Swipe, um zu sehen, wer jetzt online ist!

Nóstimon Hêmar

ÖFFENTLICHE BETA

Hinweis: Sie können die Schriftgröße und das Schriftbild ändern und den Dunkelmodus aktivieren, indem Sie im Story-Infofeld auf die Registerkarte "A" klicken.

Sie können während unseres laufenden öffentlichen Betatests vorübergehend zu einem Classic Literotica® Erlebnis zurückkehren. Bitte erwägen Sie, Feedback zu Problemen zu hinterlassen oder Verbesserungsvorschläge zu machen.

Klicke hier

"Ich wollte dir nur noch einmal sagen, Melanie, daß Deine Saunazeit -- wie soll ich es ausdrücken -- also -- die will ich dir überhaupt nicht ankreiden --"

Statt einer Antwort gab ich Waldemar nur einen spontanen Kuß auf die Stirn.

"Und wie ist deine Cousine zu dem Job gekommen -- wenn ich das fragen darf."

"Ihr Männer wollt auf dem Gebiet auch alles wissen! -- Gudrun hat mit ihrem Ex-Mann ziemlich unüberlegt ein Haus gekauft und dann erst gemerkt, was er für ein Ekel ist. Bei der Scheidung konnte sie immerhin das Haus behalten, mußte aber ihren Ex auszahlen. Und da fand Gudrun, es sei am einfachsten, sich etwas zurückzulegen -- kennst du dieses Bonmot?"

"Mit ,sich zurücklegen`?"

"Ja!"

"Nein!"

"Fragt die Bardame ihren gutbetuchten Gast: ,Wie bist du denn so reich geworden?` ,Ich hab gut verdient und dabei etwas zurückgelegt.` ,Und ich hab mich etwas zurückgelegt und dabei gut verdient.` -- Also, Gudrun ist wohl durch eine Ex-Kollegin auf die Idee gekommen, man könne so leicht ganz gut verdienen. Dann hat sie eine Zeit mit dieser Dame in einer Wohnung ,gearbeitet` und ist dann in diesem Saunaclub angekommen."

"Wie ging das so zu in diesem Club?"

"Das hab ich alles für mich aufgeschrieben. Wenn wir uns näher kennenlernen, kannst du das einmal lesen. Reden wir doch nicht hier in der schönen Natur immer wieder von dem Club! Ich hab das nicht in allzu schlechter Erinnerung, möchte aber auch nicht immer darüber reden. -- Sag mal, wann treffen wir uns wieder? Nächsten Mittwoch ist ein interessantes Debutkonzert junger PianistInnen im Konservatorium. Wollen wir da nicht hingehen?"

"Das ist ganz blöd: Wir haben die ganze nächste Woche auswärtige Gäste in der Firma, die ich auch betreuen muß inclusive Abendessen. Ich könnte erst wieder nächsten Samstag."

"Na, dann sehen wir, was wir dann machen! Wir telephonieren! Essen wir in dem Restaurant am Deich noch ein Eis -- oder essen zu Abend?"

"Nur ein Eis! Ich muß dann noch zu meiner Schwester fahren, die hat meine Anzüge für nächste Woche gebügelt, und bei denen werde ich wohl auch zu Abend essen."

Wir waren inzwischen beim Restaurant angekommen uns setzten uns auf die Terrasse. Ich fragte Waldemar:

"Von deiner Schwester hast du noch gar nichts gesagt!"

"Marianne, in der Familie immer noch Mausi genannt, eineinhalb Jahre älter als ich, geschieden, lebt seit langem mit ihrem Freund Heiner zusammen, Marianne ist begeisterte Chefbuchhalterin, Heiner Sozialpädagoge -- du wirst sie bei Gelegenheit kennenlernen. Seit meine Frau gestorben ist, hilft sie mir bei anspruchsvolleren Sachen wie Anzüge bügeln. Könntest du so was auch?"

"Zur Not ja. Aber nicht gut, und eigentlich hasse ich so was. Die Anzüge von Dieter, meinem Exmann, hab ich meistens zum Aufbügeln getragen, und mit meinen Kleidern mach ich das auch so -- allerdings hab ich in der letzten Zeit meinem Bruder Hans mit seinen Sachen geholfen. -- Wie hieß eigentlich deine Frau?"

"Anne. -- So, Melanie, ich sollte jetzt losfahren, Marianne erwartet mich in zwanzig Minuten -- sie ist streng, auch mit mir -- aber eine ganz liebe -- das merken nur viele nicht gleich! -- Wir telephonieren!"

"Noch eine Frage, wo wir dabei sind: Hast du noch mehr Geschwister, und leben deine Eltern noch?"

"Eltern hab ich nicht mehr, aber noch einen fünf Jahre älteren Bruder, Kasimir -- die Mutter meines Vaters war Polin -- der ist in Frankreich und Professor für deutsche Sprache und Literatur in Montpellier -- der wird sich für dich interessieren -- nicht so, sondern fachlich! -- darf ich ihm von dir schreiben?"

"Ja, natürlich -- nochmal tschüs!"

Ich blieb noch etwas sitzen und schmiedete Pläne -- erst einmal nur Ausgeh-Pläne! Donnerstag mußte ich also allein zu dem Konservatoriums-Konzert gehen oder mir einen anderen Begleiter oder -- wahrscheinlich -- Begleiterin suchen, ich würde eine Musiklehrerin an meiner Schule fragen -- aber am Sonntag war in der Musikhalle ein Klavierkonzert mit Werken unter anderem von Beethoven und Bartók -- ich wollte einfach zwei Karten besorgen und hoffen, daß Waldemar mitkommt.

Für das Klavierkonzert bekam ich noch gute Plätze. In das Konzert im Konservatorium ging ich allein, da meine Kollegin keine Zeit hatte, und lehnte auch nach dem Konzert die abschlepp-artige Einladung zu einem Gläschen Wein eines Ex-Kollegen ab, der von früher Anderes von mir gewohnt war.

Als ich wieder zu Hause war, rief ich Waldemar an -- keine Antwort. Das wiederholte ich etwa alle halbe Stunde bis um ein Uhr nachts, da meldete sich Waldemar.

"Hallo Waldemar, hier ist Melanie. Na, wie war's?"

"Anstrengend und langweilig. Und bei dir?"

"Bei dem Konzert hast du was versäumt. Solche Konzerte sind eigentlich immer viel interessanter als die großer Pianisten. Aber ich hab da was für dich, rat mal was!"

"Woher weißt du -- aber was soll ich raten -- ein Buch -- ein neues Hütchen zum Spazierengehen -- mein altes von Sonntag ist ja schon ziemlich hinüber --"

"Auf dein Hütchen hab ich am Sonntag am allerwenigsten geachtet -- nein, du rätst es wahrscheinlich nie -- es ist auch extrem schwierig: Ich hab uns zwei Karten für das Konzert am Sonntag in der Musikhalle besorgt -- du kommst doch mit -- es gibt Beethoven und Bartók und noch was -- ich weiß gar nicht mehr was -- ein kurzes Stück, damit man zwei Stunden Musik für sein Geld bekommt."

"Ja, das ist eine sehr gute Idee -- ich komme gern!"

"Das ist ja schön -- aber was hast du gemeint mit ,woher wußtest du`?"

"Ich dachte, du hättest herausbekommen, daß ich am Montag Geburtstag hab, und du hättest dafür etwas für mich -- dann kann ich dich ja gleich für Montag abend einladen."

"Danke! -- Es ist doch nicht etwa der fünfzigste?"

"Nein, das ist nächstes Jahr, erst 7 mal 7 -- wie diese Sexführer!"

"Du wirst frech, mein Lieber -- ihr habt wohl einiges getrunken -- diese Sexführer heißen übrigens nicht 7 mal 7, sondern von 7 bis 7, aber was macht das für ein Unterschied! -- Also nochmal vielen, vielen Dank für die Einladung -- und wünscht du dir was Besonderes?"

"Nein! Bring nur gute Laune mit!"

"Ich werde mir Mühe geben! -- Gute Nacht, schlaf schön!"

"Danke, du auch -- tschüs! Dann kannst du auch Marianne und Heiner kennenlernen."

"Ich freu mich! Dann nochmal tschüs, aber wir sehen uns ja noch am Sonntag."

Da ich allmählich das deutliche Gefühl bekam, daß es mit Waldemar etwas Längeres und Ernsteres werden würde, wurde ich unsicher in der Kleiderfrage. Und so rief ich Waldemar am Sonntag nachmittag an:

"Hallo, Waldemar, hier Melanie. Sag mal, was ziehst du heute abend an: elegant oder sehr elegant."

",Elegant` genügt doch, Melanie. Du weißt doch auch: Heutzutage kann man alles anziehen, von Jeans bis zum Frack beziegungsweise langem Kleid mit Schleppe."

"Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich etwas ,sehr Elegantes` anzöge?"

"Nein, überhaupt nicht! Zöge gern etwas besonders Schönes an -- ich freu mich schon darauf."

Und so wählte ich ein langes, enges schwarzes Samtkleid, das ich wieder anziehen konnte, nachdem ich in den letzten Monaten -- wohl wegen des Reinfalls mit Martin -- wieder etwas abgenommen hatte.

Waldemar war etwas füher als ich -- wie ich mit dem Taxi -- zum Konzert gekommen, und ich traf ihn im Foyer. Auch er war ,sehr elegant` erschienen, in schwarzem Anzug mit Fliege. Wir waren schon ein Blickfang im Konzertpublikum, und mich sah auch ein Kollege -- der würde mir morgen neugierige Fragen stellen, aber auch nichts weitererzählen, zu dem er nicht ausdrücklich befugt worden war.

Das Konzert war hinreißend, nur in der Pause gestand mir Waldemar, mit "so neumodischem Zeug" wie Bartók könne er nichts anfangen.

"Daran mußt du dich gewöhnen, wenn du ab und an mit mir in ein Konzert gehen willst -- und Bartók, und gerade dieses Klavierkonzert -- ist nun auch nicht mehr als neumodisch zu bezeichnen -- und du hast den Bartók doch noch gar nicht gehört, der kommt doch erst nach der Pause!"

"Ich weiß: Man sagt dazu ,klassische Moderne`, aber trotzdem."

Während des Konzerts drückte ich an Stellen, die mir besonders gefielen, Waldemars Hand, um ihm das anzuzeigen. Und er verstand mich wohl auch, denn nach dem Konzert sagte er zu mir:

"Dank deiner lieben Führung durch das Konzert hab ich das viel besser verstanden als jemals so moderne Musik."

"Na, siehst du -- du gewöhnst dich sicher auch an solche Musik!"

Wir tranken dann noch ein Gläschen Wein, aßen auch eine Kleinigkeit dazu und besprachen den morgigen Geburtstag.

"Ich feier den Geburtstag diesmal nur in kleinem Kreise, nächstes Jahr steht dann etwas ganz Großes an. Es kommen nur Marianne und Heiner und ein Arbeitskollege mit Frau, Herr und Frau Prinz, die mir nach Annes Tod auch sehr geholfen haben. Du brauchst also keine Angst zu haben! Und wenn die gute Marianne am Anfang etwas s-trenge zu dir ist, laß dich davon nicht stören, sie ist nun mal so!"

"Wo feierst du eigentlich?"

"Na, wo wohl? In meiner Wohnung -- du hast doch die Adresse?"

"Ja, die hast du mir gegeben. Und was soll ich anziehen?"

"Also, Melanie, wirklich, du kannst doch anziehen, was du willst, du siehst immer blendend aus. Wie ich die Leute kenne, wird sich Marianne was Schönes anziehen, Heiner kommt in Freizeitlook oder sogar Räuberzivil, und die Prinzens werden normal kommen, er im sportlichen Anzug oder Rollkragenpullover und sie entsprechend."

"Und du -- was ziehst du an?"

"Das verrat ich dir heute noch nicht!"

"Badehose?"

"Möglich, aber unwahrscheinlich! Sei nicht so neugierig, Melanie! -- nehmen wir zwei Taxis, oder lassen wir eines den Umweg fahren -- ach, nehmen wir eins, und du steigst bei dir aus."

"Aber wie teilen wir die Fahrt?"

"Ich bezahl bei mir alles, und wir teilen dann später nach der Entfernung von hier -- oder gleich halbe-halbe."

Waldemar bestellte an der Theke das Taxi und bezahlte unsere Zeche, und als der Fahrer mich vor meinem Haus aussteigen ließ, warf Waldemar doch sehr neugierige Blicke auf das Haus, in dessen siebtem Stock meine Wohnung lag.

Zu Hause packte ich noch Lion Feuchtwangers Roman "Erfolg", von dem ich zwei Exemplare besaß, in Geschenkpapier, überlegte acht mal hin und her und rief dann doch Waldemar noch einmal an, der inzwischen zu Hause angekommen sein mußte, wenn er nicht -- noch etwas Undenkbares unternommen haben sollte! Aber Waldemar nahm ab, und ich sagte:

"Ich wollte nur sehen, ob du gut zu Hause angekommen bist."

"Bin ich, danke!"

"Und legst du dich jetzt schlafen?"

"Wo denkst du hin? Ich richte schon so viel wie möglich für morgen abend -- für Marianne bleibt dann am Nachmittag noch genug zu tun."

"Na, dann entschuldige bitte diese völlig unnötige Störung -- und bis morgen Abend!"

"Störung -- ich höre nur: ,Störung` -- wenn du anrufst, ist das doch keine Störung! -- So, jetzt muß ich weitermachen, und morgen früh um sieben raus -- ich Blödmann hätte mir ja auch frei nehmen können! -- Tschüs bis morgen abend!"

"Tschüs, Waldemar!"

Zum Geburtstag kam ich genau zur verabredeten Zeit in einem weißen sommerlichen Kostüm -- und kam als Letzte, was mir eigentlich nicht so gefällt. Aber die anderen kannten Waldemar ja schon viel länger, und auch Prinzens hatten ihm wohl schon geholfen, denn der lustige Herr Prinz hatte noch eine Küchenschürze um.

Eine formvollendete Vorstellung ließ Waldemar vermissen, er nuschelte nur etwas von "Frau Melanie Knaack -- ihr macht euch sicher selbst miteinander bekannt!" Das tat ich dann auch herzlich mit den "Prinzen", wie sie sich auch selbst nannten; Marianne und Heiner werkelten im Hintergrund.

Aber sobald sie einen Arbeitsgang abgeschlossen hatte, kam Marianne auf mich zu -- kurzgeschnittenes Haar, stechender Blick -- aber das lag an ihrer starken Kurzsichtigen-Brille, die ja immer die Augen kleiner erscheinen läßt -- strenger Gesichtsausdruck -- kleine, nicht sehr schlanke, aber wohlproportionierte Figur -- normaler Rock-und-Blusen-Dress.

"Du" -- du! -- "bist also Waldemars neue Bekannte", sagte sie in ziemlich strengem Ton, als sie auf mich zutrat, und musterte mich von oben bis unten -- nicht wie die meisten Männer umgekehrt. "Du heißt Melanie, sagte Waldemar? Ich bin seine Marianne, seine Schwester!"

"Werden wir gute Freunde beziehungsweise Freundinnen?", fragte ich als Antwort.

"Das will ich doch sehr hoffen", sagte Marianne schon in freundlicherem Ton.

"Dann heiße ich wirklich Melanie!"

Daraufhin umarmte mich die s-trenge Marianne ganz fest, und während dieser Umarmung flüsterte ich ihr ins Ohr:

"Das mit den Namen laß dir mal von Waldemar erklären!"

"Willkommen in der Familie!", sagte Marianne, als sie die Umarmung lockerte, und als ich sie verwundert ansah, fuhr sie fort: "Ja, Melanie, wir leben ja nicht mehr im vorigen, ich meine im vorvorigen Jahrhundert: Unsere nicht angeheirateten Freunde und Freundinnen muß man doch zur Familie rechnen -- oder?"

"Wir kennen uns mit Waldemar doch erst einige Tage!"

"Fast zwei Wochen, wenn ich richtig informiert bin, und dabei bleibt es nicht -- will ich doch hoffen!"

"Ich auch, Marianne! -- Hast du eigentlich Kinder, Marianne?"

"Zwei: eins von meinem Ex und eins geerbt von Heiner. Die sind aber beide schon ausgezogen. -- Wir sehen uns noch im Laufe des Abends -- ich muß weitermachen -- aber einen Tip geb ich dir noch: Ich nenn meinen Bruder meistens Waldi, du kannst dir denken, seit wir Babys waren -- aber du nenn ihn nie so: Er mag das nicht, du kannst dir denken warum: wau, wau! -- So, und jetzt mach dich auch mit Heiner bekannt!"

Heiner war ein stiller, sympathischer Typ, der wohl ein wenig unter der Fuchtel der impulsiveren Marianne stand. Wie sich im Laufe des Abends herausstellte, war Heiner unter uns mehr links eingestellten Menschen der einzige CDU-Anhänger, aber er wußte seine Meinung mit sehr scharfen und schlagenden Argumenten zu verteidigen -- das muß man ihm lassen. Auch war er nicht militant, sondern es gab eine ganze Menge von Punkten, wo er nicht auf seiner Parteilinie lag, sondern es mit Rot-Grün hielt -- ein interessanter Gesprächspartner.

Noch während dieser Vorbereitungen für das gemeinsame Abendessen sagte Waldemar, als er einmal an mir vorbeiging:

"Sieh dich gern überall in der Wohnung um -- ich hab jetzt keine Zeit, dich rumzuführen. Wenn es dir warm wird und du deine Jacke ausziehen willst: Die Garderobe ist heute da hinten im Schlafzimmer!"

Aber mir war es nicht zu warm -- vorerst jedenfalls.

Das Essen verlief lustig und harmonisch, es wurde auch dem Alkohol nicht zu knapp zugesprochen, aber alles hielt sich im bürgerlichen Rahmen. Einmal fragte ich, bei wem ich mich für das gute Essen zu bedanken habe, und Marianne hob gleich wie in der Schule den Finger und sagte "Bei mir! -- Aber die anderen haben ganz gut geholfen -- auch du, Waldi", worauf dieser sie mit einem ungehaltenen Blick strafte.

Auch fanden die "Prinzen" irgendwann, daß es einfacher sei -- "in unserem fortgeschrittenen Zustand" --, wenn wir uns alle duzen würden.

"Ich fang mal an -- ich bin Johanna, und dies ist Johann, genannt Hans -- so passen wir gut zusammen."

Natürlich war ich als einzige noch nicht mit allen Geduzte einverstanden, und Hans erklärte diese Quasi-Namensgleichheit:

"Wir waren beide in einer Pfadfindergruppe, und unser Gruppenleiter hat seine Listen immer nach den Vor- und nicht nach den Nachnamen geordnet -- und so kamen wir immer nacheinander -- und schließlich -- na ja, ihr seht es ja -- wir hatten im vorigen Jahr Silberhochzeit -- schade, daß wir dich da noch nicht gekannt haben, Melanie!"

Kurz, es war ein sehr netter Abend, aber schon verhältnismäßig früh -- so gegen halb elf -- verabschiedeten sich Marianne und Heiner, nicht ohne daß Marianne in eindeutig-zweideutigem Ton gesagt hätte:

"So, wir müssen jetzt gehen, ich hab morgen einen anstrengenden Tag, und wir wollen euch noch ein bißchen allein lassen."

Dem schlossen sich Johanna und Johann an, Johanna machte aber vorher noch mit mir den Abwasch.

Nun war ich mit Waldemar zum ersten Mal in seiner Wohnung allein, und das nutzte Waldemar aus. Zuerst zeigte er mir die ganze Wohnung -- "viel zu groß jetzt für mich allein" -- "aber du brauchst auch viel Platz für deine Bücher" -- "-- wie wahr, wann werde ich die jemals lesen?" --, und er zeigte mir auch das Schlafzimmer.

Auf meinen verwunderten Blick reagierte er sofort:

"Ja, du meinst das schmale Bett. Die Ehebetten habe ich in meiner Verzweiflung nach Annas Tod dem Roten Kreuz für Aussiedler gespendet und mir dies gekauft. Ehrlich: Die Matratze ist besser als die, die wir vorher hatten. Aber sonst --"

"Hier hat sich das Verhältnis abgespielt, von dem du erzählt hast?"

"Meistens bei meiner Freundin damals -- die war ja auch allein -- aber manchmal auch hier."

"Zu schmal für die Liebe ist es eigentlich nicht -- die Enge fördert die Nähe."

"Ja, ja, da magst du recht haben -- einmal bin ich aber auch beim Zur-Seite-Rollen aus dem Bett gefallen!"

"Und jetzt willst du mich wahrscheinlich in dein Liebesnest locken?!"

"Nein, Melanie, du hast ziemlich viel getrunken -- ich auch -- ich will das nicht ausnutzen. Unsere Hochzeitsnacht --"

"Hochzeitsnacht -- an so was hab ich eigentlich noch nicht gedacht -- wir kennen uns doch erst seit -- ja, seit wieviel Tagen eigentlich?"

"Seit zwölf Tagen -- nein, ,Hochzeitsnacht` nenn ich für mich seit meiner ersten Freundin das erste intime Zusammensein -- das war bei mir auch nicht immer der erste Sex mit der Freundin -- und auch, wenn das am hellichten Tage war. Also, ich würde sagen, das genießen wir in nüchternem Zustand -- einverstanden?"

"Das ist sehr nett von dir -- aber -- aber dann setzen wir uns wenigstens noch ein wenig auf die Couch, und umarm mich ganz fest -- ich hab morgen auch einen schweren Tag -- Schulinspektion beim Lateinunterricht -- wahrscheinlich."

So setzten wir uns auf die Couch, Waldemar tat wie ihm geheißen, und hatten wir auch nicht unsere ,Hochzeitsnacht`, so doch unsere ersten sehr intensiven Küsse.

Und ich hatte Waldemars zarte Hand auf meinem Schenkel. Und wieder einmal sagte ich -- schon fast reflexartig:

"Wanderbeine!"

"Weil du so viel gewandert bist und daher so kräftige Muskeln hast -- das hab ich schon bemerkt!"

"Du bist der intelligenteste meiner bisherigen Freunde -- gratuliere! Aber du Wüstling siehst mir auch auf die Beine!"

"Ja, natürlich, auch -- du weißt doch, als Mann --"

"Als Mann! -- Als Mann stehst du jetzt auf und bestellst mir ein Taxi -- und nach dem nächsten Konzert -- ich weiß noch nicht wann -- lad ich dich auf eine Pizza und einen Chianti zu mir ein, und du inspizierst mal, wie es dir bei mir gefällt!"

"Okay, Melanie, ich telephoniere -- und wir telephonieren -- danke für deinen Besuch -- und ich hoffe, du verstehst dich auch mit meiner Schwester."

"Ganz bestimmt -- hast du im Chaos vorhin überhaupt gesehen, was ich Dir zum Geburtstag mitgebracht habe -- und alles Gute dafür und das nächste Lebensjahr hab ich dir auch noch nicht gewünscht!"

"Nein -- danke -- dein Angebinde liegt immer noch in der Diele! Eine Schande! Entschuldige!"

Waldemar telephonierte das Taxi und holte dann mein Geschenk ins Wohnzimmer und öffnete es. Ich erklärte ihm, worum es in diesem Roman ging, nämlich um den Aufstieg der Nazis in München. Waldemar hatte noch nie etwas von Feuchtwanger gelesen, wohl weil diesem Schriftsteller in der "alten Bundesrepublik" der Ruf eines Kommunisten voraus- oder hinterherging. Waldemar ließ sich den Inhalt sehr genau erklären, weil er meinte, das Taxi brauche endlos lange -- aber wider Erwarten kam es nach wenigen Minuten, und wir verabschiedeten uns schnell mit noch einem saftigen Kuß.

Es näherte sich die Sommerpause, und die Gelegenheiten zu Konzertbesuchen wurden seltener. So lud ich Waldemar "einfach so" am darauffolgenden Samstag zum Abendessen ein. Ich besorgte Pizza und Chianti und machte etwas mehr Ordnung in der Wohnung als üblich. Den Samstagsnachmittagskaffee bei meiner Mutter sagte ich für diesmal ab, und sogar ohne falsche Ausflüchte:

123456...9