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Sandstürme - Teil 16

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„Du siehst glücklich aus", sagte Sonja überraschend und gab mir damit zu verstehen, mich gerade beobachtet zu haben.

„Das waren die Steine, die mir am Strand auf Koh Samui wieder Hoffnung gegeben haben. Ich weiss nicht warum ich sie eingepackt habe, aber hier sind sie", sagte ich.

„Die mit dem alten Ehepaar?", fragte sie nach.

„Ja", sagte ich und Sonja schien sich zu erinnern.

Ich ging zu meinem Telefon und verband es mit der Sonos Box.

„Kennst du Neil Halstead?", fragte ich Sonja.

„Nur dieses eine Lied. Two Stones in my Pocket", sprach Sonja, stockte kurz und bekam funkelnde Augen, als sie den Namen des Songs aussprach. Sie wusste wohl sofort, wo ich hinwollte. Ich drückte auf Play und der Song lief im Hintergrund. Ich griff nach ihrer Hand und wir begannen einmal mehr zu tanzen. Es war vielleicht eher eine Umarmung mit Bewegung als ein echter Tanz. Aber ich konnte sie riechen, die Vertrautheit spüren und wurde traurig, sie morgen gehen zu lassen.

„Spent her lifetime loving, spent her lifetime living fine

But since you broke her heart, yeah, she needs a little time

A little time, a little time

Two stones in my pocket, girl, I keep them for my dreams

I give e'm both to you now cause you need them more than me"

Ich nahm ihre Hand und legte die beiden Steine in sie und schloss sie zu einer Faust.

„Du brauchst sie mehr wie ich", sagte ich ihr. „Ich will, dass du glücklich bist", wollte ich sie wissen lassen. „Sorry, dass ich es so verkackt habe", gestand ich ein.

„Ich habe es genauso verkackt", liess sie mich wissen.

„Wir habens verkackt", sagte ich.

„Danke für die beiden schönen Steine. Es waren die Ersten, die du mir nicht in den Weg gelegt hast", sagte Sonja wieder etwas lächelnd und klang noch immer wie verschnupft.

„Darf ich dich nach dem Mittagessen morgen zum Flughafen begleiten?", fragte ich meine Augsburgerin.

„Mittagessen? Ich hab' die Maschine um kurz vor neun Uhr", sagte Sonja und ich fiel aus allen Wolken.

„Oh, dann begleite ich dich. Wir sollten die Wäsche zum Trocknen auf den Balkon stellen. Geht schneller", sagte ich.

„Darf ich alleine gehen? Dein Beisein würde mir das Herz zerreissen", bat mich Sonja ganz herantastend.

„Okay, verstehe", sagte ich und bewegte den Wäscheständer durch die Wohnung auf den Balkon im Schlafzimmer. Sonja sammelte die Kleidungsstücke ein, die während des Transports heruntergefallen sind. Die Ablehnung traf mich mitten ins Herz. Wir hatten so viel Zeit, die wir wegen Fehltritten nicht richtig genutzt haben. Plötzlich ging mir alles für einen würdigen Abschied zu schnell. Ich kam nicht mehr nach. Ich hatte Angst, dass all das, was wir hinsichtlich unserer Trennung im Hotelzimmer in Bangkok an Respekt aufgebaut haben, in letzter Minute zerfallen könnte. Ich fürchtete mich, ihr doch mehr angetan zu haben, als sie vielleicht wahrhaben möchte. Ich liebe sie noch immer und weiss, dass sie mich jetzt wohl mehr bräuchte wie Zsa Zsa. Und ich ging innerlich beim Gedanken fast daran zugrunde, dass wir nahezu keine Zeit mehr hatten. Sie lief uns davon.

„Wie hast du eigentlich die ganze Planung für Dubai gemacht?", wollte Sonja plötzlich von mir wissen. Ich gab ihr paar Tipps und wir legten uns mit ihrem Notebook auf mein Bett. Sie zeigte mir, wo sie arbeiten wird und wir fanden eine Gegend, in der schöne und noch einigermassen erschwingliche Wohnungen verfügbar waren und der Arbeitsweg nicht eine halbe Ewigkeit dauerte. Ich gab ihr noch weitere Empfehlungen, die mir wichtig schienen und sie stellte gute Fragen.

„So, lass uns noch etwas entspannen", sagte ich. Sonja musste lachen. „Was ist los?", wollte ich wissen.

„Nichts. Mir werden nur die Duschen à la Martin fehlen. Da habe ich mich immer schön entspannt", sprach sie heiter. Ich lächelte.

„Oh Mann! Ich bin schon wieder müde", sagte ich.

„Wir sollten etwas essen gehen. Dann kommt wieder Leben in deinen Körper", sprach Sonja und hatte wohl nicht Unrecht damit.

„Ich dachte, du hättest keine Zeit für sowas?", wollte ich von ihr wissen.

„Unsere jugendfreie Session auf dem Bett war gerade sehr effizient. Danke", sagte Sonja.

Wir machten uns bereit und spazierten in ein Sea Food Restaurant im Stile Neuenglands. Xavier hatte mir dieses Lokal empfohlen. Das Restaurant passte zu ihm und Sonja und ich hatten einen gelungenen Abend. Unsere Gespräche drehten sich um Themen in der Zukunft sowie um unsere Wünsche und Hoffnungen. Sie wirkte irgendwie müde und ich hoffte, dass sie sich bis Donnerstag wieder erholen kann. Sie ist dann als Reserve eingeteilt und müsste dann einspringen, wenn eine andere Purserin ausfällt.

Im Gebäude meiner Wohnung angekommen erblickte uns Nelson ganz freundlich und machte Sonja ein Kompliment für die schöne Garderobe und ihre Manieren. Sie sprach ein schönes Englisch wie an der Ostküste, was Nelson begeisterte. Ich hatte manchmal den Eindruck, als ob sie auf Englisch eine noch ausdrucksstärkere Stimme als auf Deutsch hatte. Ich glaube, dass Nelson und sie dicke waren und Sonja grinste beim Zuhören bis über beide Ohren und ihre schönen Zähne kamen zum Vorschein.

In dem Abendkleid sah ich ihr Tattoo zum ersten Mal ohne den Kleber und es war kein Fremdkörper mehr für mich. Auch Nelson schien es nicht wirklich bemerkt zu haben. Es fügte sich einfach. Wir kamen in die Wohnung und als Erstes nahm ich die Wäsche rein und Sonja und ich sortierten sie und packten sie in ihre Koffer. Wir waren müde und putzten unsere Zähne drei Minuten lang und danach überlegte Sonja, ob sie einen frischen Schlafanzug anziehen soll. „Das brauchst du nicht", sprach ich ihr zu und sie zog sich im Schlafzimmer splitterfasernackt aus. Eigentlich meinte ich, dass sie die Unterwäsche hätte anbehalten können.

„Wenn du über mich herfallen wirst, ist das dein Problem", sagte Sonja schmunzelnd.

„Danke für das Angebot. Aber ich lerne, so wie du das mit dem Zähneputzen getan hast", sagte ich.

„Interessant, dass du mich nicht bürsten möchtest", stichelte Sonja und grinste mich an.

„Übrigens. Was ich dir seit unserer Rückkehr nach Bangkok sagen wollte. Ich fand es unglaublich stark von dir, dass du nie einen fiesen Spruch über Zsa Zsa gemacht hast. Ich rechne dir das hoch an. Das zeigt nur dein Niveau", sprach ich zu Sonja.

„Du meinst diese ungarische Schlampe?", scherzte Sonja und ich musste über ihren Humor lachen. Wie bei dem Elvis Presley Witz wollte sie mich trösten und umarmte mich mit ihrem wunderschönen nackten Körper. Ich bekam einen zärtlichen Kuss von ihr und Sonjas vertrauter Körperduft durchdrang mich.

„Ich muss stark bleiben, tut mir leid", sagte ich ihr. Sie küsste mich zärtlich auf die Backe.

„Ich verstehe", sagte Sonja und lächelte mich an. Ich schlief wohl kurz darauf ein.

Als ich aufgewacht bin, war es schon hell und Sonja lag aufgedeckt neben mir. Ich konnte nochmals ihren bezaubernden Körper in all seiner Pracht bestaunen.

Ich Dummkopf stellte mir noch die Frage, ob ich lieber neben Zsa Zsa oder Sonja aufwachen wollen würde. Ich war ignorant genug um auf mein Herz zu hören, das sich für Sonja aussprach, obwohl sie es mir auf der Insel zusammen mit Rodion gebrochen hatte. Ich deckte sie zu, damit sie sich nicht erkältet. Das weckte sie aber auf. Sie lächelte mich an, aber ihr Gesicht wurde Sekunde um Sekunde ernster, bis es einen neutralen Ausdruck einnahm.

„Wow. Ich fliege gleich. Und es ist aus. Es ist wirklich aus", sagte Sonja mit feuchten Augen. Ich streckte meine Hand aus und zog sie aus dem Bett und ging mit ihr ins Bad. Es war merkwürdig, sie in diesem Moment nackt zu sehen. Sie zog sich die bereitgelegten Kleider an und kämmte sich die Haare, während ich duschte. Ich fragte mich kurz, ob das für Zsa Zsa okay war, aber ich glaube, ich hatte grössere Probleme wie das hier. Sonja schaute mich nochmals genau an, als ich aus der Dusche stieg und lächelte mir schüchtern zu. Sie verwandelte sich wieder in diese unglaublich bezaubernde Frau, die sie im Grunde immer war, auch wenn sie nicht geschminkt war.

Ich wusste aber, dass ich all diese Gefühle, die ich noch für diese Frau empfinde, bis zu ihrer Abreise aushalten muss. Ich ging in die Küche und packte das Gebäck aus, das ich gestern Abend noch für das improvisierte Frühstück für heute Morgen gekauft hatte. Dazu gab es noch Orangensaft. Ich legte alles auf den Esstisch und deckte ein. Ich sah Sonja nun mit beiden Koffer aus dem Schlafzimmer kommen. Sie sprach nicht, schaute mich nur sentimental an und exte nahezu im Stehen den Orangensaft. Nach fünf kräftigen Schlücken war der gelbe Saft weg.

„Würde es dir was ausmachen, mit mir schon bald zur Metrostation zu laufen?", fragte mich Sonja.

„Möchtest du nicht was vom Gebäck? Du wolltest das Teil mit Käse und Speck", sprach ich zu ihr. Irgendwie wusste ich schon jetzt, dass sie nichts essen wollte.

„Danke, ist sehr lieb. Aber ich habe keinen Appetit", sagte die Augsburgerin.

„Schon okay. Ich kann es dir einpacken, dann kannst du es mitnehmen", sagte ich pragmatisch.

„Nein, lass gut sein", hauchte Sonja mit einem traurigen Blick. Sie schaute mir tief in die Augen und versuchte zu lächeln.

„Du möchtest los, richtig?", begann ich zu verstehen. Sonja nickte zustimmend und kniff ihre Lippen zusammen. „Also gut, dann lass uns gehen", sprach ich und bewegte mich zur kleinen Garderobe.

„Ich muss noch unten den Schlüssel zurückgeben", sprach Sonja, als sie sich die Sandaletten anzog.

„Ist okay, lass ihn hier. Ich mache das später", sagte ich. „Hast du deinen Boarding Pass ausgedruckt?", wollte ich von ihr wissen.

„Oh mein Gott, das habe ich voll vergessen", sagte Sonja.

„Kein Ding", ich holte mein iPad und wir suchten ihr noch einen netten Platz aus und ich druckte das Ticket aus und sprang in die Galerie um es zu holen. „Deinen Pass hast du griffbereit?", sprach ich, als ich die enge Wendeltreppe herunterlief.

„Ja, den habe ich", sagte sie sehr ruhig. Ich überreichte ihr das Ticket und streichelte ihrem Oberarm entlang. Sie quälte ein Lächeln über die Lippen und schaute mir nochmals in die Augen. Ich wollte sie umarmen, Trost schenken oder Zuversicht geben. Irgendetwas hielt mich zurück. Ich liess es bleiben.

Jeder von uns hatte einen Koffer und wir liefen schweigend zur Metrostation, die nahe der Autobahn lag. „Du hast es echt schön hier", sagte Sonja, nachdem wir schon zwei Minuten in Marina unterwegs gewesen sind. Ich fand keine gute Antwort darauf.

„Es freut mich, dass es dir gefällt", sagte ich, um nicht unfreundlich zu wirken und um das Gespräch am Laufen zu halten.

Nochmals waren für rund zwei Minuten nur die Autos und das Treiben auf den Strassen zu hören. Wir kauften ihr ein Metro-Ticket zum Flughafen und kamen den Schranken, durch die man mit einem Ticket zu den Geleisen kommt, immer näher. Im Hintergrund hörten wir Ansagen auf Arabisch und Englisch und Wortfetzen von Passanten. Mir ging nur durch den Kopf, dass es das nicht schon gewesen sein kann. Ich war verzweifelt. Mein Herz blutete vor Unmut.

„Und ich soll wirklich nicht mit?", wollte ich von Sonja wissen, um noch weitere 50 Minuten mit ihr zu erschleichen.

„Das würde ich nicht schaffen", sagte Sonja und fiel mir schluchzend in die Arme. Wie im geparkten Flieger in Köln tauchte ihr Gesicht in meiner Halspartie ab. Ich spürte, wie angespannt ihr Körper war. Im Hintergrund klingelte ein Handy und ein euphorischer Franzose nahm das Telefon ab und wäre fast in uns hineinmarschiert.

„Es gibt eigentlich nur noch etwas, das ich dir sagen wollte. Danke und Entschuldigung", sprach Sonja und blickte verheult in mein Gesicht.

„Auch ich bin dir unendlich dankbar für das alles hier und das mit Stacy und Zsa Zsa tut mir schrecklich leid", sprach ich zu Sonja.

„Ich hoffe einfach, dass Zsa Zsa nicht schwanger ist und du mit jemandem zusammen kommst, den du wirklich liebst. Ich will, dass du glücklich wirst. Trotz allem", sagte Sonja und eine Träne löste sich am linken Auge. Sie kullerte unglaublich schnell ihre Wange herunter.

„Das wünsche ich dir auch, von ganzem Herzen", sprach ich.

„Ich melde mich wegen des Baby- und HIV-Tests bei dir, okay?", sagte Sonja

„Ja, und ich mich wegen meines Resultats", antwortete ich ihr.

„Okay, dann pass gut auf dich auf, Tschüss!", sprach Sonja tapfer, aber mit zittriger Stimme und legte ihre rechte Hand auf meine Brust.

„Ja. Du auch auf dich. Mach's gut", sagte ich und ärgerte mich über diese oberflächliche Abschiedsfloskel meinerseits. Die Lärmkulisse setzte mir zu. Ich fühlte mich wie ein Autist.

Sonja zog ihren Schnodder die Nase hoch und wischte sich eine Träne weg. Sie griff wie eine Frau von Welt entschlossen zu ihrem Koffer und lief die letzten fünfzig Meter zur Schranke. Ich blieb fassungslos stehen und sah sie von mir weg driften. Ich war wie angewachsen und schaute ihr nach. Sie suchte ihr Ticket in einer ihrer Taschen und schien es kurz darauf gefunden zu haben.

„Sonja!!!", rief ich, als ob mein Leben davon abhing. Sie drehte sich aufhorchend und abgekämpft in meine Richtung. Ich hatte durch den Schrei wieder Energie, um mich zu bewegen. Ich rannte zu Sonja und fasste ihr an die Schultern und blickte in ihre schönen Augen und atmete schwer.

„Egal, wie hart die kommenden Wochen werden. Es wird immer jemanden geben, dem du nicht egal bist und der an dich glaubt. Sonja, ich liebe dich. Und jetzt kommt noch was, dass ich einmal auf Google oder so gefunden habe und jetzt wahrscheinlich komplett falsch wiedergebe. Aber es ist mir wichtig, dir das zu sagen. Egal, was hinter dir oder vor dir liegt. Was zählt, ist das, was in dir steckt. Und bei dir ist das ne ganze Menge. Ich glaube an dich, dann solltest du es auch tun", sagte ich.

Sonjas Lippen zitterten und sie versuchte einen Heulkrampf mit aller Kraft zu verhindern und nickte nur wortlos. Sie schaute mir noch einmal tief in die Augen und sagte fast schon unverständlich „Ich liebe dich auch!" Es wirkte beinahe so, als ob sie noch ihre letzten Kräfte mobilisiert hätte, um diesen Satz über ihre Lippen zu bringen.

Sie drehte sich mit nach unten gewandtem Kopf langsam um, legte ihr Ticket auf den Scanner der Schranke und ging mit ihrem Koffer durch und schaute nicht zurück. Ihr Koffer wirkte auf einmal so unglaublich gross für diese Frau. Ich blickte ihr noch lange nach, bis sie im Trubel verschwunden war und setzte mich auf eine Bank. Ich konnte meine Tränen nicht zurückhalten. Wir waren gescheitert. Ich war leer. Fertig mit der Welt. Ironischerweise dachte ich an den Rückflug von Bangkok und den Irrglauben, meine Beziehungsprobleme mit dem Gewitter dort zurückgelassen zu haben. Und nun ist mein Optimismus zusammen mit Sonja verschwunden.

„Sie fliegt zurück nach Deutschland?", fragte mich plötzlich ein älterer Herr, der neben mir auf der Bank sass und unglaublich gross war. Ich schätzte ihn auf mindestens 1,95 Meter. Er hatte dünnes weisses Haar und sein Gesicht wirkte durchlebt, aber ausdrucksstark.

„Ja, Frankfurt", sagte ich erstaunlich offen, obwohl ich den Mann nicht kannte. Ich bereute im Nachgang meine vielleicht naive Aussage. Er nickte bestätigend und wortlos während meiner Antwort.

„Eine meiner Töchter lebt in der Nähe von Frankfurt. Verheiratet und zwei Kinder. Kleine Kids mit grossen Stimmbändern", sagte der Herr lachend mit einem dezenten amerikanischen Dialekt.

„Sie sind bestimmt ein passionierter Grossvater", sagte ich.

„Es macht Spass", sagte er. Er hatte etwas Vertrautes. „Es ist nicht mehr so verbindlich, wie mit den eigenen, dafür hast du noch alle Vorteile, die dir nur kleine unschuldige Wesen schenken können. Es ist wundervoll", begann er zu schwärmen.

„Freut mich", sagte ich.

„Weisst du was, mein Junge? Das wirst du auch mal haben. Und weisst du, was mein Grossvater immer gemacht hat, wenn ich einer Frau nachgeweint habe?", fragte mich der grosse Mann und entlockte mir damit ein Lächeln.

„Nein, Sir! Was hat er gemacht?", fragte ich leicht grinsend.

„Er hat mir immer einen zweitklassigen Zaubertrick gezeigt. So wie der hier, warte mal kurz", sprach er und suchte was in seiner Hosentasche. Er seufzte, als ob ihm die Bewegung schwerfiel. Es sah fast schon unbeholfen aus. „Hier, was ist das?", fragte er mich schelmisch.

Ich bekam einen Kugelschreiber in die Hand gedrückt. „Das ist ein blauer Kugelschreiber", sagte ich.

„Nicht irgendein Kugelschreiber, sondern einer mit Deckel", sagte der Mann.

„Okay, ein blauer Kugelschreiber mit Deckel", sprach ich nach.

„Wie du gesehen hast, ist nichts faul an dem Kugelschreiber!", sagte er zu mir.

„Alles in bester Ordnung", sagte ich. Er legte den Deckel in die eine Hand und nahm den Kugelschreiber in die andere.

„Ich werde jetzt den Deckel auf den Kugelschreiber zaubern. Schau mal", sprach er. Er bewegte den Arm mit dem Kugelschreiber auf und ab, immer zum Deckel gewandt. Plötzlich verschwand der Kugelschreiber und kam Sekunden später wieder zum Vorschein, um einige Sekunden später wieder zu verschwinden. Ich musste schmunzeln und war beeindruckt. „Mist, eigentlich wollte ich nicht, dass der Kugelschreiber verschwindet. Aber ich habe erst jetzt kurz vor meiner Pensionierung mit dem Zaubern angefangen und noch einen langen Weg vor mir", sprach der sympathische Herr.

„Ich finde, Sie sind auf einem sehr guten Weg", sprach ich. „Wie geht der Trick?", wollte ich wissen.

„Ein echter Zauberer verrät nie seine Tricks. Sonst verfliegt die Magie. Es ist wie in der Liebe. Lass die Magie zu und hinterfrage sie nicht. Man sollte sich jeden Tag mindestens einmal verzaubern lassen.

„Vielleicht ist Liebe wie dieser Trick nur eine Illusion", sagte ich und mischte wohl meine eigene Enttäuschung in diese Aussage.

„Vielleicht. Aber es bedarf Zeit und Willensstärke, bis man magische Momente selbst erschaffen kann. So wie bei diesem Trick. Auch jetzt habe ich wieder gelernt, was ich das nächste Mal besser machen kann", sagte der vertrauenswürdige ältere Herr.

„Danke ... vielen Dank für die gelungene Ablenkung", sagte ich noch immer etwas durch den Wind.

„Das ist die wichtigste Fertigkeit beim Zaubern", sagte er lächelnd. Der Mann hatte meinen Seelenschmerz etwas gelindert.

„Ich bin übrigens Martin", sagte ich.

„Ich bin Bill. Du hast einen schönen Namen. Mein Cousin Martin heisst auch ... Na ja, wenn du jetzt genau aufgepasst hast, kennst du die Antwort", sagt Bill lachend.

„Danke Bill. Und bis zum nächsten Mal", sagte ich ihm und hoffte, dass ich ihn eines Tages wieder sehen würde.

„Bis bald", sprach er schlicht und schaute zu mir auf, als ich von der Bank aufstand.

„Ich freue mich auf den nächsten Zaubertrick", sprach der kleine Junge in mir zu Bill.

„Ja. Ich werde weiterhin jeden Tag üben, um besser zu werden. Eines Tages benötige ich dann eine hübsche Assistentin und eine Säge. Man sieht sich", sagte Bill und ich glaubte ihm, dass wir uns mal wiedersehen. Er blieb sitzen und schaute weiter dem Treiben zu. Als ich mich einige Sekunden später nochmals kurz umgedreht habe, um mir sein Gesicht einzuprägen, fiel mir auf, dass neben ihm ein kleiner Rollkoffer stand, auf dem ein Pilotenhut meiner Airline lag. Auch seine Hose erinnerte mich an meine Uniform. Nur das Hawaii-Hemd passte nicht dazu. Ich überlegte kurz, ob ich zurückgehen und ihn darauf ansprechen soll. Aber ich vertraute darauf, dass ich ihn irgendwann wieder sehen werde.

02. EIN TAG MIT ZSA ZSA

Es war noch früh. Irgendwie hätte ich gerne mit meiner Schwester gesprochen, aber Deutschland war zu jener Stunde noch im Schlaf versunken und ich wollte sie nicht wecken. Stattdessen entschied ich mich Zsa Zsa anzurufen, um ihr zu sagen, dass sie ab jetzt kommen kann.

„Hi. Und, ist sie schon weg?", nahm Zsa Zsa mit gespannter Stimme den Hörer ab.

„Sie ist auf dem Weg zum Flughafen. Ich gehe jetzt zurück in meine Wohnung. Du kannst dich gerne auf den Weg machen. Ich brauche noch einen Moment, um mich zu sortieren, aber in einer Stunde sollte ich wieder der Alte sein", sagte ich.