setzt sich auf den Platz, den ich ihm zuweise. Offenbar hat er sich noch nicht wirklich an meinen Seelenverwandten gewöhnt. Dann erhebt sich der Schattendrache und ich kann die Anspannung spüren, die meinen Begleiter überfällt.

Wir steigen in den Himmel, fliegen auf das Portal zu und landen wenig später vor dem Geheimgang. Lässig lasse ich mich von meinem Drachen gleiten und auch Thomas steigt ab, wenn auch etwas vorsichtiger.

„Ich zeige dir mein Reich und morgen fliegen wir ins Land der Drachen. Du sollst alles sehen. Dann siehst du, dass ich nur ein kleines Licht auf dieser Welt bin."

Thomas schaut mir tief in die Augen. Ich habe den Eindruck, als würde er mir bis ins Herz blicken und als würden wir uns schon ewig kennen.

„Ich fühle mich geehrt, dass du mir die Welt aus deiner Sicht zeigst", meint er sehr ernst. „Das letzte Mal habe ich nur einen kurzen Einblick bekommen und ich bin neugierig nun alles zu sehen. Aber eines ist mir jetzt schon klar, du bist alles, nur kein kleines Licht."

Ich bin gerührt von seinen Worten und muss kurz schlucken. Dann wende ich mich peinlich berührt ab und gehe auf den Geheimgang zu. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Er war so entschlossen, dass ich ihm nicht widersprechen kann.

Als ich in den Geheimgang steige, räuspere ich mich. Ich muss ihm erklären, wo wir hingehen. Das letzte Mal hatte ich nicht die Zeit ihm alles genau zu zeigen.

„Dies hier ist die magische Welt. In dieser leben die magischen Wesen. Dieser Geheimgang, den nur die Königin und der König sowie deren Vertraute benützen können, führt ins Schattenreich. Das ist mein Königreich, auch wenn mir auch die magische Welt untersteht."

Ohne ein Wort folgt mir Thomas durch den Tunnel und wir verlassen ihn durch die geheime Tür. Als er den Gang im Schloss sieht, blickt er sich staunend um. Beinahe ehrfürchtig geht er zum Fenster und blickt in den Innenhof.

„Dieser Bau ist gewaltig", meint er.

„Du hast das doch schon einmal gesehen. Das ist ein Schloss, hier wohnt die Königin und arbeitet der Hofstaat."

„Das letzte Mal hatte ich nicht die Zeit. Wir waren beschäftigt."

Ich zeige ihm diesmal wirklich alles. Wie schon Noemi vor ihm, ist auch er vor allem vom Thronsaal begeistert.

„Dieser Raum ist wirklich einer Königin würdig", meint er.

„Da bist du bei Vera an der falschen Adresse", grinst Anna, die uns begleitet. „Sie sieht den Saal nicht, wie einen Raum, der die Macht und die Größe der Königin symbolisiert, sondern die Einigkeit des Volkes."

„Ich bin nicht die Erste, die so denkt. Bereits Amy hat ähnlich gedacht. Für sie war dieser Raum für das Volk und nicht für die Königin da."

„Ist nicht die Macht der Königin Ausdruck für die Zufriedenheit des Volkes", wirft Thomas ein.

„Unser Land hatte einige wenige, dafür aber sehr große Königinnen", erklärt Anna.

„Vera gehört sicher zu ihnen", meint Thomas.

„Das ist auch meine Meinung", pflichtet ihm Anna bei.

„Lobt mich doch nicht so", versuche ich auszuweichen.

„Zeig ihm doch Armogren", fordert mich Anna auf.

„Armogren?", will Thomas wissen.

„Das ist eine Stadt in unserem Reich. In ihr gab es immer schon sehr sozial eingestellte Menschen, die sich für die Armen und Schwachen eingesetzt haben. Die großen Königinnen haben diese immer unterstützt und zum Vorbild für andere Städte und Orte gemacht.

Unter Veras Vorgängerinnen ist der soziale Gedanke weitgehend in Vergessenheit geraten. Sie jedoch kam schon nach wenigen Wochen, als sie Königin war, angeblich zufällig nach Armogren und hat die alte Tradition sofort wieder aufleben lassen."

„Es war wirklich Zufall", beharre ich.

„Du bist bewusst nach Armogren geflogen. Du wolltest wissen, wie es dort aussieht und hast in einer einzigen Nacht alles aufgemischt. Allein!", beharrt Anna.

„Das hätte doch jeder getan", versuche ich mich herauszureden.

„So wie die Königinnen vor dir etwa?", meint sie und lacht. „Seit Vera in Armogren war gibt es inzwischen in fast allen Orten dieses Landes ein Sozialzentrum. Du hast Großes bewirkt und das in unglaublich kurzer Zeit."

„Zeigst du mir Armogren?", erkundigt sich Thomas.

„Wenn du möchtest. Es wird bald Abend, dann fliegen wir hin."

Wir verabschieden uns von Anna und machen uns auf den Weg in die magische Welt, wo Orion bereits auf uns wartet, um uns nach Armogren zu bringen. Auch dieses Mal landen wir etwas außerhalb und legen das letzte Stück des Weges zu Fuß zurück. Am Stadttor werden wir kontrolliert.

„Halt, wer seid ihr?"

„Ich bin Königin Vera von Siryn", antworte ich entschlossen.

„Das kann jede sagen", lacht der Wachmann.

„Dann holt die Stadthalterin", fahre ich ihn an.

„Um diese Zeit? Du spinnst wohl. Ich verhafte euch und morgen sehen wir weiter", meint er.

Dabei zieht er sein Schwert. Aus einem Reflex heraus ziehe auch ich das meine und werde plötzlich vom Wachmann mit großen Augen angestarrt. Sein Blick fällt auf das Schwert. Die Runen an der Klinge leuchten rot und gefährlich.

„Eure Majestät, verzeiht mir", sagt der Wachmann plötzlich sehr ergeben.

Er verbeugt sich tief und ich sehe ihm an, dass es ihm fürchterlich peinlich ist. Er traut sich nicht mehr, seinen Oberkörper zu heben.

„Mich erkennst du nicht, aber mein Schwert?", frage ich belustigt.

„Ich war damals nicht in Armogren, als Ihr uns besucht habt. Man hat mir nur beschrieben, welch mächtiges Schwert ihr besitzt."

„Ein Schwert ist immer nur so mächtig, wie der, der es schwingt."

„Das mag schon sein. Aber die Runen der Macht schmücken nur ein einziges Schwert."

„Die Runen der Macht?", frage ich erstaunt. „Erzähle mir mehr davon, während wir zur Stadthalterin gehen."

„Die Legende besagt, dass die Götter einst ein sehr mächtiges Schwert im Vulkan Actorus geschmiedet haben, das mächtigste, das es je geben sollte. Es war für die Königinnen bestimmt, welche große Macht besitzen. Ohne diese, soll es unmöglich sein, dieses Schwert zu benutzen."

„Das Schwert, das Siena sich herbeigewünscht hat", sage ich nachdenklich.

„Diese Waffe gaben die Götter zunächst Aurora im Kampf gegen Orissos. Als sie nach ihrem Tod in der Grotte der Königinnen beigesetzt wurde, legte man das Schwert in den Sarkophag. Bei Siena und Amy kam es, als sie sich ein Schwert wünschten und nun ist es bei Euch."

„Woher weißt du alle diese Dinge?"

„Mein Vater ist Priester im Tempel der Götter."

„Er hat es dir erzählt?"

„Als Ihr das erste Mal nach Armogren gekommen seid und man mir von Eurer Waffe berichtet hat, habe ich meinen Vater gefragt, ob so etwas möglich sein kann. Als Kind hatte er mir von diesem Schwert erzählt. Daher wusste ich, wie es aussieht."

„Ich kannte diese Geschichte nicht", antworte ich ehrlich erstaunt.

„Nur die Götter und die Priester wissen um die Bewandtnis dieses Schwertes. Selbst die großen Königinnen wussten nichts davon."

„Dann muss ich mich glücklich schätzen, dich getroffen zu haben."

„Die Ehre ist ganz meinerseits", meint er. „Ich führe Euch zum Sozialzentrum. Dort findet Ihr um diese Zeit Fedora."

Mit sichtlicher Ehrfurcht führt er mich durch die Gassen der Stadt. Thomas geht schweigend neben mir her.

„Ihr müsst entschuldigen, dass ich Euch nicht erkannt habe. Ich wollte nur meine Aufgabe korrekt ausführen."

„Mach dir keine Sorgen. Du hast nur deine Pflicht getan."

„Wie kommt es aber, dass Ihr zu Fuß, ohne Pferd und ohne Garde hier erscheint?"

„Dies hat sicher auch zum Missverständnis beigetragen", weiche ich der Frage aus.

Zum Glück haben wir auch schon das Sozialzentrum erreicht. Deshalb kann ich mich um die Antwort drücken. Zahlreiche Menschen warten vor dem Eingang. Ich nehme an, dass die Essensausgabe bevorsteht. Deshalb husche ich hinein, wobei ich etwas misstrauisch beäugt werde. Dank meiner Sinne kann ich hören, wie sich einer bei seinem Nachbar beschwert, weil wir uns vordrängeln.

Kaum bin ich drinnen, stelle ich mich hinter den Tresen, wo bereits alles vorbereitet wird. Eine Frau, die ich nicht kenne, schaut mich mit großen Augen an.

„Was willst du hier? Die Essensausgabe beginnt erst. Warte gefälligst draußen, wie die anderen auch."

„Ich will beim Ausgeben helfen."

„Ach ja!", meint sie. „Wie kommst du dazu?"

„Vera, du bist hier? Was für eine Freude!", ruft plötzlich eine Stimme.

Es ist Fedora, die mit einem Tablett voller Gläser um die Ecke kommt. Die Frau, die mich verscheuchen wollte, schaut sie mit großen Augen an.

„Du kennst die Frau?"

„Und ob ich unsere Königin kenne", grinst sie.

Sie stellt das Tablett auf den Tisch und umarmt mich herzlich. Die Frau aber läuft rot an und ich sehe ihr an, dass sie nicht weiß, wie sie sich verhalten soll.

„Ich ... das ist jetzt ... wie konnte ich ... Ihr müsst verzeihen ...", stottert sie.

„Alles gut, Vera ist locker", beruhigt sie Fedora.

„Kann ich euch helfen?", erkundige ich mich, um das Thema zu wechseln.

„Dich schickt der Himmel, Samula ist krank und fällt heute aus."

„Samula?"

„Die Frau, die mich immer schon unterstützt. Die nach dem Kampf in den Hof kam", versucht mir die Stadthalterin zu erklären.

„Ach die. Ich hoffe, sie ist nicht ernsthaft krank."

„Sie hat sich ein Bein verstaucht und wird wohl eine oder zwei Wochen lang ausfallen."

„Hast du Ersatz?"

„Ab morgen. Für heute leider nicht. Das war zu kurzfristig."

„Heute bin ich da."

„Dich schicken die Götter."

„Eigentlich komme ich von allein. Aber ich helfe gerne", grinse ich.

„Na dann, macht auf. Sonst wird das Essen kalt", fordert Fedora einen Mann auf.

Bevor dieser reagieren kann, setzt sich Thomas in Bewegung und lässt die wartenden Menschen eintreten. Ohne, dass ihn jemand aufgefordert hätte, hilft er vor allem den Alten und den Schwachen. Er stützt sie oder trägt ihnen den Teller und das Getränk zum Tisch. Während ich mit einem freundlichen Lächeln den Menschen das Essen auf den Teller schöpfe, beobachte ich ihn.

Die Menschen scheinen nicht zu bemerken, wer ich bin. Sie schauen mich zwar aufmerksam oder gar neugierig an und einige fragen mich, ob ich neu wäre, aber keiner kommt auf die Idee, dass ich die Königin sein könnte.

Als wir nach einer guten Stunde damit fertig sind, das Essen zu verteilen und keine weiteren Leute mehr draußen warten, nehme auch ich mir einen Teller, fülle ihn und greife mir eine Gabel. Fedora schaut mich mit großen Augen an.

„Darf ich auch einen Teller haben?", erkundigt sich Thomas.

„Natürlich, wo denkst du hin? Den habt ihr euch redlich verdient", meint Fedora.

Nun nimmt auch sie sich einen Teller und wir setzen uns zu dritt an einen Tisch. Der Speisesaal ist inzwischen deutlich größer. Sie haben einen Durchbruch zu einem weiteren Raum geschaffen und somit die Zahl der Tische mehr als verdoppelt. Auch die Einrichtung ist neu und nicht mehr zusammengewürfelt wie früher. Es herrscht endlich nicht mehr so ein fürchterliches Gedränge wie bei meinem ersten Besuch und alle können in Ruhe ihr Essen genießen und auch noch etwas sitzen belieben.

„Was führt dich hierher?", beginnt Fedora das Gespräch.

„Eigentlich wollte ich sehen, wie es hier läuft", meint Thomas.

„Ich habe euch noch gar nicht einander bekannt gemacht", mische ich mich wieder ein. „Thomas, das ist Fedora. Sie hat jahrelang unter größten Schwierigkeiten und gegen die Niedertracht der Stadtoberen und eines Grafen aus der Gegend dieses Sozialzentrum geleitet und am Leben erhalten. Fedora, das ist Thomas, ein guter Freund aus der Welt der Menschen."

„Vera hat dieses Sozialzentrum gerettet", meint Fedora. „Eines Tages stand sie wie der rettende Engel in der Tür. Wir standen vor der Schließung."

„Jetzt übertreib nicht so maßlos", grinse ich etwas verlegen.

„Ohne die Königin, die einfach aus dem Nichts hier aufgetaucht ist, würde es dieses Zentrum garantiert nicht mehr geben", präzisiert sie.