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Tradition und Ehre

Geschichte Info
Vertrauen und Zuneigung entwickeln sich trotz Widrigkeiten.
34.4k Wörter
4.7
18.9k
9
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Vorwort

Liebe Leserin und lieber Leser, hier folgt meine vierte Geschichte. Sie ist anders als die bisherigen Veröffentlichungen. Dennoch hoffe ich, dass Sie am Ende der Meinung sind, dass die Zeit, die Sie mit dem Lesen verbracht haben werden, nicht verschwendet ist.

Mein Dank gilt wiederum Jochen, für das Korrekturlesen dieser Geschichte. Alle verbleibenden Fehler sind mir und nicht ihm anzulasten.

Alle Beteiligten sind älter als 18 Jahre alt.

Nach einem Jahr ist mir sehr viel konstruktive Kritik zugetragen worden, mit der ich den Text im September 2023 überarbeitet habe.

Nach wie vor freue ich mich über eine Bewertung und konstruktive Kritik.

Prolog

Im Folgenden beschreibe ich in einer tagebuchähnlichen Form die Ereignisse des letzten Jahres, so wie ich sie in Erinnerung behalten habe.

Freitag, 15. Oktober 2021

Missgelaunt saß ich an meinem Schreibtisch! Viel lieber wäre ich an diesem Abend mit meinen Freunden ins Kino gegangen, um den aktuellen Blockbuster zu sehen, anschließend durch die Kneipen und Bars zu ziehen und einen zu trinken. Nach der Lockerung der Restriktionen wegen der COVID-19-Pandemie hatten wir seit längerem geplant, endlich wieder auszugehen. Daraus war für mich nichts geworden, denn nächsten Montag stand eine wichtige Prüfung in der Berufsschule an. Mir war, wie schon öfter vorher, zu spät klar geworden, dass ich viel zu wenig dafür getan hatte. Praktisches ging mir in der Ausbildung leicht von der Hand. Bei der Theorie stand ich mir oft selbst im Weg, weil ich zu spät anfing zu lernen. Da mein Meister mir aber versprochen hatte, dass er mich übernehmen würde, wenn ich einen guten Abschluss schaffte, hatte ich mich gegen das Kino und fürs Lernen entschieden.

Leicht genervt von meiner eignen Schludrigkeit, ließ ich meinen Blick von den vor mir liegenden Übungsaufgaben aus dem Fenster schweifen. Aus dem vierten und gleichzeitig obersten Stockwerk unseres Achtparteienhauses hatte ich ansonsten einen guten Überblick auf die Gartenanlage. Jetzt beleuchteten lediglich einige kleine Lampen den direkt unter mir zu unserem Haus gehörenden Garten. An diesen grenzte hinten, im Schatten liegend, ein Fußweg, dahinter ein weiterer Garten und das dazugehörende Haus gleicher Bauart wie unseres. Der Weg führte mittig zwischen den Gärten zu einem rechter Hand liegenden kleinen Kinderspielplatz. Auf der linken Seite stand rechtwinklig zu den beiden Häusern ein drittes Haus identischer Bauweise, welches den Innenbereich zu einer lockeren U-Form abschloss. In den anderen Wohnungen brannten an diesem Abend nur wenige Lichter. Bei dem schönen Wetter hatten möglicherweise viele den Weg in den nahegelegenen Biergarten gefunden. Im Haus gegenüber, im dritten Stockwerk, sah ich ein Mädchen, ebenfalls an einem Schreibtisch sitzend.

Ich schaute weiter: Im Haus zur linken Seite, im zweiten Stock, waren alle Zimmer der einen Wohnung hell erleuchtet. Keines der Fenster hatte Gardinen und überall standen Umzugskartons herum. Die Bewohner, ein junges Paar, waren offenbar frisch eingezogen und bauten gerade ein Doppelbett im Schlafzimmer auf.

Ich besann mich meiner Aufgaben und arbeitete die nächste Übung durch. Nachdem ich sie gelöst und mit der Musterlösung verglichen hatte, ging ich in die Küche und kochte mir einen Becher schwarzen Tee. Zurück an meinem Platz, lehnte ich mich in meinem Stuhl zurück, schlürfte den heißen Tee und schaute dabei wieder aus dem Fenster. Die junge Frau gegenüber saß weiterhin an ihrem Schreibtisch. Im Schein der Schreibtischlampe war sie gut zu erkennen. Sie blickte in diesem Moment auf und schien über etwas nachzudenken. Dann besann sie sich und schrieb weiter.

Im Nachhinein konnte ich nicht erklären, warum ich es tat, aber ich griff in das Regal neben meinem Schreibtisch und nahm mir das Fernglas, welches mein Opa mir vor Jahren für unsere gemeinsamen Wanderungen geschenkt hatte. Ich holte es aus der Schutzhülle, setzte es an meine Augen und schaute zu ihr hinüber. Ihr Alter konnte ich schwer schätzen, da sie, ihrem Aussehen nach, Vorfahren aus Fernost hatte. Sie hatte tiefschwarze, glatte Haare, die sie mit einem Haarband zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte. Sie hatte ein rundliches Gesicht, feine schwarze Augenbrauen und trug eine Brille mit runden Gläsern und dünnem Rand. Sie hatte wirklich ein süßes Gesicht!

In diesem Moment hatte sie vermutlich jemand angesprochen, denn sie drehte sich um und schien dieser Person zuzuhören. Sie nickte mehrmals kurz mit dem Kopf, als würde sie bestätigen, was ihr gesagt wurde. Danach kehrte sie zu dem zurück, womit sie zuvor am Schreibtisch beschäftigt war. Auch wenn es hieß, dass wir Europäer bei Asiaten Emotionen nur schwer im Gesicht ablesen könnten, vermutete ich, dass sie über etwas unglücklich war. Sie hatte einen traurigen Ausdruck und schien den Tränen nah zu sein. Trotzdem konzentrierte sie sich wieder auf ihre Aufgaben.

Mit dem Fernglas wanderte ich die Nachbarfenster weiter ab. Das junge Paar hatte das Bett inzwischen aufgebaut und war in diesem Moment nicht zu sehen. Ich wollte schon weiter gehen, als ich sah, dass sie in Handtüchern gewickelt ausgelassen ins Zimmer kamen und sich umarmten. Sie ließen sich aufs Bett fallen und schmusten miteinander. Ich wandte meinen Blick ab, da ich kein Spanner sein wollte. Stattdessen richtete ich das Glas zurück zu der jungen Asiatin. Sie schien sich wieder gefasst zu haben und arbeiteten in einem Rhythmus von Schreiben, Aufblicken, Nachdenken und Weiterschreiben. Nach einer Weile schaute sie in die Richtung des linken Hauses, wahrscheinlich hatten die vielen erleuchteten Fenster ihre Aufmerksamkeit geweckt. Plötzlich nahm sie eine Hand vor den Mund und riss ihre Augen weit auf. Ihrer Reaktion nach zu urteilen, vermutete ich, dass sie das junge Paar beim Liebesspiel entdeckt hatte, und ich folgte ihrem Blick mit dem Fernglas. Das junge Paar hatten die Handtücher abgelegt und er lag mit dem Rücken auf dem Bett. Die junge Frau kniete auf der anderen Betthälfte und vergrub ihren Kopf im Schoß des Mannes. Ihre Auf- und Ab-Bewegungen ließen der Fantasie wenig Raum, zu entscheiden, was sie in diesem Moment tat.

Ich hatte ein schlechtes Gewissen, den beiden zuzusehen. Da ich selbst aber noch nie mit einer Frau zusammen war und so etwas nur aus dem Internet kannte, siegte meine Neugier und hielt das Glas weiterhin auf die zwei gerichtet. Dem Mann schien sehr zu gefallen, wie seine Partnerin ihn liebkoste, denn sein Kopf zuckte in unkontrollierten Bewegungen hin und her. Nach einer Weile legte er der Frau eine Hand auf den Kopf und brachte sie dazu, innezuhalten. Sie legte sich darauf selbst aufs Bett, mit dem Po an der Bettkante und er kniete sich zwischen ihre weit gespreizten Schenkel. Er vergrub seinen Kopf in ihrem Schoß und verwöhnte sie dort. Da er meinen Blick auf ihren Schoß mit seinem Körper verdeckte, glitt mein Blick aufwärts und ich sah zwei hübsche Brüste, welche die Frau selbst mit ihren Händen streichelte.

Wieder zurück zu der jungen Frau gegenüber: Sie schaute dem Paar weiterhin gebannt zu. Scheinbar suchte sie einen besseren Blickwinkel, denn sie rutschte weiter nach links an ihrem Tisch und beugte sich nach vorne. Jetzt störte sie offenbar die Lampe, denn sie drehte den Schirm zu Seite, so dass ihr Gesicht kaum mehr beleuchtet war. Etwas schien sie erneut zu überraschen, denn sie fuhr sich wieder mit der Hand vor den Mund.

Also wieder auf das junge Paar geschwenkt: Der Mann hatte sich inzwischen aufs Bett gelegt und die Frau sich auf seinen Schoß gesetzt. Sie hob ihr Becken an, griff unter sich und ließ sich auf seinen Schwanz nieder. Sie hob und senkte sich auf dem Stab ihres Liebhabers und die Bewegungen wurden allmählich immer schneller. Er kam ihr entgegen, indem er von unten in sie stieß. Auf mich wirkte die Szene ganz anders als eine vergleichbare in einem Pornofilm. Der Mann strahlte seine Partnerin an und keine ihrer Bewegungen machten den Eindruck, als seien sie einstudiert. So stellte ich mir das inbrünstige Zusammensein eines sich liebenden Paares vor. Erst jetzt wurde mir die Härte meines eigenen Organs bewusst. Ich verspürte jedoch keinen Drang, mich selbst zu befriedigen. Das, was ich in diesem Moment verfolgte, faszinierte mich mehr. Ich schaute kurz zu der anderen Voyeurin hinüber, die ebenfalls von der Szene gefesselt wurde. Das Paar schien seinem Höhepunkt näher zu kommen, denn ihre Bewegungen wurden immer schneller. Mit einem Mal hob der Mann seine Partnerin mit seiner Hüfte empor und bohrte seinen Stab tief in sie hinein und fiel dann zurück. Das Paar blieb engumschlungen liegen und rührte sich nicht mehr.

Meine Gegenüber kehrte zu ihrer ursprünglichen Sitzposition zurück und schaute scheinbar in die Ferne. Sie nahm mich vermutlich nicht wahr, denn anderenfalls hätte sie höchstwahrscheinlich in irgendeiner Weise darauf reagiert, dass ich sie beim Spannen beobachtet hatte. Es dauerte lange, bis sie wieder auf ihre Unterlagen blickte. Das Gesehene hatte sie dem Augenschein nach ziemlich aufgewühlt, denn sie kehrte nicht mehr zu dem vorherigen Wechsel aus Überlegen und Schreiben zurück. Vielmehr verschrieb sie sich häufig, denn sie radierte jetzt öfter.

Ich legte das Fernglas weg und blickte wieder auf mein Lehrmaterial vor mir. Jedoch merkte ich schnell, dass ich nicht mehr in der Lage war, etwas Vernünftiges zu Papier zu bringen. Mir gingen viel zu viele Gedanken durch den Kopf:

Das Liebesspiel der neuen Nachbarn.

Die junge schöne asiatische Frau gegenüber.

Wer war sie?

Warum hatte sie so unglücklich gewirkt, ja fast geweint?

Wer war es, der ihr so zugesetzt hatte? -- Eins ihrer Eltern vermutlich. -- Aber weswegen? Hatte sie Probleme in der Schule? Oder gab es andere Gründe?

War es normal, dass junge Frauen anderen beim Sex zusahen? Ich war fest der Meinung, dass so etwas normalerweise nur Männer taten. -- War so etwas in fernöstlichen Kulturkreisen üblich? -- Ich wusste es nicht - ich kannte keinen Asiaten näher. Und wenn, würde mir das wenig helfen, denn wem würde ich eine solche Frage stellen können?

Ich gab es endgültig auf, an den Sachen für die Berufsschule zu arbeiten. Stattdessen nahm ich mir vor, morgen früher aufzustehen und ausgeruht an die Sache zu gehen. Nach einer kurzen Dusche schaute ich ein letztes Mal zu der jungen Frau gegenüber. Sie saß weiterhin an ihrem Schreibtisch und arbeitete. Sie tat mir leid. An einem Freitagabend gab es schönere Dinge zu tun, als zu lernen. Vielleicht hatte sie ein ähnliches Problem wie ich mit dem Lernen, mit dem Unterschied, dass ich für heute aufgegeben hatte.

Ich legte mich in mein Bett und erneut ging mir das Erlebte durch den Kopf. Je mehr ich nachdachte, umso mehr Fragen kamen auf, die ich nicht beantworten konnte. Nach einer Weile schlief ich ein.

Samstag, 16. Oktober 2021

Ich stand, wie geplant, früh auf und frühstückte, zur Überraschung meiner Eltern, mit ihnen. Mit einem großen Becher Kaffee versorgt, machte ich mich gestärkt an meine Aufgaben. Nach zwei Stunden hatte ich mehr erreicht, als ich gedacht hatte, und gönnte mir eine kleine Pause. Einen Apfel essend ging ich auf den Balkon und ließ aufs Geländer gestützt meinen Blick über die Grünanlage schweifen. Durch meine Neugierde getrieben, begann ich links bei den Fenstern des jungen Paares von gestern Abend. Diese packten ihre Kisten aus -- nicht sehr erotisch. Unter mir wurde ein Rasenmäher gestartet: Der Nachbar aus dem dritten Stock unter uns begann, die Wiese unseres kleinen Gartens zu mähen, und ich erinnerte mich daran, dass ich nächste Woche mit dem Mähen an der Reihe wäre. Daraufhin wandte ich meinen Blick zu dem Fenster der jungen Asiatin gegenüber: Im ersten Moment war ich enttäuscht, denn sie saß nicht an ihrem Schreibtisch. Bei nochmaligem Nachdenken änderte ich meine Meinung und freute mich für sie, dass sie hoffentlich etwas Schöneres tat, als zu arbeiten.

Mit einem Mal kamen von links zwei kleine Kinder den Weg zwischen den Gärten entlang gerannt. Ich sah ihnen nach, bis sie ihr Ziel, den Spielplatz erreicht hatten. Ich schaute den Weg zurück, da ich mir nicht vorstellen konnte, dass sie alleine unterwegs waren. In diesem Moment bog die junge Schönheit in den Weg ein, die, wie ich, gestern Abend am Schreibtisch gesessen hatte. Sie ging mäßig schnellen Schrittes mit einem Korb in der Hand den Weg entlang. Hatte sie die Aufsicht über die zwei Kinder? Offenbar, denn sie setzte sich auf die Bank am Spielplatz und stellte ihren Korb neben sich ab. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es ihre Kinder waren. Dafür wirkte sie auf mich zu jung. Vermutlich war sie der Babysitter der beiden. Ihre Haltung wirkte erneut, als würde sie etwas bedrücken. Schon bei ihrem Gang zum Spielplatz hatte sie die Schultern hängen gelassen und nun saß sie genauso kraftlos auf der Bank. Wäre ich mit dieser Haltung bei uns im Betrieb meinem Meister begegnet, hätte er mir gesagt, dass ich gerade gehen, Brust raus und Bauch rein nehmen sollte.

Anstatt der meisten jungen Menschen, die ich kannte, holte sie kein Mobiltelefon heraus, sondern schlug ein Buch auf, welches dem Format nach eher ein Schulbuch als ein Taschenbuch war.

Ich fragte mich, ob ihre Niedergeschlagenheit mit dem, von mir beobachteten, gestrigen Gespräch zusammenhing. Aber warum interessierte mich dies überhaupt? Ich kannte sie nicht. Selbst bei Menschen, die ich kannte, bekam ich oft nicht mit, wie es ihnen ging. Oft trat ich in Fettnäpfchen, die andere locker umschifften.

Woher dann dieses Interesse?

Weil sie mit leidtat?

Weil ich sie süß fand?

Weil wir zusammen das andere Paar beim Sex beobachtet hatten? -- Quatsch. Das Letzte konnte nun wirklich kein Grund sein!

Weil sie mir gefiel?

Schon wieder Fragen über Fragen. Ich kam nicht weiter!

Da ich mit dem Lernen gut vorangekommen war, gönnte ich mir, die Pause etwas weiter auszudehnen, und entschied mich, nach unten zu der jungen Frau zu gehen.

Schnellen Schrittes ging ich die Stufen im Treppenhaus hinab und wählte den Weg über die Vorderseite des Hauses zum Spielplatz. Je näher ich ihm kam, desto langsamer wurden meine Schritte. Eine leichte Nervosität überkam mich. Ich hatte mir nicht überlegt, wie ich sie ansprechen sollte. Womöglich verstand sie gar kein Deutsch? Ich war sowieso kein Held im Ansprechen von Mädchen. Zwanzig Meter vor dem Spielplatz blieb ich unschlüssig stehen und suchte nach weiteren Gründen, umzukehren. Sie hatte mich noch nicht gesehen und ich könnte ohne Gesichtsverlust einfach wieder verschwinden.

In diesem Moment rief eines der Kinder, welches auf der einen Schaukel saß: »Kimi, kannst du mir Anschwung geben?«

Das andere Kind rannte von der Rutsche zur anderen Schaukel, setzte sich auf das Brett und rief: »Mich auch!«

Die junge Frau sah von ihrem Buch auf und lächelte die beiden Kinder an. Es war das erste Mal, dass ich sie lächeln sah. Noch nie hatte ich eine Frau so liebevoll lächeln gesehen! So viel Zuneigung zu den Kindern stand in ihrem Gesicht.

Ich denke im Nachhinein, in diesem Moment hat es bei mir Klick gemacht!

Sie neigte den Kopf ein wenig zur Seite und rief ihnen zu: »Meine lieben süßen Quälgeister, ich werde so nie fertig.«

Im Chor riefen die Kinder: »Oh, Kimi ... bitte!«

Sie seufzte, legte das Buch zur Seite und ging zu der Schaukel hinüber. Ihre schlanken Beine steckten in einer Bluejeans und sie hatte ein eng anliegendes schwarzes T-Shirt an. Sie war wohl gut einen Kopf kleiner als ich -- kein Wunder, bei meinen Eins neunzig!

Sie schubste das erste Kind an und sofort beschwerte sich das zweite: »Mich auch!«

Sie wechselte zu dem zweiten und gab ihm ebenfalls Anschwung. Das Erste bremste mit den Füßen leicht ab und quengelte: »Jetzt ich wieder! Ich bin gar nicht mehr hoch.«

Ohne nachzudenken überwand ich meine Scheu, näherte mich den dreien und fragte: »Hallo, kann ich helfen?«

Die junge Frau, welche die Kinder Kimi genannt hatten, sah mich an und fragte: »Du möchtest beim Anschubsen helfen? Hast du denn viel Zeit mitgebracht?«

Auf meinen verständnislosen Blick sagte sie lachend: »Wenn du einmal anfängst, dann wollen sie nie mehr aufhören. Überleg es dir also gut!«

»Ein wenig Zeit habe ich schon«, antwortete ich und stellte mich hinter das Kind, welches in dem Moment nicht von ihr angestoßen wurde. Wir gaben den Kindern mehr und mehr Schwung und bald schaukelten sie in weitem Bogen. Wir waren beide inzwischen einige Schritte zurückgegangen.

Die Kinder riefen: »Höher und höher!«

Ich passte meinen Anschwung ihrem an, da sie besser in der Lage war, abzuschätzen, was die Kinder vertrugen.

»Ich bin übrigens Max. Und du bist Kimi?«, fragte ich zögernd. »Die Kinder haben dich so genannt.«

»Eigentlich heiße ich Kimiko. Aber für die Kleinen bin ich Kimi. Früher konnten sie Kimiko nicht aussprechen und so bin ich bis heute Kimi für sie.«

»Du sagst früher? Du kennst sie schon lange?«

»Ja, es sind meine Geschwister. Du schaukelst gerade Taiki und das hier ist Anzu.« Zu den zweien gewandt sagte sie: »Bedankt euch doch mal bei Max, dass er euch hier schaukelt!«

Im Chor antworteten sie beim vor und Zurückschwingen: »Daaanke Max!«

»Nicht der Rede wert. Mache ich gerne«, sagte ich. »Ich muss gestehen, dass ich gedacht habe, dass du ihr Babysitter bist.«

Sie schaute mich überrascht an: »Babysitter? Ah, ich verstehe. Du dachtest das wegen des Altersunterschieds.«

Ich nickte.

»Wenn man es genau nimmt, sind es meine Halbgeschwister«, erklärte sie.

»Verstehe ... und wohnt ihr hier schon lange? Ich habe euch noch nie zuvor gesehen.«

»Wir sind am Anfang des Jahres hier eingezogen. Wohnst du auch hier?«

»Ja, hier im linken Haus«, sagte ich und wies mit der Hand zu unserem Balkon, »im vierten Stock. Und ihr?«

»Genau gegenüber. Komisch, ich habe dich noch nie hier gesehen.«

»Ich bin in der Woche auch kaum da«, erklärte ich.

»Was machst du denn?«

»Ich mache eine Lehre als Elektriker. Und du?«

»Ich gehe noch zur Schule. Ich habe gerade mein letztes Schuljahr begonnen.«

Wir stießen die beiden weiterhin an. Sie schienen tatsächlich keine Pause zu wollen.

»Wie lange wollen die beiden normalerweise schaukeln?«, fragte ich.

»Das kann schon einmal eine halbe Stunde dauern.«

»Eine halbe Stunde?!«

»Ich habe es dir doch gesagt«, sagte sie lachend. »Fang das nur an, wenn du auch viel Zeit hast!«

»Wenn es ihnen so viel Spaß macht. Ein bisschen Zeit habe ich noch.«

»Musst du noch weg?«

»Nein, ich muss noch lernen. Ich schreibe Montag eine Arbeit in der Berufsschule.«

»Ah, du auch? Was ist es denn?«, fragte sie.

»Mathe. Lernst du auch gerade?«

»Ja, ich schreibe nächste Woche eine Chemie LK Klausur.«

»Ist das schwer?«

»Geht so«, antwortete sie und wiegte den Kopf leicht hin und her.

»Musst du noch viel lernen?«

»Ja, eigentlich schon.«

»Du hast gerade gesagt, dass es nicht so schwer sei. Und dann musst du viel lernen?«, fragte ich.

»Ja, leider.«

»Warum so viel?«

»Ich muss ... ich ...«, sie stockte.

Ich schaute zu ihr hinüber. Sie wandte ihren Blick von mir ab und sah auf den Boden. Ich wartete einen Moment, bis ich fragte: »Was ist? Habe ich 'was Falsches gesagt? Dann tut mir das leid!«

Sie schaute mich kurz an, senkte ihren Blick jedoch wieder und sagte zögernd: »Nein. Es liegt nicht an dir. Ich muss ... ich muss eine sehr gute Note schreiben.«

»Warum musst du? Willst du einmal Medizin studieren?«

»Was ich mal machen will, weiß ich noch nicht. Meine Eltern erwarten das von mir.«

»Aha«, war das Einzige, was mir in dem Augenblick als Antwort einfiel. Möglicherweise ging es am vorigen Abend auch hierum, als sie so traurig reagiert hatte.

Wir schubsten die zwei Kinder schweigend weiter an. Nach einer Weile sagte sie zu den Kindern: »So ihr zwei, jetzt gibt es für jeden von euch etwas zu trinken und Obst habe ich ebenfalls dabei.«

Ich hörte mit dem Anstoßen auf und folgte Kimiko zu der Bank, auf der ihr Korb stand. Ihre Geschwister bedienten sich aus einer Dose mit geschnittenen Apfelstücke und Kimiko fragte mich: »Möchtest du auch etwas?«