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Mein persönlicher „LifeChangingSex“

Geschichte Info
Eine scharfe Therapeutin und eine aberwitzige Erfahrung.
39.8k Wörter
4.7
33.2k
35
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Eine scharfe Therapeutin und eine aberwitzige Erfahrung.

********************

Ralf hängt tief in der Depression, drei Wochen, nachdem seine Frau ihn verlassen hat. Ein Kumpel überredet ihn, eine neu zugezogene Therapeutin zu besuchen, die ihm wundersam geholfen habe. Ralf geht widerstrebend hin -- doch was dann geschieht, steht in keinem Psychologielehrbuch...

***

...und es ist bestimmt was GANZ anderes, als du jetzt vermutest, liebe Leserin, lieber Leser ;-)

Diese Geschichte geriet etwas länger und etwas komplexer. Daher empfehle ich, sie in einem Rutsch zu lesen und genügend Zeit dafür einzuplanen.

Herzlichen Dank an Felix, Kastor und Franz fürs Probelesen und Feedbacken -- das war sehr wertvoll!

Dingo

********************

.

„Du bist mein Freund", erklärte ich der Flasche mit dem transparenten Inhalt in meiner Hand. „Mein einziger Freund. Ich danke dir für deine Hilfe."

Die Wodkaflasche antwortete nicht. Doch sie würde helfen. Da war ich mir sicher, nach drei Wochen ausführlicher Tests.

Kurz nach vierzehn Uhr, an einem Sonntag. Scheiß-Wochenende, da konnte man sich nicht einmal mit Arbeit und Überstunden ablenken. Ich hing am Tresen unserer schicken Küche -- Korrektur: meiner schicken Küche, und sah der Kaffeemaschine zu, wie sie unter sonorem Brummen einen doppelten Cappuccino ausspuckte. Den brauchte ich jetzt. Als Grundlage, bevor ich wieder mit dem Wodka anfing.

Ein Rülpser stieg hoch. Für eine Sekunde kämpfte ich dagegen an. Dann wurde mir klar, dass ich dies aus reiner Gewohnheit tat. Antrainiertes Verhalten. Also ließ ich los und stieß voller Genuss ein brontosaurisches Geräusch hervor. Das erzeugte zwar einen blöden Geschmack im Mund, aber den ignorierte ich. Wie wunderbar: keine Lydia, die jetzt angeekelt das Gesicht verzog. Alleinleben hatte doch seine Vorteile, oder? Oder??

„Einen Scheiß hat es", brummte ich vor mich hin und griff nach der Kaffeetasse. Wem versuchte ich hier was schönzureden. Eine Trennung ist die Hölle, Punkt. Insbesondere in diesem November 2019, der so grau und trüb und regnerisch daherkam. Die Idealumgebung also für eine hübsche, kleine Depression.

Bevor ich etwas von meinem Kaffee schlürfen konnte, ging die Haustürklingel. Ich runzelte die Stirn. Wer konnte das denn sein, an einem Sonntagnachmittag? Lydia? Quatsch! Die würde doch niemals...

Ich sprang auf, plötzlich voller Elan, und hastete zur Sprechanlage.

„Hallo?" In meiner Stimme schwang alle Hoffnung dieser Welt mit.

„Hier ist Caro."

„Oh. Hallo, Caro."

Meine Schultern sackten nach unten, ich drückte den Öffner für das Eingangstor vorne an der Straße. Meine Nachbarin Caro. Was wollte die denn sonntags von mir?

Mein Blick fiel in den Spiegel an der Wand gegenüber der Garderobe. Kein schöner Anblick. Ein sichtlich verkaterter Mittvierziger in zerknitterten Joggingklamotten, unrasiert und mit verquollenen Augen. Ich wuschelte mir durch die Haare, um wenigstens die noch vom Schlaf abstehenden Strähnen zu glätten, und öffnete die Tür.

„Hi." Caro stand schon davor und lächelte mich an. Sie hielt ein Amazon-Päckchen in der Hand und sah aus wie aus dem Ei gepellt. Die dunklen Haare wehten im Wind um ihre Stirn.

„Hi, Caro." Ich erwiderte das Lächeln. Etwas gequält, denn wenn man in meinem Zustand einer hübschen Frau gegenübersteht, dann kommt man sich einfach saublöd vor. Caro wohnte gegenüber, sie hatte kürzlich das Haus ihrer Eltern geerbt und war dort eingezogen.

„Das hier hat der Paketdienst gestern bei mir abgegeben." Sie streckte mir das Päckchen hin. Wahrscheinlich die neuen Tonerkartuschen, die ich bestellt hatte.

„Danke." Ich nahm es entgegen und erhaschte einen Hauch ihres Parfums. Das roch toll, doch ich zog mich eilig zurück. Umgekehrt konnte sie dann vermutlich mich riechen, und das war keine angenehme Vorstellung. „Äh -- tut mir leid, dass der Fahrer immer bei dir klingelt, wenn ich nicht da bin."

„Das macht doch nichts." Wieder dieses süße Lächeln. „Mache ich gerne."

„Super. Danke nochmals."

Wir sahen uns an.

„Geht es dir gut?", fragte sie. Natürlich wusste sie, was bei uns los war. Alle Nachbarn wussten das.

„Jaja, es geht schon." Ich bemühte ein Lächeln. „Ich komme klar, danke der Nachfrage."

„Wenn du was brauchst..." Sie ließ den Satz in der Luft stehen.

Ich schluckte. Ein Wort, und sie würde mich einladen. Zu einem Kaffee. Einem Essen vielleicht. Oder -- zu mehr? Diese Haselnussaugen! Dieser Blick! Diese Wimpern! Sie sah so gut aus, mit den langen Haaren in einem warmen Braunton und der Bluse, die den schlanken Hals betonte. Darunter dralle, voluminöse Rundungen...

„Danke, Caro." Ich wich ein wenig zurück und hielt den Amazon-Karton als Schutz vor mich. „Heute bin ich, äh, ziemlich beschäftigt. Aber ich melde mich, okay?"

Sie zögerte. „Okay", sagte sie dann und nickte. Enttäuscht? Nein, das war sicher nur ein Wunschtraum von mir. Sie sah viel zu hübsch und zu jung aus für so ein Wrack wie mich. Zu lebendig.

„Also, dann bis bald." Sie lächelte und hob die Hand zum Abschied, doch der Ausdruck in ihren Augen verriet Melancholie.

„Ja, bis bald. Dir noch einen schönen Sonntag, Caro."

Ich schloss die Tür und bemerkte erst richtig, wie angespannt ich war, als ich abgrundtief aufatmete. Hm, warum eigentlich? War das wirklich nur, weil ich mich für meine abgerissene Erscheinung schämte?

Nein, wurde mir klar. Es lag an Caro. Eine bildhübsche Frau. Echt gut gebaut, üppig und kurvig und weiblich wie sonst was. Sonniges Gesicht mit vollen Lippen, oft zu einem Lachen geöffnet. Mittelgroß, also genau richtig für mich. Vom Alter her auch passend: Sie war Mitte 30 und damit ein paar Jahre jünger als ich. Aufgeweckt und klug, soweit ich sie kennengelernt hatte. Sie arbeitete als Architektin in einem größeren Büro und wollte sich später selbständig machen.

Ich und Caro? Ein verlockender Gedanke, einerseits. Sie sah viel besser aus als Lydia, meine Ex. Wenn ich mit ihr im Arm meinen männlichen Bekannten gegenübertreten würde, dann sah ich schon die geweiteten Augen und die heimliche Anerkennung im Nicken. Plus die plötzlich gesteigerte Freundlichkeit der Frauen dem neuen Paar gegenüber. Zumal ich Caros Naturell so einschätzte, dass sie im Bett richtig aufdrehen konnte.

Andererseits wusste ich genau, dass mich eine solche Verbindung ohne Ende stressen würde. Nicht nur jetzt, in meiner hübschen Depression. Auch sonst. Später. Immer. Wie konnte ein Durchschnittstyp wie ich schon auf die Dauer mithalten mit so einer schönen Frau? Bereits bei Lydia hatte ich mich ständig gefragt, was sie an mir fand. Warum sie mich nahm, ursprünglich, und warum sie so lange bei mir blieb.

Nein: Prinzessinnen und megaheißen Feger wie Caro, das war nicht meine Kragenweite. Noch nie gewesen.

Nun gut. Lydia hatte ihren Fehler letztlich eingesehen. Und korrigiert. Ja, wenn ich ehrlich zu mir war, dann musste ich gestehen, dass ich sie nur zu gut verstand. Wahrscheinlich hätte ich schon viel früher das Handtuch geworfen, an ihrer Stelle. Okay, ich war Ingenieur und verdiente nicht schlecht. Aber Geld war es nicht, was ein Paar zusammenhielt.

Mit einem resignierten Seufzer stellte ich den Karton auf den Schuhschrank. Dort würde er stehenbleiben, bis ich oben im Büro den letzten Rest der aktuellen Kartusche aufgebraucht hatte. Die Freiheit des Singles.

Gerade wollte ich wieder in die Küche, da schrillte die Klingel erneut. Sofort beschleunigte mein Puls. Hatte Caro was vergessen? Oder wollte sie...?

`

„Hallo?", sprach ich in den Hörer.

„Hey Ralf, Peter hier."

„Ach so. Komm rein."

Peter? Was wollte der denn heute hier? Ah - jetzt erinnerte ich mich. Er hatte angerufen, vor zwei oder drei Tagen. Er wollte am Sonntag die ausgeliehene Motorsäge zurückbringen. Mit der hatte er das komplette Mobiliar der Wohnung fein säuberlich in zwei Hälften trennen wollen.

Peter hatte sich wenige Tage vor mir von seiner langjährigen Partnerin getrennt. Oder sie sich von ihm, das wusste ich nicht mehr genau. Auch so ein Drama. Komisch -- obwohl uns dasselbe Schicksal getroffen hatte und obwohl wir uns gegenseitig hätten stützen können (oder zumindest gegenseitig bemitleiden), beschränkte sich unser Austausch auf so prosaische Dinge wie dem Verleihen von Werkzeugen und dem Schwelgen in ein paar Flüchen und ätzenden Bemerkungen über das andere Geschlecht.

Ich zögerte. Jetzt hatte ich ja Zeit und ich war sogar vergleichsweise nüchtern. Er wohl auch. War jetzt der Moment für ein Gespräch unter Männern? Für ernsthafte Worte, für markiges Schulterklopfen, für eine schonungslose Selbstbilanz?

Kacke, nein! Ich wollte nur schnellstmöglich meine Ruhe!

Missmutig ob der Störung trottete ich zur Eingangstür und öffnete sie. Da kam auch schon mein alter Kumpel, die Säge in der Hand.

„Hey Ralf. Erst mal vielen Dank für das Ding. Ich habe es gar nicht gebraucht."

Damit drückte er mir die Säge in die Hand. Ich nahm sie und starrte ihn verdutzt an. Anstatt angemessen depressiv dreinzuschauen (so wie ich zum Beispiel), strahlte er ruhige Kraft aus. Seine Miene zeigte die Offenheit eines Kindes. Und Frieden. Frieden mit sich und dem Rest der Welt. Er sah mich so geradeaus an, als würde er sich wirklich dafür interessieren, wie es mir ging. Wer ich war.

What the fuck?

„Äh -- danke. Sag mal, was ist denn mit dir los?", brachte ich heraus.

„Mit mir?" Er blinzelte. „Was soll denn mit mir sein?"

„Du bist so... so..." Ich fand keine Worte.

„Ach, du meinst, weil es mir jetzt wieder gut geht." Er lachte und strahlte mich an. „Das stimmt allerdings. Ich habe die Trennung von Giselle hinter mir lassen können."

„Ehrlich? So schnell?" Ich zwang mich zu einem Lächeln. „Na dann -- Glückwunsch!"

„Du bist noch nicht soweit, hm?" Er musterte mich besorgt.

Erneut wurde mir bewusst, dass ich in einer Jogginghose und einem alten T-Shirt vor ihm stand, ungeduscht und mitgenommen. Auch für einen Mann kein schöner Anblick.

„Doch, doch." Das Grinsen auf meinem Gesicht fühlte sich verquer an. „Mir geht es auch bestens."

„Aha." Er nickte, wenig überzeugt. Schon erwartete ich, dass er weiter nachhaken würde. Doch er zuckte nur die Schultern und sagte: „Da muss wohl jeder selbst durch. Aber falls du Hilfe brauchst: Schau mal im Internet nach der Praxis von Dr. Delia Mickels. Ich war letzte Woche bei ihr, und das hat... alles verändert."

„Delia Mickels", nickte ich treuherzig. „Alles klar."

Er kniff die Augen zusammen, so als ob ihm völlig klar wäre, dass ich ihn nur schnellstmöglich abspeisen und loswerden wollte. Dann nickte er und wandte sich mit einem letzten Blick um. „Pass auf dich auf, Ralf", hörte ich ihn noch. „Das hättest du schon vor sehr langer Zeit lernen sollen."

Langsam schloss ich die Tür und sperrte den trüben Novembermittag wieder aus. Sehr seltsam! Mit einem Schulterzucken legte ich die Säge neben den Amazon-Karton auf den Schuhschrank. Die würde ich später aufräumen, irgendwann. Zusammen mit den Schuhen der letzten drei Wochen, die in einem unordentlichen Haufen vor dem Schrank lagen, in den sie gehörten. Einen Schrank, der jetzt zu zwei Dritteln leer stand.

Mit einem Seufzer der Erleichterung schlurfte ich zurück in die Küche, pflanzte mich wieder auf den Barhocker und griff nach der Kaffeetasse. Noch heiß, glücklicherweise. Ich hasste lauwarmen Kaffee. Hm -- ob er wohl einen Schuss Wodka vertrug?

Der Sonntag lag vor mir wie eine Wüstenlandschaft vor einem Langstreckenläufer. Schon hatte ich die Flasche aufgeschraubt und sog den feinen Alkoholhauch ein, zerrissen zwischen Sucht und Ekelgefühl. Dann schloss ich sie wieder und stellte sie beiseite.

„Dr. Delia Mickels", murmelte ich vor mich hin. Der Ausdruck in den Augen meines Freundes ging mir nicht aus dem Kopf. Jemand, der gerade vor den Trümmern einer langen Beziehung stand, sollte nicht so dreinschauen. Durfte es nicht! Nicht mit diesem tiefen, inneren Frieden.

Ein Griff nach dem Smartphone. Die Website hatte ich innerhalb von 30 Sekunden gefunden. „Psychologische Beratung Dr. Mickels". Es gab nur eine Titelseite, und die sagte nicht viel, außer dass Frau Dr. Mickels die Praxis vor zwei Wochen aufgemacht hatte und Termine nur nach einer telefonischen Erstberatung vergeben wurden.

Ich runzelte die Stirn. Das entsprach nicht dem, was ich von Ärzten sonst so kannte. Wollten die nicht immer erst mal einen persönlichen Termin, weil sie das besser abrechnen konnten?

Als ich nach unten scrollte, kam ein Foto der Therapeutin zum Vorschein. Ich riss die Augen auf. So jung noch, und so eine Schönheit? Dr. Mickels schien kaum älter als 30 -- oder das war ein älteres Foto? Einen Lebenslauf oder einen anderen Hinweis auf ihren Hintergrund fand ich nicht. Hm -- bei einer neu eingerichteten Website verwendete man doch aktuelle Bilder, oder?

Fasziniert versenkte ich mich in das Foto. Lange, kupferrote Haare, die in Wellen über die Schultern fielen. Eine echte Rothaarige, das zeigten die vielen Sommersprossen auf ihrer Stirn, im Gesicht und am Dekolleté, soweit es gezeigt wurde. Dazu herrliche, graublau strahlende Augen, die mich direkt anzublicken schienen. Ich musste schlucken.

Klare Gesichtszüge, hohe Wangenknochen, volle Lippen in Rosa. Ungeschminkt, so wie es aussah, und daher umso verlockender. Von der Figur war nichts zu erkennen, doch ich hielt es für schlechterdings undenkbar, dass sie anders als perfekt proportioniert aussah. Eine junge, bildhübsche, aufregende Frau, nach der sich garantiert jeder Mann umdrehte, wenn sie vorüberging.

Hm...

Wie unter Zwang drückte ich auf die angegebene Telefonnummer. Heute war Sonntag, sie würde nicht im Büro sein. Doch mit etwas Glück konnte ich ihre Stimme auf dem Ansagetext der Mailbox hören. Ich musste einfach wissen, wie sie klang!

Drei Signaltöne. Dann ein Knacken.

„Praxis Dr. Delia Mickels?", hörte ich eine helle Stimme. Klar, aber mit einem leisen, rauchigen Unterton. Einem Hauch von Rost. Von unnennbaren, kratzigen Versprechungen. Heißeres Flüstern am Ohr, während sie sich unter mir wand, schwitzend, und...

„Äh -- hier spricht Ralf Steganowski", riss ich mich zusammen und ignorierte das schockierende Pulsieren in meiner Hose. „Bitte entschuldigen sie, dass ich am Wochenende anrufe, aber ein Freund hat so von ihnen geschwärmt. Das heißt: natürlich von ihrer Therapie."

Ein Lachen, leise und angenehm. Ein Samttuch, das am Ohr entlangstrich.

„Das freut mich", hörte ich ihre Stimme. „Wer hat ihnen denn den Hinweis gegeben?"

„Peter Link".

„Peter? Ah, ja. Mein Patient Nummer sieben." Wieder das Lachen. Ich spürte den Drang, mitzulachen. Mit ihr. Über etwas, das nur wir beide wussten. Etwas Verbindendes. Unser Geheimnis. Wir würden dann verstummen, uns wieder tief in die Augen sehen und...

Mit Mühe zwang ich mich zurück ins Hier und Jetzt. Was war denn nur los mit mir? Hatte mich die Trennung noch stärker aus der Bahn geworfen, als mir klar war? Meine Haut prickelte am ganzen Leib, so als sei sie sandgestrahlt worden, und mein Schwanz tat sein Möglichstes, um die Jogginghose zu einem Mount Everest hochzustemmen. Das fühlte sich fast so an wie in meiner Jugend. Nicht wie bei einem mittelalten Mann, der in einer Depression steckte.

„Es, äh, überrascht mich, dass sie sonntags im Büro sind, Frau Dr. Mickels", stotterte ich. „Ich hoffe, mein Anruf stört sie nicht."

„Keineswegs. Ich freue mich über neue Klienten."

Das klang aufrichtig und offen. Nun gut -- natürlich brauchte sie Kunden, wenn sie die Praxis gerade erst eröffnet hatte. Nicht übel, dann kümmerte sie sich sicher besonders intensiv um jeden Einzelnen. Dass ich zu ihr musste, das stand ohnehin schon fest. Und sei es nur, um sie einmal in natura zu sehen. Zu hören. Zu riechen. Wie es wohl wäre, meine Nase an ihre Haut zu drücken und die Luft tief einzuatmen...

„Das ist, äh, schön. Auf der Website ist eine telefonische Erstberatung erwähnt. Vielleicht können wir dazu morgen telefonieren?"

„Warum nicht jetzt gleich?"

„Am Sonntag? Ich dachte, sie wären nur zufällig am Schreibtisch."

„Der Wochentag spielt für mich keine Rolle." Wieder ihr Lachen, das meine Knie aufweichte. Glücklicherweise saß ich schon. „Wenn sie möchten, können wir das sofort machen."

„Nun... ja, warum nicht." Ich straffte mich und setzte mich aufrechter, als ob ich sie dadurch beeindrucken könnte. „Von meiner Seite aus gerne."

„Gut. Dann erzählen sie doch einfach, Herr Steganowski. Worum geht es?"

„Ich denke, es ist eine ähnliche Situation wie bei Peter", begann ich zögernd. „Meine Frau hat mich sitzen lassen. Nach dreizehn Jahren Ehe und sechzehn Jahren Beziehung. Einfach so. Das ist jetzt drei Wochen her."

„Ich verstehe."

Mehr sagte sie nicht. Doch ich spürte, wie sich meine Stimmung hob, wie mein Atem freier ging. Sie verstand mich wirklich! Oder -- sie war sehr gut darin, diesen Eindruck bei ihren Klienten zu erwecken.

„Wir... haben keine Kinder", fuhr ich fort. „Vielleicht ist das für Lydia ein Motiv gewesen. Sie ist 39, ich bin 44. Ich dachte, sie hätte sich damit abgefunden, dass es bei uns nicht funktioniert."

„Und was denken sie wirklich?", fragte sie nach, ernsthaft jetzt. „Wenn sie ehrlich sind?"

„Es lag nicht am Kinderwunsch", kam es sofort heraus. „Sie war sich gar nicht so sicher, dass sie überhaupt welche wollte."

„Woran lag es dann?"

„An mir, wahrscheinlich." Ich seufzte und rieb mir über die verschwollenen Augen. „Sie war unzufrieden. Ich habe es gespürt, schon länger. Aber ich wusste nicht, was ich tun sollte."

„Haben sie ihre Frau geliebt, Herr Steganowski?"

„Ja! Absolut!" Ich schluckte hart. „Ich war so hin und weg, als sie ja sagte, damals. Ich war der glücklichste Mensch auf der ganzen Welt. So ein tolles Mädchen, und sie wollte mich! Ich konnte es kaum fassen. Ich habe sie auf Händen getragen. Ihr jeden Wunsch erfüllt! Bis heute. Aber... trotzdem wurde es irgendwie immer dünner."

„Aha."

Ich stockte. „Aha?", fragte ich nach.

„Die telefonische Erstberatung können wir damit abschließen", sagte sie sanft. „Ich denke, ich kann ihnen helfen und übernehme die Behandlung. Am Dienstag um 16.00 Uhr hätte ich Zeit für ein persönliches Treffen. Wäre das für sie möglich?"

„Äh..." Dienstag? Noch zwei Tage? Wie sollte ich diese Ewigkeit nur... „Ja. Dienstag ist gut. Bei ihnen in der Praxis, ja?"

„Richtig. Waldstraße elf."

„Soll... ich etwas Bestimmtes mitbringen?", fiel mir ein. Ich war noch nie bei einer Psychologin gewesen.

„Nein. Ihre Erinnerungen reichen völlig."

Ein weiteres Mal lachte sie leise. Wenn sie das bei unserem Treffen auch tat, dann würde ich zu einer Pfütze auf dem Boden dahinschmelzen.

„Gut. Dann bis Dienstag. Ich wünsche ihnen noch einen schönen Sonntag, Herr Steganowski."

Ich ließ das Handy sinken und starrte durch das Fenster. Woher kam das Grinsen auf meinen Lippen? Und warum hatte ich plötzlich das Gefühl, draußen schiene die Sonne, obwohl durch das Fenster nur tiefhängende Wolken zu sehen waren?

***

Punkt 15:59 Uhr am Dienstag stand ich in der Waldstraße, vor dem Tor unter dem verblichenen Emailschild mit der „11" drauf. Links und rechts davon zog sich eine außer Kontrolle gewucherte Hecke, vom Grundstück dahinter war nichts zu sehen.

Mit einem tiefen Durchatmen drückte ich auf die obere der beiden altertümlichen Klingeln. Beide waren unbeschriftet, doch oben haftete ein Aufkleber mit dem handgeschriebenen Wort „Praxis". Vorsichtshalber strich ich mir ein weiteres Mal zur Kontrolle über die Wangen. Ja, ich war frisch rasiert. Und nüchtern. Seit zwei Tagen schon! Ich hatte sogar auf den Wagen verzichtet und war die halbe Stunde hierher zu Fuß gegangen.

Ein Schnarren. Ich drückte gegen das Tor und es schwang auf. Dahinter zog sich ein geschotterter Weg durch einen Rasen, der dringend gemäht werden musste. Die Bäume, früher wohl streng geometrisch geschnitten, hatten übermütige Äste in alle Richtungen ausgestreckt. Das parkähnliche Grundstück stand überall am Rande der Verwilderung. Wunderschön!