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Nordlichter - Teil 03

Geschichte Info
Willkommen im Mile High Club.
43.6k Wörter
4.91
6.4k
4

Teil 3 der 3 teiligen Serie

Aktualisiert 01/02/2024
Erstellt 12/28/2022
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Unverhofft kommt oft, heisst es doch im Volksmund. Eine Einsatzänderung entführt Martin überraschend in eine zauberhafte Märchenwelt. Begleite ihn auf einer Reise voller unerwarteter Wendungen und erfahre, wie Monaco, Stacy und Olivia auf den kölschen Bub einwirken.

Ich bitte für die lange Wartezeit um Verzeihung. 2023 war für mich und mein Umfeld ein gutes, aber auch sehr dynamisches Jahr. Ich hoffe, dass ich in den kommenden zwölf Monaten mehr Zeit haben werde, um hier die nächsten Teile von Nordlichter zu veröffentlichen. Stay tuned und habt ganz viel Spass mit Teil drei "Willkommen im Mile High Club".

- - - - - - - - - - - -

Nachdem ich mich von der Besatzung des Teneriffa-Fluges verabschiedet hatte, wurde ich zu meiner Wohnung gefahren. Mein heutiger Fahrer aus Bangladesch beschwerte sich ziemlich lautstark darüber, dass ich so weit weg vom Flughafen wohnen würde, als ob ihn das etwas angeht. Selbst als er zwanzig Minuten lang mit seiner Frau telefonierte, wirkte er irgendwie über alles und nichts genervt. Mein Blick schweifte aus dem Fenster und meine Sinne flüchteten in all die schönen Erinnerungen, die ich zusammen mit Olivia erlebt hatte.

Nachdem ich endlich zu Hause meine Uniform gegen einen Hoodie und Jeans getauscht hatte, besorgte ich mir nahe der Marina Mall was zu essen und suchte einen Tabakladen auf. Bei dem sympathischen Afghanen kaufte ich mir nach langer Zeit mal wieder eine Zigarre, die ich später genüsslich auf meinem Balkon zu kubanischen Klängen von „Buena Vista Social Club" rauchte. Der Verkäufer versuchte mir schon beim letzten Besuch eine Shisha anzudrehen, doch der Reiz dafür verpuffte bereits zu Hause in Köln, als ich vor Jahren eine entsprechende Bar besucht habe. Egal, zurück zu meinem Abend. Ich speicherte Olivias Nummer in mein Smartphone ein und schrieb ihr auch gleich eine WhatsApp Nachricht, in der ich mich für den Ausflug und etwas kodiert für „den schönen Abend" bedankt habe. Ich erhielt auch relativ schnell eine Antwort, die Zigarre war bislang nicht einmal zur Hälfte geraucht.

«Na endlich!»

«Könntest du mir ein Bild von dir schicken, damit ich nie vergesse, wie du ausgesehen hast? Danke»

«Was machst du?»

Ich suchte ein bestimmtes Bild, das Devon heute von mir im Cockpit mit meinem Telefon gemacht hatte. Es gefiel mir ziemlich gut, auch was das Licht anbelangt. Jedenfalls nahm ich wahr, dass auch meine Schwester mir eine Nachricht geschickt hatte. Ich konnte mich nur schwer zwischen zwei fast identischen Fotos entscheiden. Auf einem blickte ich etwas mehr nach oben, lächelte aber weniger und das andere war etwas dunkler, aber irgendwie fröhlicher. Ich entschied mich fürs Letztere und hellte es auf. Natürlich musste der Helligkeits-Regler ergonomisch so schlecht platziert sein, dass mein Handy nach dessen Betätigung auf den Boden fiel. Ich hob es auf und gab meinen Handy-Code ein und begann zu schreiben.

«Sorry, hat gedauert. Musste was zu essen besorgen.»

«Hier ein Foto, dass dein Papa heute von mir geschossen hat.»

Ich setzte das Foto ein und ergänzte:

«Rauche eine Zigarre und denke an dich.»

Ich fragte mich, ob die letzte Nachricht zu offensiv war, falls Devon oder Megan die Nachricht zu Gesicht bekommen würden. Hätte ich doch bloss „denke an die schöne Zeit auf Teneriffa zurück" geschrieben. Na ja, geschickt ist nun mal geschickt.

Und die Antwort erfolgte im Handumdrehen:

«Hä? Deine Nachricht ergibt keinen Sinn ...»

«Schönes Foto. Aber unser Papa hat doch nichts damit zu tun ... und warum schreibst du auf Englisch? Zu viel Rum?»

So ein Mist, es war der Chat-Verlauf mit meiner Schwester. Keine Ahnung, wie ich da jetzt hineingekommen bin. Ich tippte folgende Mitteilungen:

«Ja. Gab ein Missverständnis.»

«Das Foto kannst du behalten ;-)»

Ich las vier Minuten später folgende Antwort:

«Moment ...»

«'Dein Papa' + 'und ich denk an dich'?»

«Das ist die Rechnung, bei der am Schluss ein hübsches Mädchen bei rauskommt.»

Ich musste über ihre korrekte Schlussfolgerung lachen. Ich wurde aber nervös und drückte die Zigarre aus und schrieb:

«No comment»

Nachdem ich diese berühmten zwei Worte nach Köln übermittelt hatte, klingelte das Telefon keine drei Sekunden später.

Mit „Engelmann" nahm ich den Hörer wie sehr oft bei meiner Schwester ab.

„Auch Engelmann", sprach eine Stimme mit einer grossen Erwartungshaltung.

„Natalie, ich habe nichts zu sagen", sprach ich leicht genervt.

„Eigentlich wollte ich mit dir nur über das Wetter sprechen", versicherte die Stimme meiner Schwester. „Aber dann bekam ich ja unaufgefordert diese interessanten Zeilen von dir", sagte sie mit einem spürbaren Grinsen.

„Das Wetter wird bombastisch. Mit Oktober habt ihr euch einen tollen Monat ausgesucht. Es wird endlich etwas kühler, die Nächte sind über zwanzig Grad Celsius. Wird ziemlich cool", liess ich meine Schwester wissen.

„Ich freue mich auch, dich nach über vier Monaten endlich wiederzusehen. Dann also nur kurze Kleider?", sprach Natalie.

„Vielleicht braucht ihr 1--2 lange Hosen und einen Pulli für den Abend, wenn es etwas windig ist oder du wie so oft die Klimaanlage nicht gut verträgst. Oh, und vielleicht noch etwas, das über die Knie geht, wenn ihr in eine Mall geht oder eine Mosche anschauen wollt. Dann seid ihr auf der sicheren Seite", sagte ich.

„Okay, verstehe ... über die Knie. Ziemlich reaktionär, findest du nicht?", fragte mich meine Schwester.

„Na ja, ich gehe nun mal nicht mit meinen eigenen Regeln in ein fremdes Kloster. Ich schätze die kulturelle Vielfalt dieser Welt. Hier läuft es anders. Wenn du mit Hotpants einkaufen willst, musst du nach Miami", entgegnete ich leicht genervt.

„Ist ja gut. Ist aber schon so wie hier in Deutschland vor 150 Jahren", hielt sie mir entgegen.

„Ja, in der Hinsicht vielleicht schon. Aber manchmal lohnt es sich auch zu überlegen, wo wir im Westen 150 Jahre zurückliegen. Ich meine, vier von fünf Menschen, die in Dubai leben, sind Ausländer. Eine Horrorvorstellung für viele Menschen in unseren Breitengraden. Und hier leben sie in Frieden zusammen und werden von den Emiratis geschätzt. Die Leute arbeiten hart und haben einen gemeinsamen Traum und sehen, wie sich ihr Leben in den vergangenen zwanzig Jahren verbessert hat. Vielleicht so, wie damals der American Dream in den USA. Gibt es Sachen, die man in den Emiraten verbessern kann? Ja, zur Genüge. Aber die gibt es auch bei uns", sprach ich etwas brummig in den Hörer.

„Schon okay. Ich ziehe was über die Knie an. Bleib locker. Warum dieser Schnellkurs in Moralphilosophie?", sprach meine Schwester.

„Kannst du dich noch an Marc erinnern?", fragte ich sie.

„Marc? Dein Kindergarten- und Schulfreund? Was hat der damit zu tun?", wollte sie überrascht wissen.

„Er hat mich zu einer Klassenzusammenkunft eingeladen. Als ich ihm am Telefon gesagt habe, dass ich in die Emirate ausgewandert bin, wurde er sauer. Er fragte mich, was mir einfalle, für Terroristen zu fliegen, die die westliche Welt zerstören wollen. Wegen Leuten wie mir werde zum Beispiel die Lufthansa pleitegehen. Ich meine ... geht's noch? Wie krank ist das. Hat der schon mal die unglaubliche Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Emiratis erlebt? Keiner will hier etwas zerstören. Ich bin es einfach Leid, mit Vorurteilen konfrontiert zu werden", sagte ich.

„Gut, Marc ist auch keine Referenz für Schnelldenker. Aber ich bin ja in einer Woche bei dir und schaue mir das mal an und bilde mir dann eine Meinung. Uwe wird wohl auf deiner Seite der Geschichtsschreibung stehen. Er bereitet sich schon seit einem Monat auf die Reise vor und kommt aus dem Staunen nicht mehr raus", sprach Natalie versöhnlich.

„Ist schon gut. Sorry. Ich mag nun mal keine moralischen Ferndiagnosen. Hatte das Gespräch mit Marc vor vier Tagen. Gut, dass du dir deine eigene Meinung bilden willst", ergänzte ich.

„So, mein lieber Bruder. Fast wäre dein Plan aufgegangen!", lachte Natalie in den Hörer.

„Was für ein Plan?", wollte ich etwas überrascht wissen.

„Die berühmten Martin Engelmann Nebelpetarden. Man lenke das Gespräch beiläufig in eine andere Richtung, um das ursprüngliche Thema in Vergessenheit geraten zu lassen", sprach Natalie sich ihrer Sache ziemlich sicher.

„Wow, was für ein Satzbau ... in Vergessenheit geraten zu lassen. Ich vermisse dich und deine Wortfuchsereien", sagte ich. Und ja, ich vermisste wahrlich die endlosen Gespräche mit meiner Schwester bis spät in die Nacht. Ich wusste, dass bei uns durch Reiberei Wärme entsteht.

„Haha, du tust es schon wieder. Los, erzähl mir lieber was von der Frau, von der ich neben dem Wetter mehr erfahren will", hörte ich sie frohen Mutes.

„Also doch nicht das Wetter", sagte ich auf eine Art, die signalisierte, dass ich sehr wohl wusste, dass die meteorologischen Begebenheiten nicht der Grund ihres Anrufes waren.

„Komm, gib es zu. Du versuchst es noch einmal mit Sza Sza, stimmt's?", wollte sie aus mir herauskitzeln.

„Nein, es ist nicht Sza Sza. Es ist leider fürchterlich kompliziert und würde nicht funktionieren", sprach ich.

„Och Bruder. Was machst du auch für Sachen. Warum denn nicht?", wollte sie ganz interessiert erfragen.

„Es war die Tochter meines Captains und sie steht noch ganz wo anderes im Leben", sagte ich.

„Ganz wo anderes im Leben? War sie wie Stacy schon fast in Rente?", lachte sie über ihre eigene Aussage.

„Wie witzig. Nein. Sie ist erst achtzehn und na ja ... ich kann unmöglich mit ihr zusammenkommen. Ihr Vater würde mich wahrscheinlich lynchen oder wie in Somalia ans Auto binden und wie amerikanische Soldaten durch die Stadt schleifen", sagte ich mit ziemlich viel „Drama".

„Ihr Papa und unterschiedliche Lebensphasen sind zweierlei Dinge. Oh Gott, das Mädchen ist fast zehn Jahre jünger wie du und Stacy fast zehn Jahre älter. Kannst du nicht mal eine in der Mitte finden, so in deinem Alter?", fuhr sie fort. Ich hatte mit einer Schimpftirade gerechnet. Niemals hätte ich gedacht, dass sie mich so ungeschoren davonkommen lässt, obwohl ich so junges Gemüse angefasst habe. Aber ich wusste auch, dass Olivia im Grunde schon emotional ihrem Alter weit voraus war. Ich überlegte mir, ob ich meiner Schwester was von der „gleichaltrigen" Charlotte und den Malarbeiten erzählen soll, aber ich liess es sein.

„Ich bleibe Single, obwohl ich noch viel an Olivia denken muss", fuhr ich fort.

„Olivia hiess die Gute?", wollte Natalie wissen.

„Ja", seufzte ich schwärmend ins Telefon.

„Tut mir leid, Bruderherz", sagte sie und ich wusste aufgrund ihrer Stimmlage, dass das Thema Frauen jetzt durch war.

„Schön seid ihr bald da. Jetzt habe ich zwei Tage frei und fliege dann vier Tage lang kurze Strecken im Nahen Osten. Ich freue mich nach Teheran zu fliegen und zwei Stunden iranischen Boden unter mir zu haben. Irgendwie ein spezielles Gefühl, wenn man unsere westliche Medienberichterstattung im Hinterkopf hat. Hier ist das ein normaler Flug", sagte ich.

„Du bist aber nicht konvertiert, oder?", neckte mich Natalie.

„Meinst du tatsächlich, dass meine Frauengeschichten mit dem Koran im Einklang stehen würden?", fragte ich zurück.

„Du hast recht. Keine Chance", lachte sie in den Hörer. „So, dann erhol dich mal gut und schreib noch deiner Lolita", foppte sie mich.

„Haha, sehr witzig", sprach ich etwas sauer, fand den Spruch aber eigentlich ziemlich schlagfertig. „Geniess den frühen Abend und wir hören uns bald", sagte ich.

„Oh, halt. Noch eine Frage. Ist es okay, wenn Uwe und ich bei dir wohnen oder sollen wir vielleicht doch lieber in ein Hotel? Hat ja einige gleich bei dir um die Ecke", sprach Natalie. Ich wusste, dass es ihr aber nicht nur um mein Wohl geht.

„Falls du damit sagen möchtest, dass du gern ungestört mit Uwe schnackseln möchtest, ist das kein Problem. Ihr bekommt das Schlafzimmer und ich nehme das Sofa in der Galerie", sagte ich. Natalie lachte laut.

„Schnackseln?", fragte mich meine Schwester gut amüsiert.

„Ja, hat unser österreichischer Kollege Herbert immer gesagt. Bedeutet wohl so viel wie poppen oder begatten", erklärte ich. Fünf Sekunden später beruhigte sich ihr Lachanfall wieder und sie verabschiedete sich ganz freundlich.

Kurz nach dem Anruf begab ich mich in den richtigen Chat-Verlauf und schickte Olivia noch das gewünschte Foto, aufgehellt und gestochen scharf. Wir chatteten eine Weile und ich legte mich danach hin.

Am nächsten Morgen bekam ich unerwarteterweise einen Anruf von einer fröhlichen Frau mit einer äusserst charmanten Stimme. Sie war von Crew Control und gab mir eine Einsatzänderung bekannt. Meine mehrtägigen kurzen Hüpfer im Nahen Osten wurden kurzfristig gegen einen Flug nach Venedig mit zwei Übernachtungen getauscht. Ein ausgezeichneter Tausch, angesichts der Tatsache, dass der Start nach neun Uhr vormittags auch ziemlich human ist. „Scheisse, das Wetter", kam mir in den Sinn! Ich machte mich über die Wetterverhältnisse auf dem alten Kontinent schlau und musste tatsächlich eine Waschmaschine starten, um die richtigen Kleider für „Europa" mit seinen Jahreszeiten einpacken zu können.

Am frühen Nachmittag kam noch Magnus spontan vorbei und wir schauten den Film Blair Witch Project aus dem Jahre 1999 an.

Nach gut einer halben Stunde vibrierte mein Telefon. Eine Nachricht von Olivia.

«Ich muss dich heute wiedersehen. 18:00 Uhr, Metro Station Emirates Towers. Halbwegs in der Mitte. Okay?»

Sie hatte sich gemerkt, dass ich in Marina wohne. Für sie war der Weg viel umständlicher, da sie in einem Compound in Flughafennähe lebte. Dabei handelt es sich um bewachte Siedlungen mit einer kontrollierten Zufahrt, die mehrheitlich durch Expats bewohnt werden. Mir passte die Zeit angesichts meines morgigen Fluges nicht wirklich. Aber ich schluckte die Kröte, um sie zu sehen. Ach ja, Expats sind genau genommen Mitarbeiter einer Firma, die ins Ausland versetzt werden und dort leben. In den letzten Jahren mutiert dieser Begriff allerdings zu einer Floskel für Staatsbürger aus westlichen Ländern, die sich schämen, sich als Arbeitsmigranten zu outen. Hand aufs Herz. In Deutschland hätte ich nie und nimmer schon einen grossen Airbus fliegen können. Ich bin ausgewandert, um die grossen Vögel zu fliegen, sprich, ich bin nichts anderes als ein westlicher Immigrant.

Ich bestätigte den Vorschlag und freute mich darauf. Klar, das war komplett verrückt und höchst irrational. Ich hätte absagen müssen. Doch nur schon die Aussicht auf einen Tee in einem gemütlichen Restaurant erwärmte mein Herz. Ich fragte mich, warum sich als Erwachsener das Richtige so oft falsch anfühlt oder ist es genau umgekehrt, dass man das Falsche als richtig empfindet? Augen zu und durch. Ich möchte das aussortieren. Klare Verhältnisse. Nicht wie damals mit Sonja, als plötzlich eine Stacy aus dem Nichts aufgetaucht ist.

„Hey Martin, alles klar? Du bist so ruhig", sprach Magnus.

„Doch, doch. Ich muss heute Abend noch spontan etwas erledigen. Ich ging das kurz gedanklich durch", sagte ich.

„Ne Frau?", schlussfolgerte er richtig und stoppte den Film. Er gab all dem damit eine Tragweite, die fast schon übertrieben wirkte. Ich war überrascht, wie schnell er des Pudels Kern erfasst hatte.

„Ja, was Platonisches. Wir müssen nur etwas besprechen", sagte ich.

„Wow, okay. Bei mir wurde es immer ernst oder kompliziert, wenn eine Frau mit mir ‚nur' reden wollte", sprach der Kanadier. „Wenn ich dir helfen kann, auch wenn es nur darum geht, deine Gedanken zu sortieren, bin ich für dich da. Wenn du es willst, versteht sich", ergänzte er feinfühlig. Er überliess mir die Hoheit.

Ich liess mir den Gedanken durch den Kopf gehen und gab Magnus den Vertrauensbeweis, dass er vom Knappen zum Ritter geschlagen wurde und für mich zu einem Freund mutiert ist. So weihte ich ihn in die jüngsten Geschehnisse ein, ohne Namen zu nennen.

Er schwieg und atmete tief ein. Ich deutete dies als eine Reaktion auf den Altersunterschied zwischen Olivia und mir. Ich schämte mich etwas.

„Nun gut. Wo liegt das Problem? Wenn du 48 bist, ist sie 40 Jahre jung. Gut für dich. Also, das ist nicht das Thema. Ihr Papa. Tja. Das ist eine ganz andere Hausnummer. Für ihn spricht allerdings, dass er einen Alu-Baseballschläger aus dem Hause Wilson hat. Er legt Wert auf Qualität... und sorgt sich um seine Tochter. Das ist löblich. Du bekommst aber bestimmt Rückendeckung von ihrer Mutter. Wenn du sie überzeugst, hast du ihn in der Tasche. Sie stand dir wohl gesonnen gegenüber, richtig?", wollte Magnus konkludieren.

„Ja, aber jetzt stand es höchstens zwischen den Zeilen, dass wir ineinander verknallt waren. Meinst du, das bleibt so, wenn es offiziell wäre? Was, wenn herauskommt, dass wir schon auf der Insel... du weisst schon!?", sprach ich.

„Heut Abend redet ihr erst einmal. Dann entscheidet ihr ‚zufällig', dass ihr euch datet und weiht Olivias Mutter nach ein paar Wochen ein. Danach überzeugt ihr alle zusammen ihren Papa, dass du auch abgesehen vom Fliegerischen ganz in Ordnung bist und trinkt anschliessend einen Cabernet Sauvignon. Eigentlich ganz einfach, oder?", sprach er mit einer Leichtigkeit, die fast ansteckend war.

„Genau, als ob es so einfach wäre", artikulierte ich meinen Einwand.

„Willst du sie jetzt, oder nicht?", wollte der Kanadier wie in einem Polizeiverhör von mir wissen.

„Schon, ja. Ich hoffe, sie meint es so ernst mit mir, wie ich mit ihr. Ich wäre ihre erste richtige Beziehung", sprach ich.

„Finde es raus. Aber ja, sie ist verdammt jung. Ich finde manchmal hübsche Teenagerinnen durch ihre quirlige Art und Unwissenheit fast schon abstossend. Aber dein Mädchen ist bestimmt anders. Probier es einfach mal. Es gibt keinen Garantieschein in der Liebe", argumentierte er schlüssig.

Ich hatte wahrscheinlich einen nachdenklichen Gesichtsausdruck und nickte ihm wortlos zu. Das Gespräch war zu Ende, es war alles gesagt. Magnus liess den Film weiterlaufen.

Er überzeugte uns keineswegs. Es war damals ein Kultfilm, den wir beide allerdings bis zum heutigen Tage noch nicht gesehen haben. Vielleicht lag es auch daran, dass uns das Genre Horror nicht wirklich zusagte. Aber egal. Geschaut, abgehakt und weggelegt. Das Beste am Film waren aber die fiesen Kommentare, die unsere Lippen verliessen. Ich fühlte mich wie die beiden alten Herren in der Muppet Show, die das Geschehen aus einer Loge kommentierten. Magnus und ich wurden wirklich gute Freunde. Er war geistreich, einfühlsam und hatte einen unglaublich guten Humor.

Nachdem ich den letzten Gegenstand im Koffer für Venedig verstaut hatte, machte ich mich mit einigen Punkten des morgigen Fluges vertraut und studierte die topografischen Verhältnisse sowie die Anflugverfahren des Flughafens „Venedig-Tessèra", der nach dem venezianischen Händler Marco Polo benannt wurde.

Ich machte mich danach in einer vollen Metro auf den Weg in die Nähe von Dubais Finanzzentrum, unserem Treffpunkt. Bisher kannte ich diesen Flecken nur von der Durchfahrt zum Flughafen mit seinen ikonischen Emirates Towers.

Ich freute mich, Olivia zu erblicken. Sie lächelte mich an, wirkte aber etwas steif. Wer konnte es ihr verübeln. Wahrscheinlich wollte sie mir, wie ich ihr, um den Hals fallen. Doch die örtlichen Sitten waren für eine solche Handlung alles andere als förderlich. Sie gab mir hingegen mit einem breiten, mir bestens vertrauten Lächeln die Hand und lehnte sich mit einem mädchenhaften „Hey" begleitet schüchtern zurück. Die Stimmung war gut.

„Schön dich zu sehen", sprach ich und bewegte mich mit ihr fast geistesabwesend in eine Richtung, in der Geschäftsflächen waren. Es wirkte wie eine kleine Mall. Ich vermutete dort ein Café, damit wir in Ruhe sprechen können. „Wie geht es dir?", wollte ich wissen. Sie lief relativ eng neben mir, schaute mir ins Gesicht und lächelte mysteriös.

„Gut", erwiderte Olivia fröhlich. Ich glaube, wir waren beide überwältigt, uns so schnell wiederzusehen. Irgendwie war ich unglaublich glücklich über die Vorstellung, dass wir nach dem heutigen Gespräch das Café vielleicht als Paar verlassen könnten. Mir wurde plötzlich die Tragweite des Gesprächs bewusst. Da war sie mir vielleicht schon voraus.